Review: DIE KLASSE VON 1984 - Rape, Revenge und Nachsitzen



Fakten:
Die Klasse von 1984 (Class of 1984)
Kanada. 1982. Regie: Mark L. Lester. Buch: Tom Holland, John C. W. Saxton, Mark L. Lester. Mit: Perry King, Timothy Van Paten, Roddy McDowall, Michael J. Fox, Merrie Lynn Ross, Lisa Langlois, Al Waxman, Keith Knight, Erin Noble, Stefan Arngrim u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: keine Freigabe. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Lehrer Andrew beginnt seinen neuen Job, an einer Großstadt-Highschool und muss schnell einsehen, dass hier der Schulalltag von Gewalt, Angst, Drogen und Drohungen bestimmt wird. Vor allem der Schüler Peter Stegman und seine Gang sorgen dafür, dass die Schule einem Kriegsgebiet gleicht. Doch Andrew will das nicht hinnehmen, versucht es mit Pädagogik und netten Worten. Der Erfolg ist bescheiden. Dafür gerät Andrew ins Visier von Stegman und seiner Gang.






Meinung stu:
Regisseur Mark L. Lester haut ordentlich auf die Pauke – und auf die Pauker. Sein „Die Klasse
von 1984“ ist grobes Genrekino, B-Movie-Ware dessen Rezeptur wohl so alt ist, wie die deutschen Pauker-Klamotten mit Heintje und Konsorten aus den 1960er Jahren. Im Fokus der Geschichte steht ein junger, engagierter Lehrer, der nach und nach erkennen muss, dass es nicht für alle asozialen Schutzbefohlenen ein pädagogisches Mittel gibt. Am Ende hilft eben nur Gewalt. Lester gelingt es aber, dass der Zuschauer die finale Abrechnung, die auch heute noch den Unmut der deutschen Zensur heraufbeschwört, als Genugtuung empfindet. Denn der Anführer dieser adoleszenten Nazi Punks, Stegman, ist in Sachen Boshaftigkeit schwer zu überbieten und erinnert in seinen „besten“ Momenten an David Hess alias Krug aus Wes Cravens „The Last House on the Left“. Die Intensität dieses Schockers erreicht „Die Klasse von 1984“ dabei aber nicht. Dafür ist er dann doch viel zu berechenbar und in seiner Umsetzung der Gewalt zu comichaft. Harter Tobak ist dennoch gewährleistet. Bis es dazu kommt quält sich Lester aber auch mit einigen Längen herum. Ist aber alles verschmerzbar. In Zeiten, in denen viele Filmemacher zwanghaft versuchen die Tonalität solcher Reißer künstlich zu recyceln, wirkt Mark L. Lester Nasty-Version von „Dangerous Minds“ erfrischend ehrlich und fast schon originell.


5 von 10 gefährlichen Werkzeugen in der Schule


Meinung souli:

Take a look at my face, I am the future“, krächzt Alice Cooper uns von der Tonspur zu Beginn von „Die Klasse von 1984“ entgegen. Ein markanter Satz, der nicht nur von Bandenchef Peter Stegman repetitiv ausgespuckt wird; es ist auch ein Zitat, das auf der auditiven Meta-Ebene den prophetischen Charakter von Mark L. Lesters Semi-Klassikers beschreiben soll: Kinder sind unsere Zukunft, doch wie soll diese Zukunft aufsehen, wenn sich diese Menschen bereits in ihrer Jugend vollkommen verschwendet haben? Den Schimmer von dystopischer Sozialkritik, die uns heutzutage übrigens schon so gut wie eingeholt hat, möchte man dem Drehbuch nicht vorenthalten. Allerdings ist „Die Klasse von 1984“ nicht als solche konzipiert, sondern verfällt in der dramaturgischen Stereotype vollkommen bewusst den Mechanismen des plakativen Exploitationskinos. Wenn die Wut des Paukers Perry Norris erst so richtig kocht, kennt „Die Klasse von 1984“ kein Erbarmen mehr und während die Figuren vom Reißbrett auch mal mit der Kreissäge malträtiert werden, vermischt sich Lesters tendenzielle Geneigtheit zum Trash mit einer bunten Zitierwut differenter Genres. Wer eine Reflexion über die Gewalt und Kriminalität in Schulen erwartet, der läuft selber ins offene Messer. Wer sich mal wieder an einem rohen 80s-B-Picture ergötzen will, der wird hier fündig.


5,5 von 10 überraschenden Klavierstunden 


Meinung JackoXL:
- "Wofür ist denn die Pistole?"
- "Wo haben sie denn zuletzt unterrichtet?"
- "Zuletzt, nirgendwo."
- "Ja, das merkt man."

Montessoripädagogik am Arsch, an der Lincoln-High ist man lieber für den Ernstfall geladen und entsichert, da wird Koks auf dem Klo getickt und die Wände noch von Hand bemalt. Schule als Moloch und Kriegsgebiet, Erziehung ist von gestern, die Eskalation vermeiden, Kopf einziehen und heile die eigenen vier Wänder erreichen, darauf kommt es an.Mark L. Lester wirft bei seinem zum Kultfilm avancierten Streifen viel in einen Topf. Pessimistische In-die-Fresse-Überzeichnung des amerikanischen Schulalbtraums, reaktionären 80er Trash und Exploitation-Rache-Reißer. Kritik am Bildungs-, Erziehungs- und Justizsystems der 80er wird als Kapitulation vor der Gewalt Halbstarker dargestellt, mit grobschnittiger Figurenzeichnung von den guten, hilflosen Musterschülern, den bösen Fascho-Punk-Pusher-Abschaum ohne jegliche Moral und Grenzen, den resignierten Pädagogen, Gesetzeshütern und dem letzten wackeren Lehrer, dem am Ende auch nur noch Vergeltung bleibt. Das klingt nach Satire und ist es im Kern auch, wobei man "Die Klasse von 1984" in erster Linie als wilden Auswurf der wilden 80er sehen sollte. Klischees werden bis ans Limit ausgereizt, es gibt nur ganz doll so oder ganz doll so, dazwischen ist kein Platz. Unter dem Deckmäntelchen des Fingerzeigs auf Missstände wird reines Auge-um-Auge-Revenge-Kino aufgetischt, in dem Gewalt nur mit Gewalt besiegt werden kann, Aktion und Reaktion, Gut gegen Böse. Dabei nie gefahrlaufend, trotz seines Trashlevels jemals als lustig durchzugehen, dafür viel zu wütend und aufgeladen. Letztendlich aber auch niemals ernst zu nehmen, dafür zu comichaft und absurd übertreibend. Zum Abschluss reißt Lester das Ruder noch mal ganz kurz herum, um in der letzten Szene einen galligen Seitenhieb auszuteilen. Dadurch wird sein Film nicht hintergründiger oder gar cleverer, aber lässt seinen grob angeschnittenen Kern als Satire nochmal aufblitzen. Ein Kind seiner Zeit, sicher mal so was wie aufrüttelnd, heute halt ein Stück 80er Kult mit deftigem Zynismus, gnadenloser Schwarz-Weiß-Malerei und diesem gewissen ruppigen Charme.


6,5 von 10 pädagogischen Handfeuerwaffen.

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