Review: DER DUFT DER FRAUEN – Eine unvergnügliche Vergnügungstour

 


Fakten:
Der Duft der Frauen (Scent of a Woman)
USA. 1992. Regie: Martin Brest. Buch: Bo Goldman. Mit: Al Pacino, Chris O’Donnell, James Rebhorn, Gabrielle Anwar, Philip Seymour Hoffman, Bradley Whitford, Tedd Louiso, Ron Eldard, June Squibb, Frances Conroy u.a. Länge: 150 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Der junge Charlie (Chris O’Donnell) hat kaum Geld und muss sich deshalb zu seinem Stipendium für das Eliteinternat noch etwas Geld dazuverdienen. Dazu übernimmt er einen Babysitter-Job. Allerdings soll er nicht auf ein Baby aufpassen, sondern auf den Lieutenant Colonel im Ruhestand Frank Slade (Al Pacino). Der ist blind und einerseits ein ziemlich direkter, harter Hund, andererseits aber auch sehr gefühlvoll und charmant. Anstatt ein paar ruhige Tage in Slades Wohnung zu verbringen, nimmt der Veteran den jungen Charlie mit auf eine Reise der Genüsse durch New York. Eine Reise, die die letzte für den innerlich zerbrochenen Colonel werden soll.




Meinung:
Frank Slade (Al Pacino) ist ein Veteran, pensionierter Colonel, Charmeur, blind – und er kann ein ziemlicher Kotzbrocken sein. Trotzdem oder gerade deshalb soll der 17-jährige Charlie, der gerade ziemliche Probleme in seinem Internat hat, übers Wochenende auf ihn aufpassen. Doch Frank hat seinen eigenen Kopf und nimmt Charlie mit auf eine „Vergnügungstour“ durch New York. Zwischen Ehre, Genuss, Luxus und inneren Kämpfen geht es auch darum, wer nun wirklich sehen kann. Die wirklichen Freuden des Lebens bleiben vielen verborgen, die sich nicht mit allen Sinnen hingeben wollen. Slade, dem sein Augenlicht genommen wurde, tut dies mit den anderen Sinnen umso intensiver. Und Charlie muss erkennen, wer seine wahren Freunde sind. Für beide, Charlie und den Colonel, wird diese Reise aber nicht nur eine Genusserfahrung, sondern verändert auch deren Leben von Grund auf.


Charlie führt den Colonel durch New York
„Der Duft der Frauen“ ist auf Al Pacino zugeschnitten. Er allein ist es, der den Film trägt und der ihn zu einem Erlebnis macht. Wie er den blinden Colonel Slade zum Leben erweckt ist groß. Knallhart, ehrlich, aber innerlich zerrissen lässt er tief unter Franks harte Schale blicken. Oscar, Golden Globe und so ziemlich jeder andere Filmpreis waren der gerechte Lohn. Dadurch entsteht aber ein Problem: Er lässt keinem anderen Darsteller die Luft zum Atmen. Alle anderen Figuren sind nur Beiwerk. Selbst Charlie (Chris O’Donnell) ist lediglich dazu da, um den Colonel durch die Welt zu führen. O’Donnell macht das nicht schlecht, ganz sicher nicht. Den naiven, gutgläubigen Schüler Charlie bringt er gut rüber, aber auch er ist eben nur eines: Stichwortgeber für Pacinos eindringliches Spiel.


Was auffällt: Der Film ist lang. Sehr lang. Die Szenen, jede einzelne, ziehen sich so verdammt in die Länge. Da wird nichts mal eben kurz abgehandelt, sondern jede neue, kleine Episode wird ausgekostet bis zum letzten Tropfen. Jedes Gespräch, jeder Satz wird zelebriert und ins Zentrum gestellt. Ganz so, als konnte man sich nicht entscheiden, was man nun alles zeigen will – drum zeigte Regisseur Martin Brest einfach alles. Natürlich, da sind hervorragende Szenen dabei, unter anderem eine erinnerungswürdige Fahrt in einem Ferrari, aber insgesamt ist die Geschichte nichts Besonderes, vorhersehbar und zieht sich eben sehr in die Länge. Vor allem die Rahmenhandlung um den jungen Charlie ist ein gutes Stück zu lang (und zu pathetisch) geraten. Standardkost, mehr nicht.


Tango mit einer jungen Frau, für Frank ein Vergnügen
Ansonsten ist der Film ziemlich konventionell gehalten. Sehr ruhig, nie außergewöhnlich. Sowohl Kamera als auch Schnitt sind zu keiner Zeit originell. Aber immerhin die Musik von Thomas Newman klingt sehr schön und unterstreicht die langsame, genießerische Stimmung des Filmes äußerst angenehm. Ein kleiner Wermutstropfen sind aber die letzten etwa 45 Minuten, in denen der immer mitschwingende Pathos und Kitsch so dominant werden, dass es sogar Liebhaber einer solchen Inszenierung leicht zu viel werden könnte. Zu vorhersehbar und zu gewollt ist das Ende. Schade. Trotzdem ist „Der Duft der Frauen“ ein Film, der besonders wegen des großartigen Spiels von Al Pacino absolut sehenswert bleibt. Mit „Hundstage“ und „Serpico“ Pacinos größte Darbietung seiner Karriere. Lediglich die Vorhersehbarkeit, der übertriebene Pathos und die um etwa 25 Minuten zu lang geratene Spieldauer trüben das Sehvergnügen dieser One-Man-Show. Aber gesehen haben sollte man das US-Remake des gleichnamigen italienischen Originals aus dem Jahre 1974 auf jeden Fall.


7,5 von 10 blinde Autofahrer


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen