Fakten: Divergent – Die Bestimmung
USA. 2014. Regie: Neil Burger. Buch: Vanessa Taylor, Evan Daugherty, Veronica
Roth (Vorlage). Mit: Shailene Woodley, Miles Teller, Kate Winslet, Theo James, Ashley
Judd, Maggi Q, Jai Courtney, Zoe Kravitz, Tony Goldwyn, Mekhi Phifer, Ben Lamb
u.a. Länge: 139 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 28. August 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
In der Zukunft bestimmt ein neues Gesellschaftssystem die Welt. Jeder Mensch
wird in eine von fünf Kasten kategorisiert. Um herauszufinden welche das ist,
muss jeder Teenager einen komplexen Test durchlaufen. Tris, frische 16 Jahre
alt, meistert ihren Test, doch kommt dabei heraus, dass sie eine Unbestimmte
ist, die in jede Kaste aufgenommen werden könnte. Da Unbestimmte als Bedrohung
angesehen werden und Tris sich von niemanden mehr vorschreiben lassen will, wie
ihr Leben auszusehen hat, schließt sie sich dem Untergrund-Widerstand an.
Meinung: Dystopische
Jugendroman-Verfilmungen haben sich ja jüngst zum eigenen Genre etabliert. Dass
sich deren narrative Grundessenz seit Klassikern wie "1984"' und
mittelmäßig-abgeleiteten Stoffen wie dem „Aeon Flux“-Film oder „Equilibrium“
nur wenig variiert hat, scheint das Zielpublikum offenbar wenig zu stören,
wohlgemerkt aber eher Regisseur Neil Burger in dieser seiner Adaption eines
solchen YA-Werkes. Zwar routiniert, aber allenfalls zweckmäßig behandelt er die
ewig gleiche Mär vom subversiv-faschistischen 'Glückseligkeits-Staat', unter
dessen Oberfläche Verschwörungen zum Genozid der Unangepassten vorbereitet
werden. Dies ist erneut eine Gesellschaft, in der alle abgestumpft
gleichgeschaltet werden, wo jeder Einzelne durch einen Persönlichkeits-Test
suggeriert bekommt, in welche streng-definierten Gruppen er eintreten sollte.
Mutproben sind auch in der Zukunft immer noch hip
Das klingt wie eine Horrorzukunft unter Scientology - was von Burger
entsprechend glattgebügelt, monochrom-gefärbt und ernüchternd-bodenständig
aufgebaut wird - und diese ist zurecht in Aufruhr, sobald sich unter den
gemäßigten Teens im eingezäunten, halb-zerstörten Chicago jemand befindet, der
in keine Gruppe passt, sein eigener Herr, divergent ist! Am Beispiel von
Shailene Woodley als Titelfigur Tris erleben wir diese Erkenntnis, die vorerst
ein Geheimnis bleiben soll. Weil sie nun insgeheim freie Entscheidungsgewalt
inne hat, entscheidet sie sich für ein Leben bei den militanten
Aufpasser-Teens, weil diese „West Side Story“-artig überall hip Parkour-Jumpen,
Klettern und für Gerechtigkeit sorgen. Das Training ist hart und die Laufzeit
des Films ebenso vorwiegend darauf eingestellt - eine Ambivalenz zu den
Methodiken macht sich bei Tris schon bemerkbar, doch Freundschaften und die
anbahnende Liebe zum Gruppenleiter Four (Theo James) bringen emotionale
Entlastung in diesem Boot-Camp-Ambiente.
Kate Winslet ist auf der Jagd
Zunächst scheint sie aber noch zu schwach zu sein, um die maßgeblichen Tests zu
bestehen, doch ihr insgeheimer freier Wille bahnt sich seinen Weg hindurch zur
Oberliga, wobei sie jedoch vom gnadenlosen Komplott der inneren Gleichschaltung
erfährt (siehe auch: “Universal Soldier“), bei dem sie und ihre Freunde
natürlich aus der Reihe tanzen und zurückschlagen. Der Schluss generiert sich
wie erwartet zum bewährten Shootout-Spektakel des Non-Konformismus gegen 'the
man', wobei die Verhältnisse natürlich nicht so drastisch umgewälzt werden,
dass man im Nachhinein nicht noch eine Fortsetzung daraus basteln könnte. Neil
Burger hat sich seitdem allerdings vom potenziellen Franchise verabschiedet und
man kann seinen Unmut durchaus nachvollziehen, alleine wenn man bemerkt in
welche Momente er den meisten Enthusiasmus hineingesteckt hat. So lag ihm offenbar die Darstellerführung besonders am Herzen, so gemäßigt und
dennoch glaubwürdig sein beinahe durchweg junger Cast agiert. Im Mittelpunkt
steht dabei Newcomerin Woodley, welche mit ihren sehnsüchtigen Kulleraugen und
schüchterner Körpersprache stets ein nachvollziehbares Gefühl der Unsicherheit
unter jenen harten Umständen ausdrückt. Da ist Burger auch immer ganz nah an
ihr dran, geht auf Tuchfühlung mit jeder Pore, erst recht sobald sie
unvorbereitet Herausforderungen des Springens, des Schießens und des Boxens
bewältigen muss (sowieso: massig Frauen-Keile am Start) - wie grundsympathisch
das fesche, neugierige, zwar noch etwas verschämte, aber allmählich
sich-selbst-beweisende Mädel dabei doch rüberkommt. Wenn sie die Strapazen der
Ausbildung allerdings bewältigt, zeigt Burger sein exzellentes Gespür für
Euphorie, die am Stärksten in jener Szene wirkt, in welcher Tris am Seil über
die Reste Chicagos schwebt, währenddessen Ellie Goulding oder wer auch immer
auf dem Soundtrack jugendlich-schwelgerischen Pop-Esprit anstimmt.
Auch bei "Divergent" darf die Liebe nicht fehlen
Schon in „Ohne Limit“ bewies Burger sein Engagement für vergnügten Adrenalin-Drive
an seiner visuell berauschenden Schlaumeier-Wunderdroge mit dem genialen
Durchblick. Jene Virtuosität mit Sinnes-verstärkenden Mitteln findet ebenso in
diesem Film ein Ventil, sobald Tris sich den halluzinatorischen Prüfungen
stellen muss, auf psychotronisch-surreale Hilfsmittel zurückgreift (scheinbar
auch Masturbation, obwohl sie daraufhin der imaginären sexuellen Besitznahme in
die Eier tritt) und somit Klassenbeste wird – „Inception“ und „Matrix“
hinterlassen also noch immer ihre Spuren. Dass der formelhafte Plot ihn dabei
immer wieder auszubremsen gedenkt, ist leider die größte Crux und entlädt sich
schließlich in einem Finale (bei dem auch Tris' quasi identische Mutter Ashley
Judd mitmischt), dass zu viel Drama auf einmal erzeugen will, obwohl die
wirkenden Charaktere sich bei uns hauptsächlich in ihrer Zeit der Ausbildung
und Prüfungen äußerten, nicht aber unbedingt, wie es ihnen zuvor erging - zu
dem Zeitpunkt war die gleichgültige Weltenbildung nämlich eher im Fokus.
Tris kann viel, nur Macarena tanzen gehört wohl nicht dazu
Dabei könnte man gerade ohne den ganzen Zukunfts-Ballast mit seinen
abgedämpften Interieurs und seinen mickrigen Phaser-Knarren wunderbar
auskommen; eine u.U. spannendere Geschichte erzählen, die nicht mal unbedingt
die Durchsetzungskraft in militärisch-futuristischen Strukturen aufzeigen muss,
als Coming-Of-Age-Storyline ohnehin mehr innerliche, charakterliche Konflikte
beackern sollte, als jene der erneuten Lager-than-Life-Menschheitsrettung mit
Junkie-XL-Instant-Score - man wünscht sich einfach erstmal nur mehr Liebe zu
den Menschen auf der Leinwand und Burger hat hierbei sogar einige schön
einfache, doch innige Bilder gefunden, die als Star Vehicle für die Woodley
ihrem schmusebedürftig-charmanten Auftreten sowie ihrer vorsichtig-mutigen
& hoffnungsvoll-bitteren Charakterentwicklung vollends gerecht werden. So bleibt aber in der Zugabe des kämpferischen Drangs unserer Protagonistin,
trotz aller erwünschter Frauenpower, ein unentschlossener Nachgeschmack in der
Abwägung von Faszination & Kritik an militärischer Gruppenzugehörigkeit in
dieser Sci-Fi-Hierarchie. Totalitarismus entpuppt sich zwar durchaus als das
abgrundtief-Böse, das Training zum Kampfe erhält hier jedoch durchaus eine
Berechtigung, erst recht wenn man mit seinen Freunden in der Rebellion als
Gruppe, als Team, als Liebhaber zurückschlägt. Dabei sollte doch gerade die
selbstbestimmende, liberale Stärke des Individuums den Vordergrund bestimmen:
auf eigenen Füßen stehen, die eigenen Probleme selbst meistern - hier wird
daraus lediglich eine Aufstiegsanleitung für taktische Führungspersönlichkeiten
im Namen der Gerechtigkeit und der wie gehabt hetero-sexuellen Liebe.
Das entspricht zwar den Regeln des modernen Blockbuster-Eskapismus, jedoch
nicht der eigentlich-homogenen Charakterentwicklung. So ist das nun mal
scheinbar bei Buchadaptionen mit Franchise-Aussichten: viel Ablenkung darf man
sich nicht erlauben, erst recht unter Summit/Lionsgate Fuchtel - Burger hatte
dabei zwar seinen inszenatorischen Spaß mit der innewohnenden Euphorie, hat
aber rechtzeitig die Notbremse gezogen, um aus dem fahrenden Zug gen
Massentauglichkeit auszusteigen. Nun steht seine Tris ohne ihn da und starrt
einer ungewissen Zukunft des Erwachsenwerdens entgegen, welche, so wie es
aussieht, nur in brachialen & gleichsam bieder-bissfreien Standard-Spektakeln
enden kann. Die bis dahin erlebten Aufstöße der Hoffnung und der leichtlebigen
Romantik waren es aber wert, wenn es aber auch durchaus mehr hätten sein
können.
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