Fakten:
Sling Blade – Auf Messeres Schneide (Sling Blade)
USA, 1996. Regie & Buch: Billy
Bob Thornton. Mit: Billy Bob Thornton, Dwight Yoakam, Natalie Canerday, John
Ritter, Lucas Black, Rick Dial, Brent Briscoe, J.T. Walsh, Robert Duvall, Christy
Ward, Jim Jarmusch u.a. Länge: 129 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf
DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Vor fast 20 Jahren tötete der
geistig zurück gebliebene Karl seine Mutter und ihren Liebhaber. Nun wird er
als geheilt und ungefährlich eingestuft aus dem Sanatorium entlassen. Zurück in
seiner kleinen Heimatstadt findet der lebensfremde Sonderling nicht nur schnell
einen Job in einer Werkstatt, sondern in dem 12jährigen Frank einen Freund. Er
darf sogar in der Garage seiner Mutter Linda wohnen. Alles perfekt, wenn da
nicht ihr Lebensgefährte Doyle wäre, ein cholerischer Säufer. Karl hat sich
geschworen, nie wieder Gewalt zu verüben, doch als er miterlebt, wie Doyle
Linda und Frank behandelt, sieht er sich gezwungen zu handeln.
Meinung:
Mit seinem Regiedebüt gelang Billy
Bob Thornton ein kleiner Überraschungserfolg, der sich zwar nicht unbedingt
finanziell oder in einem hohen Bekanntheitsgrat seines Werks ausdrückte, dafür
mit zwei Oscar-Nominierungen. Den Goldjungen für das Skript, basierend auf
Thorntons eigenen Bühnenstück, konnte er sogar einheimsen, als nominierter
Hauptdarsteller ging er leer aus. Ein unverdienter Sieger wäre er nicht
gewesen, denn Thornton liefert hier eine der eindrucksvollsten Leistungen
seiner Karriere ab und das zu einem Zeitpunkt, als sein Name noch nicht
sonderlich bekannt war.
Die Welt hinter der Scheibe will entdeckt werden. |
Nuanciert, eindringlich und bis auf
das kleinste Detail der Körpersprache perfekt glänzt er in der Rolle eines
Manns, der nicht nur durch seine geistige Beeinträchtigung, sondern viel mehr
durch seine traumatische Lebensgeschichte seinen Platz in der Welt abseits von
Anstaltsmauern nie finden konnte. Wie ein Alien auf einem fremden Planeten muss
er sich nun erstmals in der Gesellschaft zurecht finden. Thornton spielt das
schön zurückgenommen, übertreibt es nicht mit Behinderten-Klischees oder
zerstört seine wunderbare Leistung durch affektiertes Overacting. Diese
geschickte Gratwanderung gelingt ihm (oftmals) auch bei seinem Skript. Mühelos
könnte da unzähligen Stellen in einen sehr kitschigen und unglaubwürdigen
Bereich kippen. Wenn die Tendenz mal ganz kurz dorthin geht, fängt Thornton es
rechtzeitig auf und kann durch viel Empathie, teils wunderbare Dialoge und viel
Herz wie Verstand für seine Figuren wie die Geschichte alles in die richtigen
Bahnen lenken. Eine ausgewogene Melange aus Melancholie, leisen Humor,
dramatischen Tiefgang und immer Lichtblicken in einer menschlichen Tragödie,
die nicht im Elend ertrinkt, obwohl dem Zuschauer jederzeit klar sein sollte,
auf welches logische Ende alles zusteuert. Das Skript lebt und gefällt durch
dieses sensible Timing, hat leider nur dezente Schwächen in der leicht
stereotypischen Figurenskizzierung (der Nebenrollen) sowie der etwas üppigen
Laufzeit, die der Film nicht unbedingt gebraucht hätte. So gibt es leichte
Längen, die zu erkennen sind, dabei aber nicht besonders stören. Dafür ist der
Rest schlicht zu gut gemacht, die Stimmung nimmt einen durchgehend mit und die
starken Momente gleichen dies problemlos aus.
Wer würde ihn nicht mit nach Hause nehmen? |
Neben Thornton, der darstellerisch
hier alles überscheint, sind einige bekannte Gesichter zu sehen, meist jedoch
in sehr kleinen Rollen. Einzig Dwight Yoakam als klassisches
Säufer-Ersatz-Daddy-Arschloch und John Ritter als schwuler Freund der Familie
mit gewöhnungsbedürftiger Frisur haben mehr Spielraum. Kurz vorbeischauen J.T.
Walsh als redseliger Psychiatrie-Kollege, Robert Duvall als Kurts Vater und
Indy-Regisseur Jim Jarmusch als Fritten-Wender. Das Thornton sie für so kleine
Parts (für sicher nicht die übliche Gage) gewinnen konnte spricht wohl dafür,
dass sie vom Projekt überzeugt waren. Zurecht.
Denn auch wenn die Dramaturgie sehr
vorhersehbar ist, nicht immer die lange Spielzeit voll rechtfertigt und etwas
Feinschliff hier und da nicht geschadet hätten, „Sling Blade“ ist ein schöner
Film mit ganz viel Herz und Hingabe gemacht, was er durchgehend zum Ausdruck
bringt.
7 von 10 stillen Märtyrern
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