Fakten: Noah USA. 2014. Regie: Darren Aronofsky. Buch: Ari Handel, Darren Aronofsky. Mit:
Russell Crowe, Jennifer Connelly, Logan Lerman, Emma Watson, Ray Winstone,
Anthony Hopkins, Leo McHugh Carroll, Douglas Booth, Finn Wittrock, Dakota Goyo, Nolan Gross,
Skylar Burke, Kevin Durand, Mark Margolis, Marton Csokas, Adam Griffith, Gavin
Casalegno u.a. Länge: 138 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren.Ab 28. August 2014 auf DVD, Blu-ray und Blu-ray 3D erhältlich.
Story:
Gott wählt Noah aus, um eine Arche zu bauen. Diese soll als sicherer
Unterschlupf dienen für die Tierwelt und Noahs Familie, denn eine Flut wird
kommen.
Meinung: Was
für eine einschüchternde Type muss der Aronofsky eigentlich sein, dass er so
einen Film auf Millionenbudget aufziehen kann? Die Oberfläche suggeriert eine
schlichte, gritty Neuerzählung der
Kurzgeschichte aus dem alten Testament - seine Interpretation erfüllt diesen
Faktor einerseits, dreht andererseits aber auch soviel auf den Kopf, dass ein
überdrehter und bizarrer Wahnsinn die Folge ist. Dabei gibt sich der Film
anfangs schon als krudes Fantasy-Epos in einer Welt voller Magie, Mythen und
Wesen, die man so auf diesem Planeten niemals kennengelernt hat (wo man zudem
bei Tageslicht noch Sterne erblicken kann, ein schönes Detail) - jedoch wird
deren Erscheinung derartig in Relation mit der Entstehungsgeschichte der Erde
und der Menschheit gesetzt (um auch der Kreation der Arche eine
nachvollziehbare Grundlage zu verleihen), dass einem vor Befremdlichkeit schon
mal die Kinnlade runterhängen kann.
Liebe in der Zeit der Trockenheit
Diese formt sich aber auch des Öfteren zu einem Grinsen zusammen, so oft sich
der liebe Darren neben seinen eigenen, visuellen Träumereien (Stichwort:
malerische Silhouetten bei Sonnenuntergang) an massentauglichen Gesten und
großen Gefühlen der gängigen Blockbuster-Manierismen versucht - erst recht,
wenn er dabei mit verschmitzten, platt-bunten Kitsch religiöse Gefälligkeiten
und Zufälle (ebenso Widersprüche dazu) einstreut, die im Gegensatz zum
eigentlichen, abgefuckten Kern des Films nur die zuckersüße Glasur für eine
schonungslose Reise in die Tiefen von Selbstzerstörung und Fanatismus bilden -
denn so wie Noah (Russell Crowe) allgegenwärtig knallige Visionen und
animalische Mirakel aus Gottes Hand erblickt, verwundert es kaum, wie
verblendet er schließlich in seiner konsequenten Misanthropie aufgeht. Von
Kindesbeinen an wird ihm gelehrt, dass die Menschheit aus zweierlei Lagern
besteht - den Nachfahren des Bösen (Kain) und des Guten (Seth). In diesem
Szenario einer trostlosen Erde herrschen natürlich vermehrt die Schrecklichen,
mit kannibalistischen Ansporn und einer überheblichen Verachtung gegenüber der
Umwelt. Noah, der zusammen mit seiner Familie durchs karge Land zieht - und als
Hippie-esker Herumtreiber eher eins ist mit der Natur -, sehnt sich daher nach
universeller Gerechtigkeit, die ihm seine Träume dann auch bald offenbaren:
eine Flut wird kommen und alles Verkommene (Menschliche) hinwegspülen, Travis
Bickle-Style. Sich tagtäglich durch die Horden der Kain-Gefolgschaft
durchzukämpfen, dürfte ihn schon einigermaßen von dieser Möglichkeit überzeugt
haben, bestärkt wird er zudem von seinem Großvater Methuselah (Anthony
Hopkins), der wahrlich ein paar tolle Legenden seinerseits auf dem Buckel hat
und seit jeher den magischen Touch besitzt.
"Okay, wer hat den Hahn nicht zugedreht?!"
Folglich ist der Erhalt von Gottesbotschaften zu jener Zeit keine Seltenheit
und spornt die Stop-Motion-artigen Watchers, selbst gefallene Engel in
Felsenfassung, schließlich dazu an, beim Bau der Arche mitzuhelfen, zu welcher
alle Tiere dieser Welt per innerer Führung hinfinden. Die Jahre vergehen, Noahs
Kids (sowie das aufgelesene Waisenmädel Emma Watson) werden langsam erwachsen
und freuen sich schon dolle auf den Wiederaufbau der Menschheit anhand ihrer
gütigen Gene. Die bösen Gene, angeführt von Tubal Cain (Ray Winstone),
beanspruchen allerdings auch einen Platz für sich auf der einzigen Bastion des
irdischen Überlebens, was natürlich schnell einen ideologischen Konflikt beider
Seiten herbeifördert, denn das Böse darf laut Noah nämlich nicht überleben,
weshalb es folgerichtig den Gegenangriff anhand apokalyptischer Massengewalt
plant. Doch Noah und auch Aronofsky fangen bald an, noch radikaler zu denken:
die Menschheit an sich darf nicht überleben, da auch die Guten in der Notwehr
zum Bösen werden können, was der Arche-Boss im Verlauf des Films vor allem an
sich selbst beweist. Hauptsache, man kann das unschuldige Getier retten,
welches er in seiner außerordentlich darwinistischen Variante vom Urknall und
der göttlichen Erschaffung der Erde immer noch vom Ursprung des Menschen trennt
(quasi Evolution und Gottes Ebenbild - Seite an Seite). Denn die Menschen sind
aufgrund ihrer 'natürlichen' Neigung zum Bösen und dessen zahlenmäßiger
Übermacht prädestiniert, als selbstgerechte Feinde der Natur dazustehen und
ohnehin untereinander verfeindet zu sein, was laut Montage bis zum heutigen
Tage bestehen geblieben ist.
Noah und Cain im Starr-Wettkampf
Folglich setzt Noah dann auch alles daran, sein hölzernes Fort zu verteidigen
und auch ohne Gnade dafür zu sorgen, dass keinerlei Nachfahren die neue Welt
mehr bewandern können - Überlebende müssen auch draußen bleiben und in den
Fluten verrecken. Er glaubt anhand aller zusammenkommender Zeichen
verständlicherweise an diese seine himmlische Aufgabe, setzt dafür aber auch
seine eigene Menschlichkeit aufs Spiel, um der göttlichen Fügung seiner Ansicht
nach gerecht zu werden - was dann auch den Hass der eigenen Familie gegen ihn
aufbringt. Jener Konflikt nimmt sodann die gesamte zweite Hälfte des Films ein,
die in allen Werbematerialien wohlweislich totgeschwiegen wird. Noah, der
willige Massenmörder Gottes, befand sich ja schon immer im Subtext der
ursprünglichen Geschichte, hier wird er als erbarmungsloser Kauz zum Leben
erweckt, der theoretisch nicht zögern würde, weibliche Babys abzustechen, um
die Menschheit vollends auszurotten. Der rechtschaffene Patriarch mutiert zum
böswilligen Feind, zum ökonomischen Gotteskrieger im Kontrollwahn. Eine wilde
Vorstellung, die auch vom versöhnlichen und glückseligen Schlusspunkt nicht
vergessen gemacht wird. Denn obwohl man ein klares Zeichen dafür setzt, dass
ein Anteil der Menschheit immer für Güte und Bescheidenheit einstehen wird,
egal aus welchem Lager er nun kommt, bleibt proportional dazu immer noch der
gewisse Faktor des 'Bösen', den man wohl oder übel auch akzeptieren muss, da er
zum Wesen des Menschen einfach dazugehört. Denn das beweist der Aufenthalt auf
der Arche unmissverständlich: ob man gut oder böse handelt, entscheidet nur der
persönliche Kontext. Und wenn eine göttliche Aufgabe objektiv das Böse und den
Schrecken heraufbeschwört, sollte man auch von ihr ablassen können. Denn (die
bereits von Tubal Cain beschworene) Selbstbestimmung ist letztendlich der
Schlüssel zum humanen Leben und nach dieser harten, unfassbar blutigen Prüfung
gibt auch der Schöpfer scheinbar seinen Regenbogenfarbenen Segen.
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Im Grunde bleibt darin trotzdem ein soziopathischer Wahnsinn vorhanden.
Aronofsky weiß zwar, dass er seinem potenziellen, christlichen Publikum
zumindest einige zufriedenstellende Werte abliefern muss - wirklich an sie
glauben muss er aber nicht. Viel mehr scheint ihn das Spektakel des Untergangs
zu begeistern, welcher optisch meist eine Fingerübung für den kurzweiligen
Mainstream abgibt, sich allerdings auch audiovisuell einem Panoptikum an
brachialer Gewalt und märchenhafter Mystik offenbart, das sich hauptsächlich
zum packenden, ausgeflippten Schlachtengemälde ausfüllt. Wenn sodann unsere
Vorstellungen vom Ursprung allen Lebens provokant abstrahiert werden,
Fantasiekreaturen die blutende Erde bewandern und der fanatische Selbsterhaltungstrieb
durchgängig die Menschlichkeit aufeinanderhetzt, erhält man schließlich den
Eindruck einer kontinuierlich gottlosen Welt, die in ironischer Wechselwirkung
von einem verbittert-verblendeten Menschenfeind auf Gottesmission am Leben
erhalten wird. Und dennoch kann man Aronofsky selbst nicht als Menschenfeind
betrachten, sondern als jemand, der von der Existenz der berüchtigten,
moralischen Grauzone weiß und trotz aller sinnlich-naturverbundener
Bilderfluten die grausame Krassheit dieser biblischen Prüfung zur Einsicht
bringt. Seine Version von Gott erschafft nicht nur die Menschen, er verführt
sie auch, die Option eines Schicksals des Schreckens zu ergreifen - lässt sie
sich gegenseitig zerfleischen, nur damit er sie nach Generationen des Zuschauens
fluten und ersaufen kann, wie es ihm gefällt. Das ist ein Gott, der seine
gefallenen Engel in schmelzendes Gestein hüllt, um sie zu klobigen,
angreifbaren Gestalten werden zu lassen und diese erst als Opfer ihrer
zugeschriebenen Aufgabe in den Himmel zurückzuholen.
Und mit dieser Konsequenz verführt und verzehrt er auch Noahs Wesen, macht ihn
zum engagierten Mitstreiter eines sadistischen Spiels, das selbst in der
Aussicht nach Hoffnung letztendlich keine Verbesserung hervorbringt. Die
Menschen bleiben nun mal gleich unstimmig, aber sie sind dabei auch, wie
gehabt, Gottes Ebenbild. Der Schöpfer gibt sich gnädig, doch er macht sich
einen Spaß aus uns (wahrscheinlich, da die Tierwelt keine
derartig-zerstörerischen Kräfte aufbringen kann). Da ist es nur recht, dass
sich Aronofsky als adaptierender, menschlicher Schöpfer/Sadist einen
höllischen, aufregenden und bewusst-kontroversen Spaß aus dieser Geschichte
nach Gottes Wort macht.
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