Review: IN FEAR - Mit der Dämmerung kommt die Angst





 
Fakten:
In Fear
GB, 2013. Regie & Buch: Jeremy Lovering. Mit: Iain De Castecker, Alice Eglert, Allen Leech. Länge: 81 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Tom will seine neue Freundin Lucy mit einem Aufenthalt in einem Waldhotel überraschen. Auf dem Weg dorthin verfahren sie sich, weder die Karte noch die Hinweisschilder scheinen sie in die richtige Richtung zu führen. Immer wieder passieren sie die selben Punkte auf der unübersichtlichen Straße durch die Wälder, die Nerven liegen langsam blank. Als die Dunkelheit hineinbricht, steigert sich ihr Frust in pure Angst, denn irgendjemand scheint ein perfides Spiel mit ihnen zu treiben.







Meinung:
Der bis dato nur für das britische Fernsehen tätige Jeremy Lovering legt mit seinem Independent-Horrorfilm „In Fear“ über weite Strecken einen beachtlichen Genre-Vertreter hin, der sich in der ersten Filmhälfte durch ein hervorragendes Gespür für das Spiel mit natürlichen Ängsten, stille, kaum greifbare Bedrohung und ausgereifte, punktgenaue Spannungsmomente auszeichnet, leider seine überraschend hohe Qualität nicht gänzlich über die Ziellinie retten kann.


Es sollte romatisch werden, es wurde furchteinflößend.
Mit nur drei Darstellern, kaum Budget und einem zum Teil improvisierten Skript gelingt Lovering das, was viele heutige Horrorfilme schmerzlich vermissen lassen. In Zeiten von CGI-Geistern, sadistischer Folter und für den Mainstreamgeschmack immer gleichgeschalteten, sauber geleckten und auf Hochglanz polierten Popcorn-Schockern ist es eine Wohltat zu erleben, dass es noch hoffnungsvolle, talentierte Regisseure gibt, die sich auf das Elementare im Genre berufen, es beherrschen und dieses selbst mit geringsten Mitteln vorbildlich umsetzen können. Über der Ödnis der nordirischen Wälder liegt subtiler, schleichender Horror wie ein dunkler Schleier, ein unsichtbares Damoklesschwert baumelt über den Protagonisten, ohne dass sie und wir uns das zunächst faktisch belegen können. Durch seinen authentischen Look, dem ruhigen, dennoch treibenden Score und wohl überlegte, in ihrer Normalität so beunruhigenden Bildern und Einstellungen vermittelt „In Fear“ genau das, was seinem Titel gerecht wird. Angst. Unerklärliche Angst vor jemanden oder irgendetwas. Als wenn dort draußen etwas lauern würde. Die engen Waldwege werden zum ausweglosen Labyrinth, das junge Pärchen schrittweise zermürbt, mit der Dämmerung steigern sich Panik und mögliche Paranoia so sehr, dass die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen und für den angespannten Zuschauer nicht mehr klar zu trennen sind. Ist die Furcht angebracht, müssen Tom und Lucy tatsächlich um ihr Leben fürchten oder sind es nur die Situation und ihre inzwischen labile Wahrnehmung, die ihnen einen grausamen Streich spielen? So lange Lovering mit diesen Ansätzen hantiert, lässt einen „In Fear“ mehrfach flach atmen und nervös zusammenzucken.


Der fantastischen ersten Hälfte kann der Schlussspurt dann leider nicht mehr ganz gerecht werden. Dem Grauen wird zu früh ein Gesicht gegeben, die womöglich als surreal einzustufenden Momente erweisen sich als sehr real und somit doch nicht so verstörend. „In Fear“ beraubt sich zum Teil seiner größten Stärke, als er beginnt sich zu öffnen und eine dann eine relativ beliebige Auflösung zu präsentieren. Weiterhin souverän und atmosphärisch inszeniert fehlt einfach das Mysteriöse, das Unerklärliche, was die Spannung lange so weit oben halten konnte. Im Prinzip wird mehr versprochen, als unterm Strich geboten wird. Zumindest lässt sich Jeremy Lovering immer noch hoch anrechnen, dass er seinem Stil dennoch treu bleibt und nicht der Versuchung verfällt, seinen Film durch publikumswirksamen Gore und Blutzoll zu sehr in eine falsche Richtung zu lenken. Auch wenn „In Fear“ letztlich nicht ganz die durch seinen bärenstarken Beginn geschürten Erwartungen erfüllen kann und etwas zu konventionell endet (was er nicht unbedingt nötig gehabt hätte), Genrefreunde sollten sich diesen kompakten, kurzweiligen und in seiner bedrückenden Stimmung manchmal sogar erstklassigen Beitrag lieber nicht entgehen lassen. Unter dem ganzen Plunder, der sonst so auf den Video-Markt geschleudert wird, ist das hier mehr als nur einen Blick wert. Mit so bescheidenen Möglichkeiten noch echte Furcht zu erzeugen, ist eine Seltenheit geworden.

6,5 von 10 ängstlichen Blicken in den Seitenspiegel

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