Fakten:
Léon – Der Profi (Léon)
FR, USA, 1994. Regie & Buch:
Luc Besson. Mit: Jean Reno, Natalie Portman, Gary Oldman, Danny Aiello, Peter
Appel, Willie One Blood, Don Creech, Keeith A. Glascoe, Randolph Scott, Michael
Badalucco, Ellen Greene u.a. Länge: 110/133 Minuten (Kinofassung/Director’s
Cut). FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Story:
Léon ist ein Cleaner, der perfekte
Auftragskiller, der für seinen väterlichen Freund Tony mit höchter
Professionalität „aufräumt“. Léon lebt nur für seinen Job, bis auf seine
Topfpflanze gibt es nichts, was in seinem tristen Leben irgendeine Bedeutung
hat. Bis die zwölfjährige Nachbarstochter Mathilda in Todesangst an die Tür
seines Appartments klopft. Deren Vater hat Drogenfahnder Stansfield und seinen
Männern Stoff geklaut, woraufhin die
„Gesetzeshüter“ die gesamte Familie wenige Minuten zuvor ausgelöscht
haben. Nur Mathilda, die gerade einkaufen war, haben sie nicht erwischt. Léon lässt
sie rein und rettet ihr damit das Leben. Am nächsten Tag soll sie wieder
verschwinden, doch Mathilda schlägt ihm einen Deal vor: Er bildet sie zum
Cleaner aus, damit sie Rache üben kann, im Gegenzug bringt sie ihm Lesen und
Schreiben bei und erledigt den Haushalt. Trotz Skepsis willigt Léon ein. Das
Mädchen bringt seinen Alltag gehörig durcheinander, lässt ihn dabei jedoch
erstmals seit etlichen Jahren etwas für einen anderen Menschen empfinden.
Meinung:
Hätte Luc Besson seine Karriere
nach „Léon – Der Profi“ an den Nagel gehängt, er hätte wohl alles richtig
gemacht. Nicht für sein Bankkonto, das füllt der Franzose seit Jahren beständig
und effektiv aus der bequemen Produzentenposition, gibt seinen (inzwischen
schon lange nicht mehr so) klangvollen Namen für Actionkracher sehr
unbeständiger Qualität her und gab sich nur ganz selten mal wieder als
Regisseur die Ehre, ohne dabei zu glänzen. An sich eine traurige Sache, wobei
es letztendlich auch wurscht ist, denn diesen Film kann man ihm (und uns) nicht
mehr nehmen.
Früh übt sich. |
Wie schon bei „Nikita“ (1989, in
dem Jean Reno bereits einen Cleaner spielte, was Inspiration zu diesem Film
war) verbindet Besson eine Hit-(Wo)Man Geschichte mit viel Gefühl und Emotion,
zeigt knallharte Action in Kombination mit melancholischer Romantik und
skizziert Figuren, die in dem wenig zimperlichen Feuergefechten nicht
untergehen, sondern durch eine fast altmodische, herzerwärmende Weise aus ihnen
hervorstechen. Der Killer und das Mädchen, nicht unbedingt neu, aber selten so
schön, empathisch, präzise auf den Punkt rührend vorgetragen, ohne auf den
Kitsch-Button zu fest einzuprügeln. Dafür gelingt ihm das Feintuning zu genau,
steckt zu viel Liebe drin, es wird von allen Beteiligten im genau richtigen Maß
abgeliefert, dass sein Film nicht kippt. Sowohl als handwerklich astreines,
temporeiches Actionkino ohne zu hanebüchenen Firlefanz (was bei der Marke
Besson heute kaum noch möglich scheint), wie als berührende Ballade
funktioniert „Léon – Der Profi“. Fast ein modernes Märchen. Der traurige Riese
rettet die junge Prinzessin, lässt sein versteinertes Herz durch sie erweichen
und verteidigt sie gegen den bösen König und seine Schergen. Sogar ein Ring ist
im Spiel...
Da sage noch mal einer, die Jugend hätte keine Ziele. |
Jean Reno, in seiner vielleicht
besten Rolle, ist der traurige Riese Léon. Ein hochprofessioneller Killer, der
wie ein Todesengel aus der Dunkelheit tritt und seine Opfer richtet. Eiskalt,
unaufhaltsam, fast unmenschlich. In seinem Job kennt er keine Emotionen, kein
Mitleid, bis auf seine goldene Regel: Keine Frauen, keine Kinder. Bist du
männlich, erwachsen und stehst auf seiner List, gute Nacht. So unbarmherzig er
dort auftritt, so leer und verletzt ist er innerlich. Ein kleiner, verstörter
Junge im Körper eines Mannes, der nach getaner Arbeit zurück in seine schäbige
Behausung kommt, sich liebevoll um seinen einzigen Freund – eine Pflanze –
kümmert, trainiert, Milch trinkt und die Nacht in seinem Sessel verbringt,
wartend auf den nächsten Tag. Besson und Reno entwerfen diese Figur so
detailliert, bringen sie einem so nah und lassen Mitleid empfinden für einen
armen Tropf, zu dem das Schicksal hart war und der eigentlich nichts hat, wofür
es sich zu leben lohnt. Reno geht in seiner Rolle voll auf. Jeder Blick, jede
Geste beschreibt seine tragische Figur so genau und lässt sie einem ans Herz
wachsen (die Szene im Kino, umwerfend). Ein sozialer Authist, der durch das
Schicksal bald einen Weg aus seinem Schneckenhaus finden soll.
Abschalten vom stressigen Cleaner-Alltag. |
Durch die junge Prinzessin –
Natalie Portman in ihrer ersten Filmrolle -
die in höchster Not an seine Tür klopft. Sonst würde er sie dort stehen
lassen, doch für einen kurzen Moment lässt er seine sonst überlebensnotwendige
Distanz zu anderen Menschen beiseite. Er lässt jemanden in seine Welt, in der
eigentlich kein Platz ist. Erst recht nicht für ein kleines Mädchen. Portman
spielt für ihr Alter überragend, wirkt erstaunlich reif und kindlich zugleich,
wie ihr Charakter im Film. Eine kleine Lolita, altklug und frühreif, dennoch
nur ein Kind, was immer wieder hinter ihrer harten Schale hervorkommt. Sie
bringt Unregelmäßigkeiten in das kontrollierte, monotone, karge Leben des
Riesen. Verstöhrt und irritiert ihn, geht ihm auf die Nerven, reanimiert aber
auch Gefühle in ihm, die schon abgestorben schienen. Sie weckt seinen
Beschützerinstinkt und gibt seinem Leben das, was seit Ewigkeiten fehlte: Einen
Sinn. Wie Besson den Beziehungsaufbau zwischen ihnen schildert ist menschlich,
komisch, traurig, sensibel und niemals zu dick aufgetragen. Zumindest nicht zu
dick für ein Märchen. Denn nichts anderes ist dies hier.
Ein Cop wie aus dem Bilderbuch, sieht man schon. |
Denn nun kommt der böse König, Gary
Oldman als hemmungslos durchgedrehter Psycho-Cop Stansfield. Wenn eine Figur
absolut überzogen wirkt, mit voller Absicht, dann diese. Oldman kennt gar keine
Zurückhaltung, dreht komplett am Rad und eigentlich müsste man von absurdem
Overacting sprechen. Doch in diesem Kontext passt das wie Arsch auf Eimer. Das
pure Böse, wahnsinnig bis ins Mark, ein wildes Tier auf Speed. Besson wollte
nichts anderes und hat mit Oldman einen Mann gefunden, der das dankend annimmt.
Durch diese absurde Überzeichnung gewinnt „Léon – Der Profi“ noch mehr den
Charakter einer eigentlich nicht realen Geschichte, die ganz klassischen
Erzählmustern- und strukturen folgt, diese nur in einem anderen Gewand
präsentiert. Gut gegen Böse, der hässliche Knecht wird zum strahlenden Ritter, verpackt
in eine Thriller-Tragödie mit knackiger Action.
Luc Besson macht natürlich hier
kein hoch anspruchsvolles Kino, wohl keine „Filmkunst“ im cineastischen Sinne,
das ist nicht Truffaut oder Antonioni, das ist Unterhaltung. Allerdings die
große Kunst der Unterhaltung, nicht einfach hingerotzt, und dann doch mehr als „nur“
Entertainment. Da steckt so viel drin, ist so gut gemacht, liebt seine Figuren
und lässt sich in sie verlieben, macht Spaß und ist kein beliebiger
Budenzauber, der nach dem Konsum wieder vergessen ist. Dieser Film verliert tatsächlich
nie etwas von seiner Magie (bezogen auf den Director’s Cut, die Kinofassung ist
im Vergleich eine Frechheit), kann nach Jahrzehnten noch so mitnehmen wie
damals und wenn das der Fall ist, was könnte man denn besser machen ? Manchmal kann man die Liebe zu einem Film
nicht in vielen Worten erklären, es ist das Gefühl. Wie bei Liebe allgemein.
10 von 10 Litern Milch.
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