Fakten: Steve Jobs
USA. 2015. Regie: Danny Boyle. Buch: Aaron Sorkin, Walter Isaacson (Vorlage). mit:
Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Katherine Waterston, Jeff
Daniels, Michael Stuhlbarg, John Ortiz, Sarah Snook, Perla Haney-Jardine,
Ripley Sobo, Makenzie Moss, Adam Shapiro u.a. Länge: 122 Minuten. FSK: freigegeben
ab 6 Jahren. Ab 24. März 2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story: Seine Vision veränderte die Welt und trieb ihn fast in den Ruin: der
Entwurf und Bau eines Computers für jedermann. Über die ersten Anfänge, die
Entwicklung des legendären, alles revolutionierenden Macintosh, bis hin zum
Neuanfang mit dem iMac im Jahr 1998, nimmt uns Steve Jobs mit ins Epizentrum
der digitalen Revolution und zeichnet zugleich das vielschichtige Portrait
eines ihrer brillantesten Köpfe.
Meinung: Ein Rauen geht um, wenn
man seinen Namen sagt und eigentlich jeder hat eine Meinung zu dem Mann, den
einige für einen der größten Pioniere moderner Technologie halten, andere
wiederrum für einen Soziopath, der andere für seine Zwecke ausbeutete. So oder
so ist die Person Steve Jobs ein höchst interessanter sowie ambivalenter
Charakter. Nach seinem Tod im Jahre 2011, kamen zig Bücher, Reportagen und
Artikel heraus, die ihn würdigten oder diskreditierten. Als Außenstehender
wusste man da eigentlich gar nicht, wo genau man sich positionieren soll. 2013
erschient mit „Jobs“ auch das erste Biopic rund um den Apple-Chef. Eine recht
bieder bebilderte Biographie ohne sonderlichen Nutzen. Warum danach jetzt noch
der Film „Steve Jobs“ erscheint wirkt unnötig, aber auf ihn zu verzichten würde
ein großes, qualitatives Loch in Kinojahr 2015 reißen, denn der Film vom
britischen Kultregisseur Danny Boyle erweist sich als kleines Meisterstück.
Jobs und seine Assisstentin
Allerdings darf man von „Steve Jobs“ nicht erwarten, dass es sich um ein reinrassiges
Biopic handelt. Basierend auf den Bestseller von Walter Isaacson werden jeweils
die letzten Minuten vor den drei wichtigsten Produktvorstellungen des Jobs
nachgestellt. Wie viel davon der Wahrheit entspricht? Wer weiß das schon. „Steve
Jobs“ pocht aber eh zu keiner Zeit auf der „based on true event“-Pauke. Der
Film konzentriert sich darauf eine Figur zu beleuchten, ob diese rea existiert
hat und komplett fiktiv ist, erweist sich als recht irrelevant. Ja,
Biopic-Puristen werden hier wenig finden. Weder werden alle historischen
Ereignisse der Firma Apple durchgekaut, noch wird exorbitant viel Zeit darauf
verwendet den Zuschauer mit Expositionen zu füttern. „Steve Jobs“ ist ein Film
der von Beginn an ein einziges Ziel erfolgt und dass ist einen Charaktere
vorzustellen, so dass man als Ende selbst entscheiden kann welcher Mensch diese
Steve Jobs war. Im Film wird aber keineswegs das Original abgebildet, sondern
mehr dessen filmische Kopie. Wenn man so will ist dieser Film eine Huldigung,
eine Anklage sowie auch eine Skizze eines fiktionalen Imitats einer realen
Person.
Beste Freunde mit Differenzen: Woz und Jobs
So oder so wirkt das Ganze obwohl es all diese Personen gibt (oder gab) und vieles
was gesagt wird auch einen wahrhaftigen Background hat, mehr wie ein erfundenes
Drama. Das liegt vor allem an Drehbuchautor Aaron Sorkin, der mit „The Social
Network“ bereits einen angeblichen Soziopath beschrieb. Genau wie damals glänzt
auch „Steve Jobs“ durch Sorkins brillante Schreibarbeit. Die Dialoge sind
diamantgeschliffen und werden trommelfeuerartig vorgetragen. Dabei ist zu
beobachten, dass jede Figur, die mit Jobs kommuniziert eine andere Art von
Dialogdynamik auslöst. Es gibt z.B. einen lautstarken Disput zwischen Jobs und
seinem ehemaligen Vorgesetzten. Dieser Dialog gleicht einem Krieg: Jedes Wort
ein surrendes Projektil, jede Atempause ein Waffenstillstand. Das ist zwar
höchst anstrengend, verfehlt dennoch aber nicht seine narrative Wirkung. Gewiss,
kein normaler Mensch redet so, aber das Thema Realität wird bei „Steve Jobs“ –
wie bereits erwähnt – recht offen ausgelegt, was ohne Zweifel nicht nur die
Angehörigen des Apple-Mitbegründers auf die Barrikaden treibt.
Selbst das macht er stilvoll
Was dem ganzen Dialogzauber gegen Ende etwas die Kraft nimmt, ist die
repetitive Natur des Ganzen. In zwei Stunden wird Jobs stetig mit denselben
Personen und Anliegen konfrontiert. Das schlaucht, erreicht aber niemals solch
negative Auswirkungen, dass es sich wirklich schädlich bemerkbar macht und
Sorkin selbst erlaubt sich wegen diesem Konzept gegen Ende auch eine kleine
Meta-Bemerkung. Ganzzeitig frisch bleibt dagegen die Inszenierung von Oscar-Preisträger
Danny Boyle, der sich nach „Steve Jobs“ hoffentlich endlich daran macht die
langversprochene „Trainspotting“-Fortsetzung namens „Porno“ umzusetzen. Boyle
ist bekannt und beliebt (bei einigen natürlich auch gefürchtet und verhasst) für
seine Visualität. Doch bei „Steve Jobs“ hält er sich im Rahmen. Gewiss, hin und
wieder erlaubt er sich mit den Bildern zu spielen, es wirkt aber nicht
aufgesetzt und bringt eine gewisse Frische in den Film. Letztlich zeigt sich
aber Boyle Erfahrung, dass er das Drehbuch sowie die Darsteller auf deren Qualitäten
reduziert und dies sauber und ohne Hektik einfängt. Boyle ist eben ein
versierter Filmemacher.
Ist dieser Mann ein Freund oder ein Feind von Jobs?
Und diese arbeiten gerne mit Leuten zusammen, die ihre Vision teilen.
Vielleicht arbeitet Boyle deswegen hier erneut mit Kameramann Alwin Küchler
zusammen, der bereits in Boyles Sci-Fi-Drama „Sunshine“ und „Trance“ für die
richtige, optische Stimmung sorgte. Bei „Steve Jobs“ gelngt es Küchler mit
einfachen Kniffen und Mitteln sogar das jeweilige Jahr visuell einzufangen,
einfach durch eine Regulierung des Filmkorns. Gewiss ist das eine höchst simple
Methodik, aber sie funktioniert und hilft immens bei der Immersion, die im
Verlauf des Films zu keiner Zeit irgendwelche Risse oder Sprünge bekommt. Der
Film wirkt wie aus einem Guss. Die einnehmende Simplizität die man den
Apple-Geräten zusagt, sie wurde hier wirklich wunderbar auf den Film
übertragen, ohne dabei wie ein überlanger Werbespot für den Computergiganten zu
wirken. Die Gefahr besteht so oder so nicht, denn für einen Commercial setzt
sich Autor Sorkin viel zu kritisch mit dem geschlossenen Apple-Systemen
auseinander.
Fassbender beim Text lernen
Natürlich sind die besten Dialoge, die fokussiertes Regie und beste visuelle
Ausrichtung nutzlos, wenn die Darsteller nicht überzeugen. Doch damit hat „Steve
Jobs“ wirklich keinerlei Probleme. Michael Fassbender und Kate Winslet sind
großartig, was wahrscheinlich jeder schon vorher gedacht, bzw. gewusst hat.
Doch auch Abseits der beiden größten Namen gibt es darstellerisch Großes zu
sehen und damit ist vor allem Seth Rogen gemeint, den die meiste wohl eher aus
modernen Klamaukfilmen wie „Bad Neighbors“ oder „Ananas Express“ kennen. Doch
bei „Steve Jobs“ beweist Rogen das er auch ein exzellenter Darsteller ist. Er
spielt Jobs Freund und Wegbegleiter Steve „Woz“ Wozniack so wunderbar nuanciert
und ungekünstelt, dass eine reine Freude ist ihm beim Spielen zu zusehen. Dabei
gelingt Rogen es zum ersten Mal, sich von seiner sonstigen Attitüde zu trennen.
Wenn er mit Fassbender verbal interagiert, dann ist es vergessen welche Stars
hier zu sehen sind. Plötzlich ist man als Zuschauer mitten drin in einer Szenerie,
die authentisch und wahrhaftig wirkt. Eine perfekte Illusion, deren Reiz und
nach lange nachwirkt.
Mehr ein Komponist, als ein Erfinder: Steve Jobs
Dabei verwendet der Film erstaunlich wenig Energie darauf, diese Illusion mit
den übermittelten Ticks und (teils absonderlichen) Eigenheiten von Jobs zu
füttern. Immer wieder gibt es Andeutungen und ab und an auch eine konkrete
Bebilderung, aber trotz allem bleibt ein menschlicher Kern übrig, selbst dann
wenn Boyle und Sorkin den Gott der Apple-Nutzer von seiner (scheinbar)
schlimmsten Seite zeigen. Es ist natürlich recht ernüchternd, dass Sorkin im
Prinzip Jobs genau so einfängt wie einst Mark Zuckerberg. Aber der Film-Jobs
hinterlässt nicht wie der Film-Zuckerberg den Eindruck eines antisozialen
Genies, sondern eines Mannes, der in seiner eigenen Welt beheimatet. Ein
Außenseiter mit dem Willen nach oben zu gelangen und diese Grenze immer wieder
voranzutreiben. Steve Jobs wirkt also im Film wie ein Superman in einer Welt
aus Kryptonit. Eben ein Kämpfer, der sich anpassen muss. Das zu sehen ist
hochgradig fesselnd.
„Steve Jobs“ beweist was man mit einem
guten Drehbuch, tollen Akteuren und einer versierten Regie erreiche kann: Ein
energiegeladener und vitaler Film, dessen Kraft und Qualität teils sogar
berauschende Züge annimmt. Es sollte nur klar sein, dass „Steve Jobs“ kein
Biopic ist, sondern ein unglaublich redseliges, treibendes und vitales
Charakterdrama, dessen Darsteller sich Hoffnung machten sollen bei der
Oscar-Verleihung 2016 ein Wort mitzusprechen.
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