Review: DIE ZEHN GEBOTE - Das klassische Blockbuster-Handwerk auf biblischen Erlöser-Pfaden



Fakten:
Die zehn Gebote (The Ten Commandments)
USA. 1956. Regie: Cecil B. DeMille. Buch: Æneas MacKenzie, Jesse L. Lasky Jr., Jack Gariss, Fredric M. Frank.
Mit: Charlton Heston, Yul Brynner, Anne Baxter, Edward G. Robinson, Yvonne De Carlo, Debra Paget, Nina Foch, Martha Scott, Lawrence Dobkin, Vincent Price u.a. Länge: 220 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die Geschichte von Moses, der als Adoptivsohn des Pharaos Ramses I., dessen Zuspruch erhält und somit den Unmut von Ramses leiblichen Sohn heraufbeschwört und später erfährt, dass er in Wirklichkeit der geborenen Führer der Israeliten ist.





Meinung:
Cecil B. DeMille bewegt sich bei seiner letzten (kompletten) Regiearbeit inszenatorisch zwar noch immer auf bieder-archaischen Pfaden des platt-kommerziellen Stummfilms jenseits des Expressionismus (dem er 1923 schon eine Verfilmung der zehn Gebote bescherte) und treibt daher seine Charaktere hauptsächlich anhand von theatralischen Totalen und Gesten an - der wohlweislich epischen Geschichte vom Erlöser-König Moses verleiht er dennoch trotz knapp 4 Stunden Laufzeit eine erbauende, simplifizierte Kohärenz, die zudem von monumentalen Größenordnungen in Ausstattung, Menschenmassen und Effekten eindrucksvoll untermauert wird.

 
Moses hat gerade von Gott ein Steinfax erhalten
DeMilles virtuosem Auge mag es an eindringlicher Inspiration fehlen und oftmals ist sein Einsatz von Massenszenen, göttlichen Wundern und Blue-Screen-Kompositionen unschwer als sensationalistisch zu enttarnen - als präziser Vermittler einfacher Worte und menschlicher Werte (Stichwort: 'Lass mein Volk ziehen!'), basierend auf der Erzählung aus dem alten Testament, sorgt er aber ohne Sperrigkeit dafür, dass sein Werk bis zum heutigen Tage massentauglich und einfach-kraftvoll wirkt. Das fängt schon bei der Ausgangslage an: die Hebräer werden von den Ägyptern als Sklaven unterdrückt und geschunden - aus ihrer Mitte entspringt der adoptierte Pharaonen-Sohn Moses (Charlton Heston), der seine wahre, hebräische Herkunft trotz später Offenbarung ohne Schande anerkennt, so empathisch er doch gegen Ungerechtigkeit einsteht. Eine Befreier-Figur der Güte und Barmherzigkeit: das kommt an, selbst heutzutage noch in der variierten Form eines 'Superman'. Dass Moses zudem gegen Sklaverei vorgeht und sich freiwillig seinem Volk im Leiden anschließt, festigt noch stärker den Gerechtigkeitssinn und die Sympathie des Zuschauers - gefolgt von seinem Exil in die Wüste, wo er nach einem unendlich langen Opfergang seiner zukünftigen Frau Sephora begegnet, sowie Gott persönlich auf dem Berg Sinai in Form des ewig brennenden Busches. Mit seiner Hilfe will er nun die Befreiung seines Volkes aus ägyptischer Sklaverei herbeifördern, doch der Pharao Ramses (Yul Brynner) bleibt stur. Wie so oft im alten Testament spüren die Menschen fortan den Zorn des rachsüchtigen Gottes, der Plagen, Mirakel und die Pest über sie erlegt, damit - quasi mithilfe von übernatürlicher Erpressung - Gerechtigkeit herrschen kann.


"Meine Kutsche hat ja zwei PS - und Sitzheißung"
Wie die Geschichte zuende geht, ist ja allseits bekannt, forciert aber nochmals trotz seliger Freiheit die Notwendigkeit von Gesetzen und Gottesehrfurcht bei denen, die sie erhalten haben. Dahinter steht natürlich, wie bei jeder Religion, ein unterwürfig-braves Zeichen der Furcht und Abhängigkeit - im Grunde ist es aber vorerst nur eine Erziehungsmaßnahme, um zu verhindern, dass man sich gegenseitig das antut, was die Sklaventreiber Jahrhunderte-lang mit einem angestellt haben. Der Drang nach menschlicher Tugend und Bescheidenheit stellt im Rahmen dieser Geschichte den richtigen Weg dar und DeMille verlässt sich bei seinem Film ebenso auf die Vorteile dieser Einigung, in gleichsam oberflächlicher wie auch opulenter Präsenz.
Sodann scheut er auch nicht vor der Darstellung von Tod und Verderben zurück, um dem Zorn Gottes ein Gesicht zu verleihen, verdient sich diese visuelle Drastik aber auch durch das empathische Leidenszeugnis seiner jüdischen Unterdrückten. Dieser Zusammenhang bildet eine durchaus einfache Einheit und bedarf keiner gestalterischen oder gar dramaturgischen Finesse - da die aufgezeigten Bilder und Handlungen in ihrer glossiert-inoffensiven Direktheit ohnehin glänzend verständlich bleiben, besitzen sie eine effektive Funktionalität, welche gerade in den offenen, distanzierten und unaufgeregten Kameraeinstellungen perfekt zur Geltung kommen. Das gilt dann auch, wenn Massen an Schauwerten die biblische Leinwand erfüllen: der Überblick bringt einem vielleicht nicht unbedingt den Kontakt zum Geschehen, aber immerhin ein beeindruckendes Gefühl für die Ausmaße.


So erschafft DeMille einen durchgehenden Unterhaltungs-Faktor, der die 4 Stunden Laufzeit durchhält: mit einfachen, aber verständlichen Mitteln schreitet er voran, behilft sich funktionaler Charaktere und Motivationen und schöpft aus den Umständen der Vorlage heraus ein launiges Spektakel, das sich vordergründig dem Gerechtigkeitssinn verpflichtet fühlt, aber auch auf eskapistische Action setzt. Er stellt damit einen publikumswirksamen Vorreiter des Blockbuster-Kinos dar, der mit handwerklicher Effizienz und Effekt-Spielspaßigkeit die Gunst des Publikums auf sich zieht. Das beschwört sodann nur bedingt die thematischen Kräfte und Implikationen des Stoffes herauf und besitzt mitunter keine besonders distinktive, künstlerische Autorenschaft (siehe zum Vergleich Aronofskys 'Noah'), macht als Film aber dennoch eine spannend-reizvolle Figur - was aber wohl auch für die Geschichte an sich spricht, weshalb man darauf gespannt sein darf, wer sich da wohl als nächstes herantraut.


7 von 10 Geboten


vom Witte

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