Der rote Teppich wird wieder eingerollt, die meterhohen
Oscar-Statuen eingepackt und in irgendwelche Hangars verfrachtet und die
Verleihe drucken fleißig DVD-Cover mit dem Aufdruck „Ausgezeichnet mit …Oscars“. Die 85. Verleihung der Academy Awards
ist vorbei. Ein kurzes Fazit: Ja, war gut. Aber nicht alles, dafür war anderes
wiederum wirklich toll.
Zu den Faktoren des großen Oscar-Abends die wirklich geglückt
waren zählt zweifelsohne Seth MacFarlane (siehe Foto). Der „Family Guy“- und „Ted“-Schöpfer
moderierte mit teils scharfem Witz, hatte Rhythmus und wirkte lebendiger als
seine Vorgänger. Ganz klassisch hatte er als Host zu Beginn seine große Stunde.
Egal ob der mit Cpt. Kirk in die Zukunft schaute, ein Paar Socken Szenen aus „Flight“
nachspielten oder er der anwesenden Darstellerinnen-Riege via Musicalnummer
bekannt gab:„we saw your boobs.“ Das war alles etwas frecher, wenn auch für
MacFarlanes Verhältnisse immer noch recht soft. Es passte aber wunderbar. Nur
leider mussten ja irgendwann auch diese goldenen Figuren mit dem Schwert vorm
Intimbereich vergeben werden. Dazwischen blieb kaum noch Zeit für Gags oder
ganz einfache Verschnaufpausen abseits des Preisregens und der Reklame, die
sich traditionell zwar kurz hielt, aber dennoch ein echter Störenfried war.
Die 85. Oscarverleihung war keine schlechte Show, aber die
Academy hält zu fest an alten Mustern und Gebräuchen. Es war zwar überaus gut,
dass es keine zehn Filme die Chancen auf den Oscar für de besten Film hatten,
aber jeden Film während der Show separat von einem Star noch einmal
vorzustellen, meist auch noch auf sehr steife Art und Weise, bringt nicht
wirklich etwas. Da wäre es doch ratsamer den Oscar fürs Lebenswerk wieder in
die Zeremonie zu integrieren. Es fühlt sich einfach beschämend an, wenn
verdiente Hollywood-Größen (dieses Jahr Hal Needham) mit kurzen Filmen von der separaten
Verleihung abgespeist werden.
Die größte Überraschung des Abends war nicht der Auftritt
der wunderbaren Shirley Bassey oder die verzichtbaren Schalte ins Weiße Haus zu
der First Lady Michelle Obama, sondern die Musik. Ja, es wurde viel getanzt und
gesungen, aber egal wie schmachtend und kraftvoll Hugh Jackman Töne ausstieß und
Cathrine Zeta-Jones lasziv trällerte, der musikalische Eckpfeiler der
Verleihung war das „Jaws“-Theme von John Williams, welches immer dann
eingespielt wurde, wenn ein Sieger seine Redezeit (45 Sekunden) überschritt.
Diese Musikauswahl besaß augenzwinkernde Selbstironie. Selten zuvor wurde während
der Oscar so amüsant klar gemacht, dass hier vielleicht Träume in Erfüllung
gehen, aber es gleichzeitig es auch um ein Big Business geht. Wer zu lange
redet stört den Fluss des Geldes. Wunderbar. Hätte ich der recht
selbstverliebten Academy nicht zugetraut. Nächstes Mal dann bitte die Musik von
„Psycho“ oder „Spiel mir das Lied vom Tod“.
Selbstverständlich stehen nach der Show aber die Sieger und
Verlierer im Fokus. Das Fazit dieser Oscars: Es fehlten ganz klar die wirklichen
Überraschungen. Gewiss, es gab die eine oder andere Entscheidung die einige
bezweifeln werden, aber das ist nun wirklich jedes Jahr so. Was de Oscars aber
fehlte um sich rund anzufühlen war ein großer Sieger. „Life of Pi“ gewann zwar
vier Goldjungs, aber darunter war nur ein Big One, der für Regisseur Ang Lee
nämlich. Wenig überraschend war auch das Übergehen von Kathryn Bigelows „Zero
Dark Thirty“, der auf unserem Blog mal gute und mal weniger gute Resonanz
erhielt. Bei den Oscars bekam er lediglich einen Trostpreis für den besten
Tonschnitt und musste sich den Thron innerhalb dieser Kategorie auch noch mit „Skyfall“
teilen. Ob Bigelows Thriller-Drama wirklich nicht gut genug war, oder ob die vom
Film ausgeöste Folterdebatte (die, das muss ich hier loswerden mittlerweile
groteske Züge annimmt) der Academy den Spaß am ankreuzen auf dem
Bewertungsblatt nahm… wer weiß. Dennoch fühlt es sich nicht gut an, dass solch
ein ambitionierter Film (fast) leer ausgeht. Vor allem Jessica Chastain hätte den
Award verdient. Genau wie Emanuelle Riva für „Liebe“, der den Oscar für den
besten fremdsprachigen Film ohne Wenn und Aber verdient hat. So wurde es eben
Jennifer Lawrence für „Silver Linging“.
Bester Film wurde am Ende einer guten - wenn auch weit davon
entfernt richtig überzeugend zu sein - Show Ben Afflecks „Argo“. Ich fand es
wenig überraschend. Auch das Spielbergs „Lincoln“ nicht zum großen Abräumer
wurde, fand ich angenehm. Sonst wäre dass alte Klischees wieder bestätigt
wurden, dass Historienstoffe fast so sicher ein Academy-Erfolg sind wie Werke
in denen Schauspieler einen Behinderten spielen.
2014 kann MacFarlane gerne wieder den Host machen. Gerne
kann er dann noch etwas mehr mit der Academy und ihren hölzernen Gebräuchen
spielen. Die Oscars, das wurde gestern Nacht klar, brauchen nicht nur frisches
Blut bei der Moderation, sondern auch beim Ablaufplan. Sie scheinen aber auf
dem richtigen Weg zu sein.
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