Review: JIMMY P. - PSYCHOTHERAPIE EINES INDIANERS – Die Rothaut auf der Coach



Fakten:
Jimmy P. - Psychotherapie eines Indianers (Jimmy P. - Psychotherapy of a Plain Indians)
Frankreich, USA. 2013. Regie und Buch: Arnaud Desplechin.
Mit: Benicio Del Toro, Mathieu Amalric, Gina McKee, Larry Pine, Joseph Cross, Misty Upham, A. Martinez, Jennifer Podemski, Gary Farmer, Michelle Thrush, Michael Greyeyes u.a. Länge: 117 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Jimmy Picard, ein Indianer der Blackfoot, kämpfte im Zweiten Weltkrieg in Frankreich. Nach einem Unfall, der ihm ein Koma bescherte, leidet er immer wieder an Lähmungserscheinungen, Zusammenbrüchen sowie kurzzeitigen Hör- und Sehverlusten. In einem Veteranenkrankenhaus wird bei Jimmy Schizophrenie diagnostiziert und er kommt in eine Psychiatrie. Dort kümmert sich Ethnologe George Deveraux um ihn, der erkennen muss, dass Jimmy nicht an Schizophrenie leidet. Er versucht Jimmy zu helfen.





Meinung:
„Ich war immer ein Mann, der Frauen sterben lässt.“

Ein Film über die Psychoanalyse muss es ja zwangsläufig schwer haben, denn wie soll man es schon zustande bringen, über einen konkreten Zeitraum von guten zwei Stunden jene innerseelischen Dissonanzen und die sich über die Jahre in der Seele eingefrästen Traumata nicht nur in massiver Transparenz auszustellen, sondern sie auch zu verinnerlichen? Gus van Sant ist daran schon mit „Good Will Hunting“ gescheitert, obwohl er dennoch ein gar wunderbares Werk geschaffen hat, und über David Cronenbergs „A Dangerous Method“ verlieren wir besser nicht allzu viele Worte, hat sich der kanadische Meisterregisseur damit doch einen rigorosen Bock geleistet, den man in diesem Ausmaß, gerade auch weil er mit „Die Unzertrennlichen“ wahrhaft Großes vollbrachte, wohl kaum erwartet hätte. Mit „Jimmy P.“ hat sich nun der französische Filmemacher Arnaud Desplechin an das verzwickte Thema der Psychoanalyse herangewagt und es durchaus verstanden, der Praxis, denn der auf Modelle und Kategorisierung versessenen Theorie Hauptaugenmerk zu verleihen.


Deveraux muss Jimmy P. richtig kennen lernen
Mit „Jimmy P.“ widmet sich Arnaud Desplechin dem wahren Fall des Blackfoot-Indianers und Weltkriegsveteran Jimmy Picard (Benicio del Toro, „Savages“, der aus einem Jeep stürzte und aufgrund eines Schädelbruchs kurzzeitig im Koma lag. Seitdem klagt Jimmy über schwere Kopfschmerzen und lässt sich in das Winter Veteran Hospital in Topeka eingeliefert, wo man schnell vermutet, Jimmy würde unter Schizophrenie leiden, was ihn direkt in die geschlossene Psychiatrie der Einrichtung führt. Dass Jimmy Probleme hat, wird schnell deutlich, dass es sich allerdings nicht wirklich um Schizophrenie handelt, merkt auch der Zuschauer, was vom Psychoanalytiker und passionierten Ethnologen Georges Devereux (Mathieu Amalric, „Venus im Pelz“) auch in Windeseile bestätigt wird, obwohl es diesem eigentlich nicht erlaubt ist, als praktizierender Arzt zu fungieren – Ihm fehlt schlichtweg die Zulassung. Und mit Jimmy Picard und Georges Devereux wartet „Jimmy P.“ mit einer Konstellation auf, die durchaus gefällt: Devereux, der Pionier der Ethnopsychoanalyse, versucht Jimmy auf Augenhöhe zu begegnen, ihm liegt es nicht an Fachsimpelei, sondern daran, die Dinge beim Namen zu nennen; autoritär, aber niemals dirigierend.


Arnaud Desplechin wird gerne nachgesagt, als selbstverliebter Auteur in Erscheinung zu treten, „Jimmy P.“ hingegen streift weder die Prätention, noch macht er es dem Zuschauer schwer, einen klaren Zugang zu finden. Es erscheint nur wenig beglückend, dass sich ein Film die Zeit nimmt, um im Kontext der Psychoanalyse die Rastes des methodischen Prozesses etwas aufzurütteln, am Ende dann aber doch des Rätsels Lösung in ödipalen Konflikten zu finden glaubt – Obwohl er sich letztlich wieder eingesteht, dass es nicht die Diagnose ist, die den höchsten Wert besitzt, sondern der Weg dorthin. Und da macht „Jimmy P.“ unmissverständlich deutlich, dass die Beziehung zwischen Jimmy und Georges nicht auf der strengen Arzt-Patient-Ebene abspielt, sondern ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut wird, eine Vertrauensbasis, die mal verbale Duelle bereithält, aber auch als ausgelassene Plauderei funktioniert. Benicio del Toro überzeugt vor allem mal wieder durch seine subtile Performancekunst, während Mathieu Amalric einmal zu oft zur neurotischen Karikatur erklärt wird. Interessant ist „Jimmy P.“ im Umgang mit Verdrängung und Freilegung trotzdem.


5,5 von 10 klemmenden Gewehren


von souli

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