Fakten:
Tötet Mrs. Tingle! (Teaching Mrs.
Tingle)
USA, 1999. Regie & Buch: Kevin
Williamson. Mit: Katie Holmes, Helen Mirren, Marisa Coughlan, Barry Watson,
Jeffrey Tambor, Michael McKean, Molly Ringwald, Liz Stauber, Vivica A. Fox u.a.
Länge: 98 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray
erhältlich.
Story:
Um das heißbegehrte
Collegestipendium zu ergattern, benötigt die aus ärmlichen Verhältnissen
stammende Musterschülerin Leigh Ann dringend eine gute Note von
Geschichtslehrerin Mrs. Tingle, dem meistgehassten Drachen der Schule. Als sie
mit den gestohlenen Fragen für deren Abschlusstest, die ihr Mitschüler Luke
zugesteckt hat, von Mrs. Tingle erwischt wird, droht ihr Traum zu platzen.
Gemeinsam mit Luke und ihrer besten Freundin Jo Lynn sucht sie strenge
Lehrkraft zu Hause auf, um die Sache zu klären. Die Situation eskaliert und
plötzlich ist Mrs. Tingle an ihr Bett gefesselt. Während die drei Schüler nach
einer Lösung für die prekäre Lage suchen, spielt sie die hinterlistige Lady
gegeneinander aus…
Meinung:
Gleich mit seiner ersten Arbeit
fürs Kino legte Kevin Williamson 1996 das persönliche Meisterstück ab und war
nicht unwesentlich daran beteiligt, dass der kommerziell mausetote Horrorfilm
wieder schwer in Mode kam. Sein cleveres, selbstironisches und ganz nebenbei
auch noch verdammt spannendes Skript zu Wes Craven’s „Scream“ war das Beste,
was das Sub-Genre seit einer gefühlten Ewigkeit gesehen hatte, wenn nicht sogar
noch nie. Ein sensationeller Karrierestart, dessen Niveau er fast zwangsläufig
nicht halten konnte. Sein Folgefilm „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“
ließ viele der vorher gezeigten Qualitäten vermissen und wurde ein x-beliebiger
Teenieslasher von der Stange. Zwar deutlich besser, aber keinesfalls brillant fielen
die Drehbücher zu „Scream 2“ und der Highschool-Body-Snatchers Variante „The
Faculty“ von Robert Rodriguez aus. Nur ein einziges Mal versuchte sich
Williamson als Autor und Regisseur in Personalunion, bei eben dem hier
vorliegenden „Tötete Mrs. Tingle!“, gleichzeitig der Tiefpunkt seines Schaffens
und das Ende seiner Hochphase im Kinogeschäft.
Der American Dream: Dumm, aber sexy. |
Dem Highschool-Milieu bleibt
Williamson wacker treu, dem Genre nur in leichten Anflügen. „Tötet Mrs. Tingle!“
beinhaltet maximal rudimentäre Ansätze eines Teenie-Horrors, ist am ehesten als
schwarzhumorige Thriller-Groteske zu sehen. Oder besser, soll so gesehen
werden. Denn ähnlich wie bei dem trotteligen Protagonisten-Trio läuft auch beim
Film kaum etwas nach Plan und es reiht sich eine sinnlose Dummheit an die
nächste. Fahrlässig und unnötig, denn an sich ist die Grundprämisse nicht
unbedingt verkehrt und ein Williamson mit den kreativen Geistesblitzen von „Scream“
hätte hieraus locker einen mindestens brauchbaren Film machen können. Es gibt
genau einen Lichtblick, natürlich die große Helen Mirren (wen wundert’s?), die
praktisch jedes Projekt im Rahmen ihrer Möglichkeiten aufwertet. Mit
süffisanter Eleganz gibt sie die giftige, pedantische Kotzkuh einer
Antipädagogin, retten kann sie das Gesamte damit nur geringfügig und maximal für
den Moment erträglicher gestalten. Das Gegenstück zum erprobten Spiel der
Mirren stellt mal wieder Katie Holmes dar, die sich aus unerklärlichen Gründen
in ihrer überschaubaren Laufbahn – als deren Highlight bezeichnenderweise die
inzwischen gescheiterte Ehe mit Tom Cruise zu nennen ist – doch gelegentlich
mal in einen guten Film geschlichen hat, wenn auch selten. Da prallen Welten
aufeinander, von internationaler Spitzenklasse und kulleräugigem
Schülertheater. In einem Teeniefilm, der trotz seines bösartigen Potenzials
eindeutig für ein Publikum zwischen 12 und 17 konzipiert ist, ist das nicht
unbedingt das Hauptproblem, die Krux liegt ganz woanders.
Waldorfpädagogik? Am Arsch... |
Der eindeutig als teuflische
Antagonistin verwendeten Mrs. Tingle gehören irgendwann die Sympathien des
Zuschauers, obwohl sich das auch jetzt völlig falsch anfühlt. Sympathie ist zu
viel gesagt, die anderen drei Orgelpfeifen sind nur so verdammt verblödet,
unglaublich naiv und ätzend, da sucht man sich eben das kleinere Übel aus. Ein
Film dieser Sparte muss nicht zwingend durch logisches Handeln überzeugen. Wenn
das die Leute hier machen würden, die ganze Situation würde nicht entstehen.
Nur ist das doch kein Freibrief für heillos absurde Vorgehensweisen, die sich
selbst unter Berücksichtigung der besonderen Umstände wie Stress, Überforderung
und generell wenig gesunden Menschenverstandes nicht akzeptieren lassen. Der
Film ist in seinem Ablauf ohnehin knallhart vorhersehbar, aber wenn dann auch
noch die handelnden Personen sich treudoof und blind wie Marionetten
manipulieren lassen, was jedes Kleinkind durchschauen würde, haarsträubende
Fehler begehen und der Film diese einfach als gegeben und selbstverständlich
hinnimmt (wenn man daraus eine zwingende Konsequenz erleben würde, wäre das was
anderes) macht das nicht im geringsten Spaß. Zumindest nicht so. Im Vergleich
sei der zwei Jahre vorher erschienene, weniger bekannte „Suicide Kings“
erwähnt, in dem Christopher Walken als von planlosen Schnöseln gekidnappter
Mafiosi die gleiche Nummer durchzog, was erheblich unterhaltsamer und im
ambivalenten Wechselspiel mit den eigentlichen „Helden“ prima funktionierte.
Williamson verpatzt alles, was sein Skript zu „Scream“ auszeichnete:
Das erfrischende Spiel mit Klischees und Dogmen, das Kreieren reizvoller
Figuren, smarter Witz und geschicktes Storytelling.
„Tötet Mrs. Tingle!“ ist furchtbar
öde, niemals richtig amüsant, total einfallslos und hebt sich zu allem
Überfluss den größten Unfug für den Schlussakt auf. Wie bescheuert, wie lächerlich
und ärgerlich unüberlegt kann man denn einen solchen Film beenden? Die Pointe
oder wie man es nennen will ergibt gar keinen Sinn, egal wie man es dreht und
wendet. Fassungslos sitzt man da und überprüft verwundert, ob das tatsächlich
DER Kevin Williamson ist. Traurig aber wahr, ist er, aber wer seine scharfe
Munition gleich im Debüt komplett verballert hat, schießt ab dann nur noch mit
Platzpatronen. Es sollte 12 Jahre dauern, bis er sich mit „Scream 4“ halbwegs
rehabilitieren konnte, gemessen an dem hier ist der eine Granate.
3 von 10 gespannten Armbrüsten
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