Fakten:
The Others
USA, ES, FR, IT, 2001. Regie &
Buch: Alejandro Amenábar. Mit: Nicole Kidman, Fionnula Flanagan, Christopher
Eccleston, Alakina Mann, James Bentley, Eric Sykes, Elaine Cassidy, Renée
Asherson, Keith Allen, Michelle Fairley, Gordon Reid, Alexander Vince u.a.
Länge: 100 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray
erhältlich.
Story:
1945: Grace Stewart lebt mit ihren
Kindern Anne und Nicholas in ihrem prunkvollen Wohnsitz auf der Insel Jersey
vor der englischen Küste und wartet seit über einem Jahr auf die Rückkehr ihres
Manns Charles aus dem Krieg. Die Kinder, welche von Grace mit authoritärer
Strenge und bibelfest erzogen werden, leiden an einer schweren Lichtallergie,
weshalb Vorhänge die Fenster bedecken und jede Tür im Haus verschlossen bleiben
muss. Plötzlich verschwindet das Dienstpersonal über Nacht. Da kommt es Grace
sehr gelegen, dass die herzliche Mrs. Mills, der kauzige Mr. Tuttle und die
stumme Lydia vor der Tür stehen und ihre Dienste anbieten. Doch mit deren
Eintreffen häufen sich merkwürdige Vorkommnisse. Anne schwört, fremde Menschen
im Haus zu sehen, unheimliche Geräusche sind zu hören und langsam droht Grace
an ihrem Verstand zu zweifeln.
Meinung:
Alejandro Amenábar erweißt mit „The Others“ dem klassischen Haunted-House- und Suspensefilm die Ehre und kreiert so einen der wirkungsvollsten, nachhaltigsten Genrefilme des neuen Jahrtausends, der sich trotz unverkennbarer Inspirationsquellen und indirekter Zitierung von Filmklassikern nicht seine Eigenständigkeit nehmen lässt, obwohl es lange gar nicht danach aussieht. Gerade das macht ihn rückwirkend so clever konzipiert und lässt seine wirkliche Klasse eigentlich erst bei wiederholter Sichtung vollends erkennen.
Alejandro Amenábar erweißt mit „The Others“ dem klassischen Haunted-House- und Suspensefilm die Ehre und kreiert so einen der wirkungsvollsten, nachhaltigsten Genrefilme des neuen Jahrtausends, der sich trotz unverkennbarer Inspirationsquellen und indirekter Zitierung von Filmklassikern nicht seine Eigenständigkeit nehmen lässt, obwohl es lange gar nicht danach aussieht. Gerade das macht ihn rückwirkend so clever konzipiert und lässt seine wirkliche Klasse eigentlich erst bei wiederholter Sichtung vollends erkennen.
Gutes Personal ist heute schwer zu finden. |
Rein formal ist hier von Anfang an
alles auf höchstem Niveau, die Inszenierung ist so versiert, detailliert und
eindrucksvoll stimmig wie bei den ganz großen seiner Zunft. So dicht wie der
Nebel rund um das Anwesen der Stewarts ist auch die Atmosphäre von Amenábar,
der mit ruhiger und fachkundiger Hand elegant durch den im ersten Augenblick so
wohlbekannt anmutenden Plot führt. Parallelen und Quervergleiche zu Klassikern
wie „Schloss des Schreckens“ („The Innocent“) von Jack Clayton oder „Rebecca“
von Alfred Hitchcock sind bei Kenntnis dieser unvermeidbar und womöglich auch
nicht ganz unabsichtlich. Zum einen durch die mysteriösen Vorfälle, begleitet
von einem zunächst nur angedeuteten und nicht näher erläuterten innerfamiliären
Konflikt, in dessen Mittelpunkt etwas zwischen Grace und ihren Kindern steht,
zum anderen durch den viktorianischen Wohnsitz, der mit seiner omnipräsenten
Aura fast eine Art Eigenleben entwickelt und vermuten lässt, dass er in seinen
zum Teil verwaisten, weitläufigen Räumlichkeiten ein dunkles Geheimnis hütet
und weit mehr zu sein scheint als einfach nur Kulisse. All das ist prächtig
ausgestattet, mit enormer Präzision eingefangen, von einem wunderbar
unaufdringliche Score (ebenfalls von Amenábar) unterlegt und dazu sagenhaft
ausgeleuchtet. Wenn man es nicht besser wüsste, man könnte fast glauben, dass
statt Scheinwerfen hier tatsächlich nur das Licht von Kerzen und Öllampen zum
Einsatz kommen würde. Die perfekte Illusion, maßgeblich beitragend zu der
stillen Sogwirkung, die „The Others“ von der ersten Minute an entwickelt und
konsequent steigert, ohne sich jemals in hektische und aufgesetzte
Schockmomente zu flüchten.
Grace geht langsam ein Licht auf. |
Nicole Kidman - noch vor dem
Botox-Super-GAU – verkörpert die ambivalente und undurchschaubare Grace mit
voller Hingabe und Einsatz, lässt ihre Figur mit diesem extrem auf den Punkt
gebrachten Spiel genau in der merkwürdigen Schwebe von Identifikationsfigur und
doch irgendwie nicht greifbarem, offenbar innerlich zerissenen Muttertier,
deren Verhaltensweisen und Charakterzüge für den Zuschauer nie gänzlich offen
liegen. Was in ihr genau vorgeht, was sie antreibt und was sie so zerfrisst
bleibt lange ein Geheimnis im Nebel, der sich erst im brillanten Schlussakt
lüftet und dann erst erkennen lässt, was Amenábar eigentlich über 1 ½ Stunden
für ein gewitztes Spiel mit seinen Figuren und dem Zuschauer betrieben hat. Was
„lediglich“ wie ein handwerklich großartiger Spukhausfilm nach üblichem Muster
aussieht und selbst erfahrene Zuschauer mit einem genau überlegten Timing
absichtlich in Sicherheit wiegt, zieht ihnen exakt dann den Boden unter den
Füßen weg, als er den erwarteten Ablauf scheinbar aufgetischt hat. „The Others“
ist ein taktisch enorm ausgeklügeltes Hantieren mit Sehgewohnheiten,
Erwartungshaltungen und Perspektiven, welches ihn beim zweiten und dritten
Anlauf noch sehenswerter macht, als er aufgrund seiner deutlichen Vorzüge
ohnehin ist. Selten gibt es Filme, die nach der Schlusspointe nicht an Reiz für
eine Neusichtung verlieren, sondern sie noch besser werden lässt. Die Nutzung
bekannter Genre-Zutaten erweißt sich als viel mehr, als vorher zu erahnen war,
viele kleine Einzelheiten bilden ein großes Ganzes, unauffällige Momente geben
sich als wichtige Puzzleteile zu erkennen.
„The Others“ scheint „nur“ ein gut
gemachter Genrefilm nach erprobter Mischung der alten Schule, ist dabei
tatsächlich in Sichtweite mit den großen Vorbildern, welche letztendlich nicht
kopiert werden, sondern nur im Ansatz Pate stehen. Viel zu abgeklärt und
tiefgründig ist der Film in seiner eigentlichen Essenz, die er einem erst spät
gänzlich ausbreitet. Ein menschliches Drama um Verzweiflung, Leid, Liebe,
Schuld, Sühne, festhalten und loslassen, eingestehen und vergeben, akzeptieren
statt verdrängen. Egal, wie grausam die Wahrheit doch ist. Umwerfend schön präsentiert,
schaurig, spannend und traurig. Ein großer Wurf.
8 von 10 Vorhängen am Fenster.
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