Review: PROXY - Ein Hauch von Hitchcock



Fakten:
Proxy
USA, 2013. Regie: Zack Parker. Buch: Kevin Donner, Zack Parker. Mit: Alexa Havins, Alexia Rasmussen, Kristina Klebe, Joe Swanberg, Erika Hoveland, Adam Stephenson, Bruce Spielbauer, Rachel Illingworth u.a. Länge: 122 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Esther hat nach einem brutalen Überfall ihr ungeborenes Kind verloren. In einer Selbsthilfegruppe trifft sie auf Melanie, die ebenfalls um ihr Kind trauert. Die beiden Frauen freunden sich an, Esther findet etwas Halt in der Nähe von Melanie. Dann stellt sie durch einen Zufall fest, dass Melanie sie die ganze Zeit belogen hat: Ihr Sohn ist quicklebendig, sie führt ein ganz normales Familienleben. Esther fast einen Endschluss, der eine fatale Kettenreaktion hervorruft.







Meinung:
Independent-Regisseur Zack Parker wagt bei „Proxy“ einiges, wobei sicherlich nicht alles funktionieren will. Trotzdem gelingt ihm etwas, was man in letzter Zeit sehr selten erlebt hat: Sein Film schürt nicht nur völlig andere Erwartungshaltungen über den Inhalt, ja sogar sein Genre, er schafft es durchgehend komplett unvorhersehbar zu sein und somit trotz eines sehr behäbigen Tempos und so manchen Durststrecken doch eine gewisse Spannung zu generieren, Überraschungen sowieso.


Zu zweit trauert es sich viel angenehmer.
Nach einer, gerade für (angehende) Eltern, erschütternden Eröffnungsszene entwickelt sich ein Plot, der mehrfach Haken schlägt, die so wohl keiner auf dem Zettel hätte. Von Twists mag man gar nicht unbedingt sprechen, zumindest nicht von dem, was heutzutage unter diesem Begriff so verstanden wird. Parker erzählt nicht etwa eine herkömmliche Story und klatscht da eine überraschende Wendung dran, er spielt durchgehend sehr bewusst mit der Erwartungshaltung des Publikums, lässt es bis zum Schluss ziemlich im Dunkeln tappen, worauf er am Ende hinaus will. Ihm scheint es sichtlich Freude zu bereiten, gegen gängige Sehgewohnheiten zu feuern, was natürlich nicht ganz ungefährlich ist. Zugegeben, „Proxy“ ist zeitweise auch etwas schwierig zu konsumieren und macht in seinem Vorhaben auch nicht alles richtig. Allein die Laufzeit von 122 Minuten ist deutlich zu viel, erzählerische Länge dadurch unvermeidlich. Eine gewisse Ausgiebigkeit macht schon Sinn, speziell zu Beginn, um den einen, kleinen Knalleffekt nicht seiner Wirkung zu berauben. Spoilern ist selbstverständlich tabu, ganz besonders hier. Keine Sorge, es wird nichts verraten, nur ein kleiner Vergleich: Ein ganz leichter Hitchcock-Touch lässt sich „Proxy“ kaum absprechen, besonders in Bezug auf diesen Moment. Spätestens dann hat einen dieser leicht sperrige Film hier plötzlich an den Eiern. Sie sind nicht im Schraubstock, aber er kitzelt sie und nun möchte man – leicht vor den Kopf gestoßen - wirklich wissen, was wohl noch passieren könnte.


Gut, dass die Amis immer das passende Werkzeug im Haus haben.
Rein handwerklich ist das Ganze ohnehin erstaunlich gelungen. Für eine Produktion seiner Kragenweite sieht „Proxy“ ganz schick aus, kann auch aufgrund der Inszenierung einige Suspense-Momente kreieren, die nicht selbstverständlich sind. Ein breit gefächertes Publikum wird er aber keinesfalls ansprechen, dafür geht er einfach nicht konform genug, was natürlich beabsichtigt und genau genommen ja sogar seine Stärke ist. Gerade ein Horrorfilm sollte auf keinen Fall erwartet werden, was beim Blick auf Cover (nicht zu Letzt wegen der Freigabe ab 18 Jahren) und Inhaltsangabe eigentlich naheliegend wäre. Damit hat das Endprodukt praktisch nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen Hybrid aus Psychothriller, Drama und sogar Satire, wobei nichts davon eindeutig als Genrebezeichnung zu nutzen ist. Sogar am Ende ist man ratlos, in welche Schublade der Film einzuordnen ist. Das will er klar vermeiden und ja, das gelingt ihm zweifellos. Damit verweigert er sich gleichzeitig einem flächendeckenden Publikum und wohl auch viel Zuspruch. Nicht selten werden bei vielen Zuschauern die Worte „langweilig“, „unlogisch“ oder „verwirrend“ fallen, was alles zu einem gewissen Grat auch verständlich ist. Zumindest „verwirrend“, da der Film sich erlaubt, gewisse Dinge nicht haarklein zu erklären, sogar sehr gezielt auszusparen, was allerdings gar kein schlechter Zug ist. Hier muss sich öfter mal selbst ein Reim darauf gemacht werden, wieso, weshalb und warum gewisse Dinge so stattfinden. „Unlogisch“, gut, einige Details sind auch dann nicht gänzlich schlüssig, was aus Spoilergründen nicht näher an dieser Stelle diskutiert werden kann. Hundertprozentig rund ist das Gesamtprodukt eindeutig nicht und ehrlich gesagt, er kann schon recht zäh an etlichen Stellen werden. Aber dafür ist hier mal bis zum Ende nichts in trockenen Tüchern, was so auch mal ganz interessant ist.


„Proxy“ direkt einem Zuschauer zu empfehlen ist, ähnlich wie der Film selbst, nicht so einfach und definitiv gewagt. Prognose: Ungewiss. Dafür steht der zu sehr zwischen den Stühlen, bietet deutliche Macken und ist eindeutig auch kein Arthousefilm, was er wohl gerne – zumindest unter vorgehaltener Hand – sein würde. Er ist aber so mutig, zum Teil toll gemacht und eben eine überraschende Abwechslung im genormten Einheitsbrei, dass man ihm kaum bis gar nicht ein gewisses Etwas absprechen kann. 

6 von 10 Badetagen


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