Fakten:
Das Schloss im Spinnwebwald
(Kumonosu-jō)
Japan, 1957. Regie: Akira Kurosawa.
Buch: Akira Kurosawa, Shinobu Hashimotu, Ryūzō Kikushima, William Shakespeare
(Vorlage). Mit: Toshirō Mifune, Isuzu Yamada, Akira Kubo u.a. Länge: 105
Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:
Die Samurai Washizu und Miki sind
nach einer erfolgreichen Schlacht auf dem Weg zu ihrem Fürsten. Dazu müssen sie
durch den legendären Spinnwebwald, in dem sie sich auch schnell verirren. Tief
im Wald treffen sie einen Waldgeist, der Miki die Herrschaft über die 'Erste
Festung' und Washizu die Herrschaft über das 'Nordhaus' zusagt. Weiter
prophezeit er, dass Washizu sogar dem Fürsten selbst nachfolgen und letztlich
von Mikis Sohn beerbt werden wird. Als die ersten Weissagungen noch am selben
Tag eintreten beginnt eine Geschichte rund um Gier, Gewalt und Mord.
Meinung:
Wer sich näher mit Akira Kurosawas
Filmografie auseinandergesetzt hat weiß, dass sich der bekannte Regisseur des
Öfteren den Werken von William Shakespeare angenommen hat. Überhaupt galt er
als ein sehr westlich geprägter Regisseur, seine Filme fanden im Ausland oft
mehr Anklang als in seiner Heimat. Noch vor „Ran“ (König Lear) und „The Bad
Sleep Well“ (Hamlet) übertrug Kurosawa mit „Das Schloss im Spinnwebwald“ die
Tragödie „Macbeth“ ins historische Japan. Wie auch bei seinen anderen
Adaptionen fand er dabei das richtige Maß zwischen eigenen Ansätzen und einer
vorlagengetreuen Umsetzung. Dadurch sollte „Das Schloss im Spinnwebwald“ sowohl
bei Fans des ursprünglichen Werkes, als auch bei Anhängern des klassischen
Samuraifilms Anklang finden.
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Mit einem Lächeln kommt man dieser Tage nicht weit... |
Von Beginn an macht uns Kurosawa
klar, dass es sich bei „Das Schloss im Spinnwebwald“ um einen extrem düsteren
und atmosphärisch stimmigen Film handelt. Immer wieder ziehen dichte
Nebelschwaden durch das Bild, umspielen Charaktere und Kulisse, vor allem den
Szenen im Spinnwebwald verleiht das einen unheimlichen Anstrich. In Kombination
mit den dicht verzweigtem und kahlem System aus Ästen und Bäumen lässt sich der
mysteriöse und bedrohliche Ruf des Waldes nur zu gut nachvollziehen. Auch
Kurosawas gewohnt flüssige Inszenierung trägt zur Atmosphäre des Films bei, wie
so oft besticht diese durch eine durchdachte Kinematographie und gekonnt
eingesetzten Schnitten. In expressionistischen Bildern konzentriert sich der
Film fast ausschließlich auf seinen Protagonisten, in dieser Rolle dürfen wir
erneut Kurosawas Dauergast Toshiro Mifune bewundern. Ohnehin für sein
Overacting bekannt, legt er hier nochmals eine Schippe drauf und verkörpert den
Wahnsinn seiner Figur auf unnachahmliche Art und Weise. Wenn er angefüllt mit
Verzweiflung und Wahn durch die Kulisse hastet, dann schafft er es dadurch
einen emotional packenden Einblick in die Gedankenwelt seines Charakters zu
liefern. Tragischer Held, manipuliertes Opfer oder kaltblütiger Mörder, alle
Sichtweisen sind möglich und stecken zumindest teilweise in seiner Figur.
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Macht macht nicht immer Spaß |
Ein klassisches Bild von Gut und
Böse gibt es in der Geschichte nicht, jeder Charakter handelt aus
selbstsüchtigen, aber durchaus nachvollziehbaren Motiven. Sie sind
Opportunisten, sehen ihre Chance und ergreifen diese. Moral sucht man
vergebens. Hier werden ehrenhafte Hauptmänner zu verräterischen Meuchelmördern,
liebevolle Ehefrauen zu machtgierigen Manipulatorinnen und treue Untertanen
durchbohren ihre Herren mit Pfeilen. Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf
Toshiro Mifune, seine Charakterentwickelung wirkt zu keinem Zeitpunkt
unglaubwürdig, sein Wahn entfaltet sich in perfekter Geschwindigkeit. Er ist
das Spiegelbild von Gier und Verlangen, am Höhepunkt seiner Macht angekommen
fürchtet er nur eins, nämlich diese Macht wieder zu verlieren. Parallel zur
Steigerung seines Irrsinns beginnt auch der Verfall seines Reiches, eine nicht
aufzuhaltende Kette aus Aktionen führt zum kompletten Verlust seiner Welt. Eine
Lehrstunde darüber, wie man es schafft einen Klassiker der Weltliteratur in
nicht einmal zwei Stunden Film zu verwandeln, dem Medium treu zu bleiben und
dabei dennoch den Tiefgang der Vorlage zu erreichen. Ein Schlüsselstück in
Kurosawas Filmografie.
Kurosawas „Schloss im Spinnwebwald“
ist eine Spirale aus Mord und Wahnsinn. In unglaublich düsteren Bildern erzählt
er eine Geschichte über menschliche Abgründe und zeigt wohin das Streben nach
Macht führen kann. Dabei ist der Film nicht nur ein enorm stimmiger Einblick
ins historische Japan, sondern auch eine tiefgründige Auseinandersetzung mit
menschlichen Sehnsüchten. Eine würdige Adaption von Shakespeares essentieller
Tragödie.
8 von 10 Waldgeister
von Vitellone
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