Review: BEASTS OF THE SOUTHERN WILD – Coming-of-Age in schwerster Armut



Fakten:
Beasts of Southern Wild
USA. 2012. Regie: Benh Zeitlin. Buch: Lucy Albar, Benh Zeitlin. Mit: Quvezhane Wallis, Dwight Henry, Levy Easterly, Lowell Landes, Gina Montana, Amber Henry, Pamela Harper, Jonshel Alexander, Henry D. Coleman, Kaliana Brower u.a. Länge:93 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 7. Mai auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Bathtub, ein kleiner Fleck in Louisiana, tief in den amerikanischen Südstaaten, wird vom Jahrhundertsturm Katrina in eine lebensbedrohliche Landschaft verwandelt. Das Mädchen Hashpuppy will sich davon aber nicht verängstigen lassen und bleibt in ihrer Heimat, die nach der Katastrophe ein genauso magischer wie gefährlicher Ort ist.





Meinung:
Menschen am Rande der pulsierenden Zivilisation. Menschen die in der freien Wildbahn hausen, inmitten von Schlamm, Dreck und Ungeziefer. Menschen die kein Geld haben, kein richtiges Dach über dem Kopf und keinen Zugang zu luxuriösen Komfort genießen dürfen, der zwar genaugenommen keinen existentiellen Wert genießt, aber das Leben durchaus schöner gestalten kann. Menschen ohne Aussicht auf Wohlstand. Menschen die nichts haben, außer sich selbst. Diese Verhältnisse begrüßen uns in „Beasts of the Southern Wild“, die Reflexion der elenden Umstände des armen Lebens in Bathtub, irgendwo in den Sümpfen von Louisiana. In der Ferne steigen die enormen Rauchschwaden der Industriegebiete empor, die Metropole bebt permanent, rund um die Uhr, für die 6 jährige Hushpuppy ist das alles unbekanntes Territorium. Und durch ihre rehbraunen Kulleraugen bekommen wir die Gegebenheiten ihrer schmucklosen Domäne geschildert.


Eines ist nun eindeutig: „Beasts of the Southern Wild“ ist fortwährend manipulativ, Regisseur Benh Zeitlin – der mit solchen Bedingungen mehr als vertraut ist – legt keinen Wert auf dokumentarische Distanz, auch wenn der ein oder andere Zuschauer eine solch suggerierende Wirkung aus den agilen Handkameraaufnahmen mit Sicherheit erkennen möchte. Der emotionsgeladene Soundtrack spricht unmissverständlich dagegen, genau wie die beeinflussende Schilderung durch die kleine Hushpuppy. Klingt nach suboptimalen Einwänden in Bezug auf Zeitlins Präsentation? Ganz im Gegenteil. Vielmehr stellt sich die Frage, nachdem geklärt ist, dass Zeitlin natürlich keine nüchterne Unterrichtung über die gesellschaftlichen Außenseiter und ihre mittelloses Dasein inszenieren wollte, welche Intention der Regisseur nun in Wahrheit intendierte. Vorerst kann dem fluktuierenden Zweifler klare Entwarnung geben: „Beasts of the Southern Wild“ ist nicht der verschriene Armutsporno, der Tatsachen verklärt oder ablindern möchte.


Wenngleich „Beasts of the Southern Wild“ die Emotionen des Zuschauers erreichen will, bleibt er in seinem thematischen Innersten ein Film über den fordernden Reifeprozess eines kleinen Mädchen, das Verantwortung übernehmen muss, das Stärke beweisen muss, vielmehr als die anderen Kinder in ihrem Alter, und das Gleichgewicht ihrer Existenz finden muss, auch wenn dieses nicht mit den Wurzeln ihrer Vergangenheit in einen konformen Einklang gebracht werden kann. Ein Film über die Entwicklungen, Coming-of-Age wenn man so will, über die Überwindung von eingebrannten Ängsten und den Zusammenhalt von Aussässigen. Hier geht es durchgehend um Menschen und wer behauptet, dass man diese Menschen in Bezug auf ihre Verhältnisse nicht lachend und tanzend zeigen darf, dessen Lebenserfahrung ist so festgefahren (Im Sinne von: Arme Menschen sind immer traurig), das die eingebrannten Gedanken bloß nicht in ein anderes Licht gerückt werden dürfen oder so ignorant (Radikal ausgedrückt: Arme Menschen sind keine Menschen und haben in meiner Welt keinen Platz), das jede Auseinandersetzung unnötig ist.


Natürlich sind diese Menschen auch mal fröhlich, das wird auch in „Beats of the Southern Wild“ gezeigt – und da braucht man nicht von stupider Romantisierung sprechen – doch Zeitlin verharrt in diesem fidelen Zustand keinesfalls. Es wird deutlich, dass die Bewohner von Bathtub sich dieses Leben durchaus ausgesucht haben, aber nicht für alle Ewigkeit an diesem Ort verweilen wollen, wie sich auch an Hushpuppy und Wink abzeichnet, die nach dem schweren Monsun aufbrechen und nach Überlebenden suchen, eine Reise in eine offene Zukunft. Und auch wenn Regisseur Zeitlin seiner Narration etwas zu viele Versatzstücke aufbrummt und sich selber so einige inszenatorische Stolpersteine in den Weg legt, so entsteht letzten Endes ein stimmiges Zusammensein von elementaren Dingen: Zugehörigkeit, Lebenswillen, Isolation, Philosophie und die naive Symbiose aus Realität und Fantasie. Ein optimistischer, melancholischer und doch mit leichter Tragik bestäubter Wind weht durch den Film, dem man sich hingeben oder bereits nach wenigen Minuten verschließen kann. Sehenswert ist er jedoch allemal.

6 von 10 Surfs and Turfs




von souli

Wir danken unserem ewigen Gast-Autor souli für seine Kritik. Wenn ihr mehr von souli lesen wollt, dann besucht doch unseren Blog Buddy CinemaForever.

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