Review: BLUTGLETSCHER – Feines Genre-Kino made in Austria



Fakten:
Blutgletscher
Österreich. 2013. Regie: Marvin Kren. Buch: Benjamin Hessler, Marvin Kern. Mit: Gerhard Liebmann, Edita Malovcic, Brigitte Klein, Hille Beseler, Peter Knaack, Felix Römer, Wolfgang Pampe, Murathan Muslu, Thomas Stipsits, Michael Fuith, Adina Vetter, Coco Huemer u.a. Länge: 97 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 20. März 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Techniker Janek arbeitet in den Alpen gemeinsam mit einem Team von Klimaforschern zusammen. Der eher eintönige Arbeitsalltag wird plötzlich wieder interessant als sie entdecken, dass ein Gletscher in der Nähe eine seltsame, rote Flüssigkeit absondert. Dies erweist sich jedoch als Entdeckung, die fürchterliche Konsequenzen mit sich zieht.





Meinung:
Es ließe sich als von Inkompetenz signierte Lüge festmachen, würde man der sturen Behauptung folgen, der deutsche Genre-Film wäre in der heutigen Zeit rein gar nicht mehr existent. Er ist da, das war er immer. Eine unwiderlegbare Tatsache jedoch ist es, dass dieser Genre-Film nicht nur fallweise zu wünschen übrig lässt, er nimmt zuweilen sogar ein derart debakulöses Ausmaß an, dass die gutmütigen Rezipienten nicht selten in die akute Schockstarre verfallen lässt. Thorsten Kleins Radiowellen-Horror „Lost Place“ und Rainer Matsutanis „Zimmer 205 – Traust du dich rein“ sind wohl vorzügliche Exemplare aus jüngster Vergangenheit, die das grobe Scheitern guter Vorsätze konsequent illustrieren. Gleichwohl lassen sich hin und wieder auch einige Lichtblicke finden, die rein aus zukunftsorientierter Perspektive Vielversprechendes vermuten lassen, wie beispielsweise der vom ZDF produzierte und in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ erschienene „Rammbock“ von Marvin Kren, der das soziales Armageddon innerhalb der Hauptstadt als Zombie-Horror elaborierte.

 
Nicht drängeln, jeder darf mal ran
Nun, im Jahre 2014, melden sich Marvin Kren und Benjamin Hessler, der auch schon das Drehbuch zu „Rammbock“ zu Papier brachte, mit neuem Genre-Zündstoff zurück: „Blutgletscher“, so der einprägsame Titel, dessen assoziative Vielfalt im ersten Moment wohl jeden anatomischen wie landschaftlichen Rahmen sprengen möchte. „Blutgletscher“ verarbeitet nicht nur den Body-Horror, wie er in den 1970er und 1980er Jahren florierte, Kren und Hessler fusionieren ihren Creature-Horror mit den Motiven des Bergsteigerfilms, der bereits in den 1920er Jahren seinen Ursprung fand, in seinem imposanten Wesen aber immer wieder über alle Dekaden hinweg behandelt wurde. Hauptinspirationsquelle für das Skript von „Blutgletscher“ aber war eindeutig John Carpenters Paranoia-Klassiker „Das Ding aus einer anderen Welt“ von 1982, was Krens aktuellstes Werk also gleichwohl als Referenzfilm mit jeder Menge sympathischer Affinität fungieren lässt. Bevor es jedoch zu Unstimmigkeiten kommen sollte und sich hierfür die Bundesrepublik gefällig die Lobesbeeren auf der Zunge zergehen lässt, sollte klargestellt werden, dass „Blutgletscher“ eine rein österreichische Produktion mit deutscher Beteiligung ist.

 
Bello kann das Böse bereits riechen
Die Prämisse ist interessant, wenn auch aus wissenschaftlicher Sicht ziemlicher Nonsense: Eine Forschungsstation in den Alpen entdeckt einen Gletscher, der durch seine eigenartige, auf eine organische Substanz zurückzuführende Rotfärbung auffällt. Und die im Gletscher eingefrorenen Organismen deuten sich als winzige Genlabore und Brutkästen, die durch die Berührung anderer Lebensformen die vorhandene DNS, mit der im Magen des Wirtes befindenden DNS kombinieren und eine neue, genmanipulierte Form erschaffen, völlig willkürlich und ganz nach dem evolutionären Prinzip ausgerichtet. Klingt nach Fachsimpelei? Nein, „Blutgletscher“ will keinen naturkundlerischen Tiefgang erzeugen, er führt die auftretenden Mischwesen auf eine mystische, biologische Realität zurück, wie wir sie vom Wolfsmenschen oder Anubis, dem Gott der Toten, kennen. Darüber hinaus kommt „Blutgletscher“ natürlich bei dieser Ausgangslage nicht ohne eine ökologische Kritik aus, die auf die wohl bevor bestehende Klimakatastrophe abzielt und die Folgen die düstersten Prognosen im Gewand einer biblischen Prophezeiung übertreffen lassen wird – Die Apokalypse steht bevor.


Seine atmosphärische Wucht zieht „Blutgletscher“ schon allein aus der erdrückenden Kulisse des Alpenpanoramas; dem kantigen Geröll, den mächtigen Eisflächen, den Flüssen, dem pfeifenden Windzügen und den gar irrational erscheinenden Weiten. Das perfekte Ambiente für einen Horror-Film, allein in Bezug der kontextualisierten Paranoia- und Isolationsbeziehung: Fulminant wird hier durch das inszenatorische Feingefühl die Enge und die Unendlichkeit der Räume ausgelotet.  Kein Schrei kommt hier ohne Echo aus, doch dieser Widerhall strandet im Nirgendwo. „Blutgletscher“ weiß dazu die Tradition des Body-Horrors in Ehre zu halten und hält einige Ekelszenen parat, die sich vor dem frühen Cronenberg nicht unbedingt verstecken müssen. Dass die aggressiven Mischwesen, die immer aus dem Halbdunkeln hervortreten (das Budget betrug 2 Millionen Dollar) auch noch auf Old-School-mäßige SFX zurückzuführen sind, trägt natürlich seinen Teil zum Fandom des Regisseurs bezüglich des Genres bei. „Blutgletscher“ macht Lust auf mehr und zeigt, dass die Hoffnungen im deutschsprachigen Raum auf wirklich gelungenes Genre-Kino noch lange nicht verloren sind.


6 von 10 schmierigen Notoperationen


von souli

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