Review: HANNAH ARENDT – Ein wichtiges Thema im falschen Medium




Fakten:
Deutschland, Luxemburg, Israel, Frankreich. 2012. Regie: Margarethe von Trotta. Buch: Margarethe von Trotta, Pamela Katz. Mit: Barbara Sukowa, Axel Milberg, Janet McTeer, Julia Jentsch, Ulrich Noethen, Michael Degen, Victoria Trauttmansdorff u.a. Länge: 113 Minuten. FSK: Ab 6 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Die jüdische Philosophin Hannah Arendt (Barbara Sukowa) wird gebeten, einen Zeitungsartikel über den Prozess um Kriegsverbrecher Adolf Eichmann in Jerusalem zu schreiben. Für sie überraschend entpuppt sich Eichmann aber nicht als bösartiges Monster, sondern als durchschnittlicher Bürokrat, was sie sehr beschäftigt und fast schon verstört. Von diesen und weiteren Erkenntnissen stark beeinflusst zieht sich Arendt zurück und veröffentlicht zwei Jahre später eine Artikelreihe, die enorm viel Aufsehen erregt und von allen Seiten aufs Schärfste kritisiert wird.




Meinung:
Das Biopic „Hannah Arendt“ zeigt einen Teil des Lebens seiner Titelheldin, einer jüdischen Deutsch-Amerikanerin, die in die Vereinigten Staaten emigrierte, nachdem sie vor den Nazis fliehen konnte. Ihr Leben wird jedoch nicht von A bis Z beleuchtet. Stattdessen wird auf den Aspekt Augenmerk gelegt, der Frau Arendt berühmt machte: Ihre Beobachtung des Eichmann-Prozesses in Israel und ihr kontrovers diskutiertes Buch „Eichmann in Jerusalem. Die Banalität des Bösen“. Nun, eigentlich kann ich auch nicht mehr über Hannah Arendt als Person sagen. Bis auf ganz wenige Schlagworte ist sie mir unbekannt. Ich kann nicht sagen, wie sie als Person war, wie sie sich gegenüber ihren Freunden verhielt, nicht einmal, wie bedeutsam ihr Wirken war. Wenn ich dem Film Glauben schenken kann, dann war Hannah Arendt eine ziemlich populäre Person, beliebt bei Studenten und Freunden, angesehen bei allen anderen. Sie hatte ihren eigenen Kopf und konnte als Philosophin ihre eigenen, geschliffenen Gedanken vertreten.


Beim Prozess kommt Hannah Arendt ins Grübeln
Ob Barbara Sukowa die Hauptrolle gut umsetzt, das kann ich ebenso wenig sagen, aber sie wirkt in ihrem Spiel sehr steif, hölzern, mechanisch, sachlich. Absicht oder nicht, aber so bleibt sie sehr trocken und zeigt nicht besonders viele Emotionen. Selbst in privaten Situationen. Darum wirken die wenigen emotionalen Szenen dann auch sehr fremd. Vielleicht liegt das aber auch an den Dialogen, die weniger nach gesprochener Sprache, sondern viel mehr nach Schriftsprache klingen. Mechanisch, nicht menschlich. Inhaltlich wirken viele Dialoge oft messerscharf, andere wieder sehr banal und ohne einen direkten Bezug zum Hauptthema. Dabei schafft es der Film lediglich, seine grobe Aussage an den Zuschauer zu bringen, nicht aber die nötigen Erklärungen und Hintergrunddebatten. Zumindest nicht, wenn man sich nicht ohnehin bereits mit Arendt oder Philosophie beschäftigt hat. Dazu müsste man diesen Film entweder viele male sehen oder das Gesprochene in schriftlicher Form zu sich führen. Wohlgemerkt, hier steckt schon einiges drin, nur kann es nicht wirklich gut präsentiert werden. Für Zuschauer, die über Hannah Arendt und ihr Wirken wenig bis nichts wissen, dürfte es nicht einfach werden, alle Informationen adäquat zu verarbeiten.


In nicht einfachen Debatten wird über Philosophie diskutiert
Die wirklich das Thema weiterbringenden Debatten werden sehr schnell abgehandelt und nicht erläutert, stehen oft nur im Raum zwischen privatem Geplänkel. Auch Geisteshaltungen der Beteiligten werden nur angedeutet. Stattdessen wird eben Nebensächlichkeiten viel Raum gegeben, die aber den Film thematisch nicht weiter unterstützen. So werden, ganz nebenbei, einige Eigenheiten der 60er Jahre gezeigt. Zum Beispiel, dass jeder halbwegs Intellektuelle bei sich jeder bietenden Gelegenheit einen Glimmstängel in den Mund nahm. Qualm und Rauch überlagern somit auch den ganzen Film, was in seinen intensiven Phasen sogar an die Luftschlacht im Michael Bay-Film „Pearl Harbor“ erinnert. Es mag durchaus authentisch sein, gerade, weil auch Hannah Arendt kaum ohne ihre Zigarette anzutreffen war, doch lenkt es zusätzlich ab und verlegt den Fokus des Films von seiner brisanten Kernthematik immer wieder auf Nebenschauplätze.


Regisseurin Margarethe von Trotta ist es hoch anzurechnen, dass sie sich immer wieder mit starken Frauenfiguren der, meist deutsch geprägten, Geschichte widmet und auch ihnen in einer von Männern dominierten Welt einen öffentlichen Platz gibt. Dennoch ist es fraglich, ob der Film das geeignete Medium ist, um nicht ganz einfache, sehr rasant gesprochene und inhaltlich teilweise sehr reichhaltige Dialoge an den Zuschauer zu bringen, ein Medium, bei dem man sich nur schwerlich die Zeit nehmen kann, die es für eine solche Thematik eigentlich braucht. Einerseits zu wenige Informationen, andererseits dann zu wenig verständlich präsentiert. Wenn man nicht ohnehin bereits ein breites Vorwissen zu Arendt und die Geschichte um den Eichmann-Prozess angehäuft hat, könnten wegen der Präsentation der philosophischen Gedanken durchaus Probleme entstehen, sie alle gut zu verarbeiten, zumindest bei der ersten Sichtung.  Fraglich ist jedoch nur, ob man diesen Film ein zweites Mal sehen will. Ein Buch, zumindest aber eine schriftliche Form, bei der man tatsächlich Pausen machen kann, um das neu Erfahrene noch einmal zu überdenken, wäre hier wohl die passendere Wahl gewesen.


6,5 von 10 Zigaretten während der Vorlesung

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