Review: RIGOR MORTIS - LEICHENSTARRE - Ein Unheil kommt selten allein


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Fakten:
Rigor Mortis – Leichenstarre (Geung si)
HK, 2013. Regie: Juno Mak. Buch: Lai-yin Leung, Philip Yung. Mit: Anthony Chan, Siu-Ho Chin, Kara Hui, Hoi-Pang Lo, Richard Ng, Hee Ching Paw u.a. Länge: 101 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Ab 15. April auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Einst war Sio-Ho ein bekannter Schauspieler, nun hat er seinen Lebenswillen verloren. Er mietet eine Apartment in einem heruntergekommenen Wohnblock an, um sich dort zu erhängen. In letzter Sekunde rettet ihn sein Nachbar Yau, doch Sio-Ho hat eine Grenze überschritten. Die bösen Geister, die seit einem grausamen Verbrechen in dem Haus ihr Unwesen treiben, werden durch sein kurzes Überschreiten der Grenze von Leben und Tod wieder aktiv. Das allein wäre schon ein Problem. Dann stirbt auch noch der alte Onkel Tung und seine verzweifelte Witwe greift zu schwarzer Magie, um ihn wieder zum Leben zu erwecken. Er kehrt als blutdurstiger Vampir zurück, was die Geister erst richtig auf Touren bringt. Yau, früher ein Vampir-Jäger, und sein lebensmüder Nachbar stellen sich dem Kampf gegen die Höllenwesen.






Meinung:
In den 80ern zählte neben Martial Arts der Vampir-Film zu einem beliebten Genre des Hong–Kong-Kinos, mit einer besonderen Darstellung des Mythos (Hüpf-Vampire). Bei seinem Regie-Debüt liefert der in seiner Heimat bisher nur als Musiker bekannte Juno Mak eine Hommage wie Wiederbelebung dieses ausgestorbenen Genres ab und interpretiert es gleichzeitig auf seine ganz eigene Art.


"Keine Angst, es spukt nur ganz selten".
Würde man versuchen, „Rigor Mortis“ in einem Satz zu beschreiben: Asia-Geister-Film mit Hong-Kong-Vampir trifft „Hellraiser“ in Dario Argentos „Inferno“ mit einer Prise Martial Arts. Ganz grob, treffend und doch irgendwie nicht. Denn das würde diesem erstaunlich souveränen Erstlingswerk kaum gerecht werden. Man mag kaum glauben, dass es sich hier wirklich um den ersten Gehversuch von Mak als Regisseur handelt. Gehversuch ist gut. Was der Kerl hier an inszenatorischem, künstlerischem Talent offenbart, haben einige bekannte Kollegen nach Jahrzehnten im Geschäft nie erlernt. Kann man wohl auch kaum erlernen, das beherrscht man oder eben nicht. Was Mak betrifft, dürfte es nach Betrachtung dieses Werks wohl kaum zwei Meinungen geben. Die Ästhetik ist so grandios wie sein Film eigenwillig und gewagt. Bereits die Eröffnungssequenz lässt einen gespannt darauf warten, was wohl in den folgenden 100 Minuten für ein bizarrer Ritt bevorsteht. Wer sich auf so was freuen kann, wird in der Hinsicht bestimmt nicht enttäuscht.


Tot, aber hübsch dekoriert.
Schon das Wohnhaus, einziger Schauplatz des wilden Treibens, wirkt wie ein Hauptdarsteller. Ein trister, erschreckend kühler Klotz aus Beton und Stahl, eine Welt für sich, die Pforte zur Hölle. Wer hier lebt, den dürfte so schnell nichts erschüttern und erst recht nicht wundern, dass Geister und der Tod hier auch ein Zuhause haben. Zunächst erscheint alles auch noch wie ein klassischer Geisterfilm. Der Einfluss des hier als Produzent aktiven Takashi Shimizu (Regisseur von „The Grudge“) ist klar ersichtlich, auch wenn der Film eine so individuelle Handschrift trägt, dass man ihn wohl nur als beratenden Kopf im Hintergrund betrachten sollte. Denn das ist erst der Anfang. „Rigor Mortis“ steigert sich (leider zwischenzeitlich etwas zu schleppend) bis zu seinem explosiven Finale in seinen ganz eigenen Rausch hinein und vermag den Zuschauer dorthin mitzunehmen. Was da auf einen einprasselt, ist kaum in Worte zu fassen.


Grund für eine Mietminderung?
Der Weg zum Inferno ist morbide, faszinierend, von einer betörend-poetischen Bildsprache getragen, hat ein sagenhaftes Produktionsdesign, ist leider gleichzeitig etwas (bis sehr) holprig erzählt, zieht sich besonders im Mittelteil gewaltig und kommt insgesamt zu spät auf den Punkt. Den bis der eigentliche Star, der Vampir mit der enormen Sprungkraft, sich auf die Jagd begibt zieht viel Zeit ins Land. Die Mischung der Genres ist so reizvoll wie konfus, böse gemeint könnte man „Rigor Mortis“ auch als wunderschönes, heilloses Durcheinander bezeichnen, welches aufgrund seiner formidablen Inszenierung allerdings nicht an Faszination verliert. Um jetzt über alle narrativen Defizite hinwegzusehen reicht das sicher nicht und dürfte den Film eindeutig nur für ein gewisses Publikum überhaupt konsumierbar machen. Wer auf einen ganz geradlinigen, konventionellen Horrorfilm hofft, wird übel vor den Kopf gestoßen und eins verlangt der Streifen definitiv: Sich auf ihn einlassen, zulassen, sich in ihm verlieren. Sonst geht da wenig.


Wer das kann und will, wird mit einem Finale belohnt, das einem durch seine wuchtige Präsentation die Spucke wegbleiben lässt. Das wirkt schon chaotisch und sorgt sicher für einige WTF-Momente, wirft alles in einen Topf und rührt kräftig um, ist dadurch aber ein in letzter Zeit selten erlebtes Spektakel. Die anfangs erwähnte Zusammenfassung des Films in einem Satz trifft hier den Nagel auf den Kopf. Ein merkwürdiges, deftiges und außergewöhnlich schräges Höllen-Feuer. Egal wie man zu solchen Filmen grundsätzlich steht, das sollte man mal gesehen haben. Eigentlich trifft das auf „Rigor Mortis“ allgemein zu. Um ihn klar zu empfehlen ist er zu speziell und macht sicher auch nicht alles richtig, hätte klar besser und effektiver erzählt werden können und ist einfach ein Ding für sich. Abgefahren.


6,5 von 10 Genre-Wundertüten.

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