Fakten:
Sie leben! (They Live)
USA, 1988. Regie: John Carpenter.
Buch: John Carpenter, Ray Nelson (Vorlage). Mit: Roddy Piper, Keith David, Meg
Foster, George „Buck“ Flower, Peter Jason, Raymond St. Jaques, Jason Robards
III, John Lawrence, Susan Barnes, Sy Richardson u.a. Länge: 95 Minuten. FSK:
Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Rumtreiber Nada ergattert einen Job
auf dem Bau. Eines Abends belauscht er das Treffen einer kleinen Untergrundgruppierung,
die über eine scheinbar riesige Verschwörung debattieren. Kurz darauf folgt ein
großangelegter Polizeieinsatz, das Arbeiterlager wird rücksichtslos
aufgemischt. Nada entkommt, nimmt vorher allerdings einige Sonnenbrillen an
sich, die „die Wahrheit“ aufzeigen sollen. Und tatsächlich: Sobald Nada durch
deren Gläser schaut, offenbart sich ihm die unglaubliche Realität…
Meinung:
„They Live. We Sleep.“
Mit der Karriere von John Carpenter ging es nach seinem urigen Debütfilm „Dark Star“ steil bergauf. Zwischen 1976 und 1982 entstanden gleich fünf zeitlose Genre-Klassiker, eine irrsinnige Ausbeute. Nach „Das Ding aus einer anderen Welt“ kam der leichte Einbruch. Natürlich war klar, dass Carpenter unmöglich dieses sagenhafte Niveau konstant halten würde und lange Zeit blieben die Werke weit entfernt von misslungen, doch irgendwie veränderte sich sein Schaffen ab diesem Punkt. Speziell um die Filme von Mitte bis Ende der 80er – „Big Trouble in Little China“, „Die Fürsten der Dunkelheit“ und eben „Sie leben!“ – entwickelte sich ein ganz eigener Kult, der nicht unbedingt auf eine neutrale Betrachtung ihrer filmischen Qualität zurückzuführen ist. Ganz nüchtern gesehen: Irgendwie sind die alle recht cheesy, jeder auf seine Art. Mit der einstigen Brillanz seiner Erstlingswerke hatte das nur noch wenig zu tun, dennoch schaffte es ausgerechnet aus diesem Trio eigentlich immer einer, das Herz der Fans ganz individuell zu gewinnen (persönlicher Favorit des Autors: „Die Fürsten der Dunkelheit“).
Sie sind hier...und trinken Bier. |
„Sie leben!“ ist einer dieser Filme, die – auch eventuell
aus der eigenen, nostalgischen Erinnerung heraus – heutzutage stark kultisch
verklärt wirken. Seinen Reiz will und kann man ihm dabei nur schwer absprechen,
doch nimmt man mal die Fan- und Retro-Brille ab, ereilt einen der gleiche
Effekt wie Protagonist Nada im Film, halt nur andersherum: Die Realität holt
einen ernüchtert auf den Boden zurück, auch wenn die Konsequenzen nicht ganz so
fatal sind. Das ist selten schön, aber so einem Realitäts-Check muss dann auch ehrlich
ins Gesicht geschaut werden. Carpenter’s alte Klasse und sein unverkennbarer
Stil durchzieht diese Mischung aus Hommage an das Sci-Fi-Invasion-Kino
vergangener Tage, grobschnittiger (erschreckend zeitloser) Auf-die-Zwölf-Kritik
auf Konsum- und Kapitalismuswahn und (damals) zeitgemäßen Buddy-Movie mit
Proll-Ästhetik absolut, ändert nur an der leider recht klumpigen Konsistenz
nicht viel. Nach wie vor toll und nur knapp unter dem gewohnten Level liegt der
typische Carpenter-Score, zu dem die Light-Version von Kurt Russell – der
damalige On/Off-Wrestlingstar „Rowdy“ Roddy Piper – die Bühne betritt. Dabei
gibt der gar keine so schlechte Figur ab, darstellerische Fähigkeiten werden
ohnehin nicht über Gebühr verlangt. Der kanadische (NICHT schottische) Haudegen
kann die geforderte, hemdsärmelige Präsenz mitbringen, die seine Rolle als
wackerer Working-Class-Hero und letzte Instanz des echten American-Dream
erfordert. Gerade in der ersten Hälfte macht „Sie leben!“ doch einiges her,
solange die getarnte Bedrohung und Sklaverei noch nicht gänzlich gelüftet ist
bzw. sie sich gerade offenbart. Besonders clever oder gar subtil ist das
selbstredend nicht, dafür schön biestig und atmosphärisch sehr solide. Mit
längerer Laufzeit geht dem nicht nur trashig angehauchten Spektakel dann
zusehend die Puste aus.
Kein Kaugummi, sonst alles dabei. |
„Ich dachte ich komm mal vorbei,
kaue Kaugummi und trete ein paar Leuten in den Arsch. Ich hab leider kein Kaugummi!“
„Sie leben!“ ist zwar ein
charmanter und absolut markanter Film, deshalb aber noch lange nicht wirklich
gut und erst recht nicht der große Hit, an den man sich heute mit Blick auf
gestern gerne romantisch erinnert. Von allem etwas und nichts so richtig. John
Carpenter schien hier sein Pulver schon verschossen zu haben, bis er Jahre
später mit „Die Mächte des Wahnsinns“ nochmal deutlich zeigen sollte, wo der
Hammer hängt. Danach hat er ihn leider auch endgültig verlegt…
5,5 von 10 Armbanduhren mit
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