Review: MIDNIGHT MEAT TRAIN – U-Bahnschacht der prähumanen Gräuel



Fakten:
The Midnight Meat Train
USA. 2008.
Regie: Ryhuhei Kitamura. Buch: Clive Barker (Vorlage), Jeff Buhler. Mit: Bradley Cooper, Leslie Bibb, Vinnie Jones, Brooke Shields, Roger Bart, Ted Raimi, Peter Jacobson, Barbara Eve Harris, Quinton Jackson, Tony Curran, Stephanie Mace u.a. Länge: ca. 100 Minuten: FSK: keine Freigabe. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Fotograf Leon ist einem Geheimnis auf der Spur, einem blutigen Geheimnis. Immer wieder verschwinden Menschen nachts in der New Yorker U-Bahn. Er findet heraus, dass sie Opfer eines stummen Hünen werden, der seine Opfer brutal ermordet. Aber warum tut er das? Leon will die Wahrheit wissen und gerät somit immer mehr in tödliche Gefahr.





Meinung:
Die Prosa des in Liverpool geborenen Clive Barkers zählt im literarischen Horror-Sektor zu den Speerspitzen dieser Kunst und lässt in Beliebtheitsumfragen nicht nur „The Girl Next Door“-Autor Jack Ketchum hinter sich, auch Egozentriker Stephen King muss sich so manches Mal im Nachsehen gegenüber Barker üben. Seine „Buch des Blutes“-Hexalogie wie auch „The Hellbound Heart“ (die Vorlage zum Klassiker „Hellraiser“) sind in genreaffinen Kreisen bejubelte Zierstücke des Phantastischen und in ihrer Symbolik so geschliffen installiert, dass jeder Freizeit-Semantiker mit den Ohren schlackern möchte. Barkers Chiffren illuminieren bei Entschlüsselung die Faszination des Abtrünnigen, des ganz und gar Übersinnlichen, fern jeder diskursiven Faktizität, und atmen in mehrdeutiger Anordnung die Essenz des Horrors in vollen Zügen. Natürlich ist Clive Barker auch der Filmwelt ein Begriff. Nicht nur durch „Hellraiser" – den er auch selbst inszenierte -, sondern auch durch Werke wie „Candyman's Fluch, für den Barker seine Kurzgeschichte adaptiert, und zuletzt „Midnight Meat Train“, Teil des ersten „Buch des Blutes“, bei dem Barker zwar nur als Produzent fungierte, der aber durch strategische Werbesprüche à la „Zu hart für das Kino“ schnell einen kleinen Hype im Internet lostrat.


Leon hat den geheimnisvollen Mahagony im Fokus
Jedes „Buch des Blutes“ versteht sich als Kurzgeschichtensammlung, die sich in ihrer Kurzepik und Barkers rhetorischem Verständnis natürlich exzellent über wenige Seiten entfalten können. Wechselt man das Medium in Richtung Film, sieht das mit der Wirkung, der akkuraten Assimilation beider Segmente schon etwas anders aus. „Midnight Meat Train“ hätte als Kurzfilm unter findiger Ägide funktioniert, als abendfüllender Spielfilm jedoch geht dem unnötig aufgeblähtem Szenario so schnell die Puste aus, wie Mahogany (Vinnie Jones) die Innenleben der Wagons mit dem Lebenssaft der unglücklich selektierten Passagiere befleckt. Aber alles auf Anfang. Die Prämisse, einen Fotografen, auf der Suche nach dem perfekten Motiv, hinter den merkwürdigen Geschehnissen in der Mitternachts-U-Bahn forschen zu lassen, hat schon etwas für sich. Das labyrinthische Tunnelnetz unter dem pulsierenden Stadtleben New Yorks, die Fotografie als Fragestellung einer objektiven Wahrheit, der Fotograf, der sich in der Unterwelt nicht nur seinen Obsessionen geschlagen geben muss, sondern auch einem prähumanen Phänomen auf die Schliche kommt, das klingt ansprechend und nach zünftigem Stoff für den Genre-Schlund.


Mahagony alias MC Hammer - "Can't touch this"
In seiner Umsetzung aber scheitert der japanische Regisseur Ryūhei Kitamura („Godzilla: Final Wars“) rigoros. Das Talent, eine bedrängende Atmosphäre zu erzeugen, ist in Kitamuras Diktion schlichtweg nicht existent. „Midnight Meat Train“ hingegen erstickt an seiner aseptischen Optik, jede Einstellung ist frei von groben Zwischentönen auf der Bildebene, alles ist auf Hochglanz getrimmt, was vor allem in Kombination mit den erschreckend offensichtlichen CGI-Effekten (besonders in der ersten viertel Stunde des Films) besonders zur Negation jedweder Stimmung führt. Die Gorehounds werden vielleicht noch ein Stück weit Spaß an dem geleckten Treiben finden, denn wenn der mimiklose Hüne Mahogany erst seinen Hammer und dann seine Fleischerhaken auspackt, dann spritzt das Blut im hohen Bogen um den emotionslosen Vollstrecker. Wenn man als Zuschauer dann aber wieder daran erinnert wird, dass die rote Suppe nur – oder größtenteils - computergeneriert daherkommt, verdirbt diese ersichtliche Tatsache gewiss jedes Feeling. „Midnight Meat Train“ plätschert vor sich hin, das Geheimnis um den Zug und seinen Schlächter werden von Minute zu Minute unbedeutender und Bradley Cooper („American Hustle“), hier noch zu der Zeit, in der er versessen auf seinen Imagewechsel hinarbeitete, als Fotograf Luke, hat dem Ganzen schauspielerisch auch so rein gar nichts entgegenzusetzen.


Über die Auflösung sollte dann noch einmal besser der Mantel des Schweigens gelegt werden, und wenn manche Stimmen behaupten möchten, dass der Film in seiner Gesamtheit dadurch erst richtig rund wird, dann höchstens in seiner unermesslichen Inkompetenz. Immerhin kann er so wenigstens um die Ecke rollen und sich dort schämen. Midnight Meat Train“ ist ein dämlicher, ein steriler und durchweg wirkungsloser Streifen, der sich nach gut dreißig Minuten schon nicht mehr wirklich unter Kontrolle hat, was der katastrophale Schnitt nachhaltig unterstreicht. Die Deklaration „Zu hart für das Kino“ mag sich bewahrheitet haben, hier geht es so manches Mal durchaus ans Eingemachte, Blut, Gekröse, abgetrennte Gliedmaßen, alles dabei, aber dem qualitativen Anspruch, den Sprung ins Kino überhaupt zu wagen, hat sich Kitamuras filmisches Gerümpel berechtigterweise gespart. „Midnight Meat Train“ gehört ins Videothekenregal, nicht auf Augenhöhe und ganz weit hinten gelagert, irgendwo in der Nähe von „The Collection“ und „Eden Lake“.


3 von 10 herausquellenden CGI-Augen


von souli

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