Review: ZOMBIE – DAWN OF THE DEAD – George A. Romero auf dem Zenit seiner Kunst




Fakten:
Zombie – Dawn of the Dead
USA, Italien. 1978. Regie und Buch: George A. Romero. Mit: Ken Foree, Gaylen Ross, David Emge, Scott H. Reiniger, David Early, Richard France, Fred Baker, Rod Stouffer, James A. Baffico, Tom Savini, Daniel Dietrich u.a. Länge: 118 Minuten. FSK: keine Freigabe. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die kürzlich Verstorbenen erheben sich aus Ihren Gräbern und kehren als lebende Tote zurück, um die Menschen zu jagen und zu fressen. In dem allgemeinen Chaos droht die Zivilisation zusammenzubrechen. Es werden Räumungskommandos organisiert, welche von Haus zu Haus ziehen, um die Infizierten zu töten. Zu einem dieser Kommandos gehören auch Peter und Roger, die von dieser Aufgabe aber die Nase voll haben. Zur gleichen Zeit versucht ein Fernsehsender, für den auch Stephen und Francine arbeiten, so lange wie möglich zu senden, um die restliche Bevölkerung auf dem Laufenden zu halten. Als der Ansturm der Zombies immer weiter zunimmt schlägt Stephen vor, mit dem Firmenhelikopter vom Dach des Senders zu flüchten. Auf der Landeplattform stoßen noch Peter und Roger dazu. Als der Sprit des Helikopters zur Neige geht landen sie auf dem Dach einer Shopping-Mall in welcher sie alles finden, was sie brauchen um lange überleben zu können. Zunächst müssen sie das Einkaufscenter aber noch von den Zombies befreien...




Meinung:
Man wird sie nie vergessen, die letzten Bilder, die George A Romero dem Zuschauer in „Die Nacht der lebenden Toten“ voller zynischer Kälte serviert hat: Alles schien verloren, nicht wegen der Allgegenwart der Zombies, sondern wegen den Menschen, unter dem Banner einer Bürgerwehr verkehrend, die in einem exorbitanten Blutrausch durch das Land gewütet sind. Die Apokalypse schien nicht mehr verhinderbar, sie hat unlängst begonnen – und das wahrscheinlich schon vor dem Ausbruch der Epidemie. Ganze zehn Jahre mussten sodann in Kauf genommen werden, bis George A. Romero endlich die finanziellen Mittel zur Verfügung standen (ein gewisser Italiener namens Dario Argento hat freundliche Unterstützungsarbeit geleistet), sein heute zum Klassiker avanciertes Debüt endlich fortzusetzen. Das Ergebnis ging erneut in die Annalen Filmgeschichte ein: Mit „Zombie – Dawn of the Dead“ erreichte George A. Romero nicht nur den Zenit seiner Kunst; „Zombie – Dawn of the Dead“ ist ein echter Segen für das Horror-Genre, weil er geistreich weiterführt, was „Die Nacht der lebenden Toten“ schon kongenial losgetreten hat.

 
Zombies? Oder doch nur die 1970er?
Im Klartext bedeutet das: „Zombie – Dawn of the Dead“ ist herausragendes Genre-Kino, weil es permanent in der Lage ist, die Grenzen des Genres zu durchbrechen und somit in Richtung Ewigkeit durchzustarten. Das Bedrohungsszenario, in welches „Die Nacht der lebenden Toten“ den Zuschauer von jetzt auf gleich gestoßen hat, wird konsequent weiterentwickelt. Die untote Übermacht breitet sich exponentiell aus, die Menschheit steht vor dem Ende und die letzten Übriggebliebenen müssen sich an einen deprimierenden Restbestand ihrer Existenz gewöhnen, in dem es keinen Raum mehr für die freie Entfaltung gibt, sondern nur noch der Kampf um das bloße Überleben verbleibt. Zusammen mit Stephen (David Emge), Peter (Ken Foree), Roger (Scott H. Reiniger) und Fran (Gaylen Ross) versuchen wir als Zuschauer, irgendwie einen Platz in diesem heillosen Chaos zu finden, der für kurze Zeit eine gewisse Sicherheit und Ruhe verspricht, denn nicht nur die Zombies sind auf wankender Jagd nach Menschenfleisch, der sich selbst als gesetzlos glaubende Teil der Gesellschaft marodiert durch die Städte.

 
Eindeutig die  1970er.
Mit dem Hubschrauber gelangt unser Protagonistenquartett zu einem Einkaufszentrum (die Monroeville Mall, nunmehr ein regelrechtes Nerd-Mekka), in dem sich zwar auch reichlich Untote herumtummeln, allerdings bieten die Lagerräume doch ein geräumiges Refugium, in dem eine verlängerte Verschnaufpause im Bereich des Möglichen scheint. Wie schon in „Die Nacht der lebenden Toten“ baut George A. Romero in seiner Settingwahl auf einen begrenzten Sektor, wenn auch sicherlich nicht so beengt wie das Landhaus inmitten der Provinz. Wo man in „Die Nacht der lebenden Toten“ im „intimen“ Rahmen miterleben konnte, wie Romero innerfamiliäre Kernstrukturen dekonstruierte, schreit die Mall in „Zombie – Dawn of the Dead“ natürlich nach klaffender Konsumkritik mit dem Holzhammer: Die Zombies selbst taumeln wie zu Lebzeiten durch die Gänge, wollen ohne Unterlass fressen, konsumieren, verbrauchen. Selbstverständlich lässt sich „Zombie – Dawn of the Dead“ in diese Richtung interpretieren, das Ambiente schreit ja geradezu danach. Allerdings geht Romero tiefer, ihm liegt es nicht daran, den beinahe schon auf Automatismen basierenden Kaufrausch der amerikanischen Gesellschaft aus- und bloßzustellen.

 
Made my day
Das Einkaufszentrum, die Konsumhölle, das Schlaraffenland, die Kathedrale des Kapitalismus, wird vielmehr zur psychologische Projektionsfläche, auf der Romero bisweilen satirisch demonstriert, wie sich die menschliche Psyche im Angesicht ihres tendenziellen Untergangs verhält. Zuerst einmal muss nicht alles verloren sein, wenn der gleichberechtigte Gemeinschaftssinn weiterhin Bestand hat. Es bilden sich Freundschaften, Entscheidungen werden im gesunden Plenum getroffen, das Schwelgen im Materialismus, in einer Zeit, in dem das Materielle keinen Wert mehr besitzt, bringt für einige Momente etwas Spaß in den trüben Alltag, wenn die Regale geplündert werden und einem am Ende sogar noch das Geld aus der Kasse entgegenspringt. „Zombie – Dawn of the Dead“ besitzt dabei immer wieder ein pointiertes Händchen für Humor, schildert das Leben im Einkaufszentrum als intensive Bestandsaufnahme, in der die vier Akteure auf die harte Tour lernen müssen, sich an die neuen Bedingungen zu gewöhnen. Das temporäre Verdrängen von Sorgen und Grauen aber birgt im Anschluss nur noch schwerwiegenderen Kummer in sich.


Für Liebe ist in dieser Zeit kein Platz mehr, das werden Fran und Stephen in einer regelrechten Ohnmacht lernen, und wer die Chance hat, alles besitzen zu können, wird für nichts mehr Verwendung finden. „Zombie – Dawn of the Dead“ ist als humanistisches Manifest, welches an Nächstenliebe, an Verbundenheit und auch an Hoffnung glaubt, deswegen so effizient, weil es auch folgerichtig offenbart, dass sich all die Menschlichkeit nicht immer als Schlüssel für eine echte Perspektive zeigt – Aber es macht vieles, auch in derart düsteren Zeiten, erträglicher. Und all die unterschiedlichen Charaktertypen, die „Zombie – Dawn of the Dead“ interagieren lässt, studiert George A. Romero, um sie den schlurfenden Wiedergängern adäquat gegenüberzustellen. Stephen, Fran, Peter und Roger müssen realisieren, dass die Zombie ein Teil von ihnen sind und eine Zukunft nur dann gewährleistet scheint, wenn dem Morden der Menschen endlich Einhalt geboten wird. Da keimt aus der Essenz des „Zombie – Dawn of the Dead“ auch ein zutiefst pazifistisches Plädoyer: Gesellschaften werden nicht auf Blut errichtet, sie versinken zwangsläufig darin.


8,5 von 10 abgetrennte Schädeldecken


von souli

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen