Review: INSIDE WIKILEAKS – DIE FÜNFTE GEWALT – Can you blow my whistle?



Fakten:
Inside WikiLeaks – Die Fünfte Gewalt (The Fifth Estate)
USA, BRD. 2013. Regie: Bill Condon. Buch: Josh Singer, Luke Harding (Vorlage), Daniel Domscheit-Berg (Vorlage). Mit: Benedict Cumberbatch, Daniel Brühl, David Thewlis, Laura Linney, Stanley Tucci, Anthony Mackie, Moritz Bleibtreu, Peter Capaldi, Dan Stevens, Anatol Taubman, Edgar Selge, Axel Milberg, Alicia Vikander, Carice van Houten, Ludgar Pistor u.a. Länge: 128 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Hacker Daniel lernt den technisch ebenfalls versierten Politikaktivisten und Globetrotter Julian Assange kennen, der mit seiner Website WikiLeaks versucht der Öffentlichkeit teils streng vertrauliche Geheimnisse von Regierungen verfügbar zu machen. Den beiden und anderen Mitstreitern gelingen mehrere große Coups, doch die Zusammenarbeit wird wegen interner Querelen immer schwieriger und der politische Druck auf WikiLeaks steigt dazu auch drastisch an.





Meinung:
Wer im Jahre 2010 ab und mal durch das World Wide Web gesurft ist oder sich nach getaner Arbeit abends vor den Flimmerkasten gesetzt und die Nachrichten eingeschaltet hat, dem dürfte nicht nur die Enthüllungsplattform „WikiLeaks“ ein mehr als präsenter Begriff sein, auch beim Namen „Julian Assange“ müsste es schlagartig klingeln. Warum gerade das Jahr 2010? Weil nicht nur Wikileaks über Monate aufgrund von finanziellen Möglichkeiten in der Inaktivität ruhte und einzig durch üppige Spendengelder (500.000$ Dollar pro Jahr) reanimiert hätten werden können, auch Programmierer und Sprachrohr der berühmt-berüchtigten Seite Julian Assange wurde mit harschen Vergewaltigungsvorwürfen stigmatisiert, um den Vereinigten Staaten ausgeliefert zu werden – Wo ihn natürlich kein fairer Prozess erwarten wurde, sondern im schlimmsten Fall die Exekution. Danach gab es ein langwieriges Hin zu Her, nicht nur um Assange, der in die ecuadorianische Botschaft floh und bis heute dort verweilt. Auch um Wikileaks, welches zwar immer noch existiert, in seiner Funktionalität jedoch erheblich kastriert wurde.


Washington versucht Assange zu stoppen
Die Vorfälle kursieren also immer noch um die Antennen der Medienwelt und ihre Konsumenten. Kann es da, im Jahre 2013, also schon der richtige Zeitpunkt sein, einen Spielfilm zum Thema WikiLeaks in die Kinos zu schicken? Die gleiche Frage stellte man sich auch schon bei Kathyrn Bigelows „Zero Dark Thirty“, der die Jagd auf Osama Bin Laden thematisiert. Eine berichtigte Frage, die immer im Bunde mit einer weiteren Frage steht: Benötigt die Welt überhaupt einen Film dieser Art? Es gäbe bestimmt genügend Argumente, um beide Seiten fundiert auszustaffieren, egal ob Pro oder Contra. Das Problem ist eben nicht der Zeitpunkt und nicht die filmische Relevant, es geht einzig um die adäquate Umsetzung des Sujets. Und – um wieder zurück auf Wikileaks zu kommen - um sich wirklich tief in die komplexe Materie einzuarbeiten, sollte man sich Dokumentationen (wie zum Beispiel „We Steal Secrets“) anschauen oder dem durchaus informativen Artikel auf WikiPedia eine Chance geben. Hoffnungen auf eine derartig erhellende Akribie darf man an Bill Condons kolossalen Kino-Flop „Inside WikiLeaks“ jedoch bitte nicht hegen, auch wenn ambitiös zur Tat geschritten wurde.


Ist Julians Mitstreiter wirklich im Zielsucher der Geheimdienste?
Ambitionen können allerdings nicht nur etwas Positives sein, sie können einem Projekt auch problemlos das Genick brechen. „Inside WikiLeaks“ nämlich folgt dem Leitmotto (oder eher dem törichten Schlachtruf): Alles oder nichts. Gleich zu Anfang werden wir mit Bildern und Aufnahmen von reellen Vorfällen konfrontiert, deren Details immer noch in Relation mit Ungereimtheiten stehen, wie der Unfall von Lady Diana oder auch das Attentat auf John F. Kennedy. Ein Festmahl für Verschwörungstheoretiker! Und genau diesen Verschwörungsmöglichkeiten wollte Wikileaks Einhalt gewähren und sich für digitale Transparenz starkmachen: Dokumente, die als Verschlusssache, Geheimhaltung, Vertraulichkeit oder Zensur gezeichnet sind, wurden anonym veröffentlicht- auch Whistleblowing genannt -, um den unverfälschten Informationsfluss des 21. Jahrhundert für jedermann zu gewähren. Eine an und für sich sehr gute Sache, der sich die Betroffenen, also die Regierung, nur zu gerne in den Weg gestellt hat. „Inside WikiLeaks“ jedenfalls macht nicht den Fehler, klare Fakten dramaturgisch zu verschandeln, er wirft nur jede Minute ein neues Detail, eine neue Information in den Raum, als würde das Drehbuch Gefallen am Jonglieren mit brisanten Chiffren finden.


„Inside Wikileaks“ ist hingegen tadellos inszeniert, genau wie Benedict Cumberbatch („12 Years a Slave") mit seiner Performance des zuweilen autistisch erscheinenden Julian Assange durchgehend zu überzeugen weiß. Daniel Brühl („Rush“), solide, gibt mit Daniel Domscheit-Berg den Ruhepol der Geschichte, der als Identifikationsfigur für den Zuschauer fungieren soll. Nicht umsonst beruht auch der Film größtenteils auf dem gleichnamigen autobiografischen Buch des deutschen Informatikers. „Inside Wikileaks“ kennt nur keine narrative Ruhe, alles geht Schlag auf Schlag, alles ist vollgestopft mit Denkanstößen und Querverweisen, hier etwas Redefinition von Informations- und Redefreiheit, da etwas Revolutionsgeplänkel. Über all dem thront (neben der unfassbar debilen Schleichwerbung für Club Mate) die nach und nach zerbröckelnde Beziehung zwischen dem androgyn-suggestiven Assange und dem introvertiert Domscheit-Berg, die durchweg irgendwie leblos bleibt. Und auch wenn der Film parteilos bleiben möchte, drängt er Assange fortwährend in despektierliche Schubladen, um in einem mehr als unnötigen Meta-Interview zu munden. Beim nächsten Mal sollte man seine Ziele vielleicht nicht ganz so hoch stecken, der Sturz jedenfalls wäre etwas angenehmer.


4 von 10 müden Kühen


von souli

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen