Review: ICH KÄMPFE UM DICH - Liebe, Mord und Psychoanalyse


Fakten:
Ich kämpfe um dich (Spellbound)
USA, 1945. Regie: Alfred Hitchcock. Buch: Ben Hecht, John Palmer & Hilary St. George Sanders (Vorlage). Mit: Ingrid Bergman, Gregory Peck, Michael Chekhov, Leo G. Carroll, Rhonda Fleming, John Emery, Norman Lloyd, Bill Goodwin, Steven Geray, Donald Curtis u.a. Länge: 111 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Dr. Constance Peterson, Psychoanalytikerin einer angesehenen Klinik, verliebt sich unsterblich in ihren neuen Chef, Dr. Edwards. Bald stellt sich jedoch heraus, dass der echte Dr. Edwards tot und dessen Platzhalter ein traumatisch gestörter Mann mit Amnesie ist, der selbst glaubt, Edwards ermordet zu haben. In dem Glauben, das ihr Geliebter unschuldig oder zumindest nicht schuldfähig ist, flüchtet Constance mit ihm, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen.


                                                                                       



Meinung:
„Spellbound“  - der theatralische, schreckliche deutsche Titel verbittet sich ernsthaft – stellt abermals Alfred Hitchcock’s unglaubliche Fähigkeiten als Regisseur unter Beweis, gerade da die Geschichte nur ein zwar unterhaltsamer, dennoch völlig überkonstruierter Quatsch mit Soße ist. Dafür mit edler Hitchcock-Soße, die alles in der Qualität nach gehobener Thriller-Küche schmecken lässt.


Liebe ist...dem Partner auch mal die Meise wegzutherapieren.
Eine gewiefte, von praktisch allen männlichen Mitspielern früher oder später als „blasiert“ titulierte Psychoanalytikerin (groß: Ingrid Bergman) verfällt schwupsdiewups einem charmanten Betrüger (eher blass, dennoch mit Charisma: Gregory Peck), wirft jegliche, berufliche Intelligenz über Bord und versucht krampfhaft, auf der gemeinsamen Flucht vor der Justiz die Unschuld ihres Herzbuben zu entschlüsseln. Angekündigt als Thriller mit Bezug auf den freudschen Ansatz der Psychoanalyse tut dieser Film besonders clever, ist aber kaum mehr als hervorragend inszenierter Unfug. Das Skript ist grundsätzlich interessant, dabei unfassbar naiv und für ein wohl leicht zum Erstaunen zu bringendes Publikum Mitte der 40er zusammengebastelt, da rollt man dezent mit den Augen. Dafür kann ein Hitchcock wenig bis gar nichts, kitzelt aus dem Waschküchen-Mumpitz das Optimum heraus. Mit teils spektakulären, wegweisenden und visionären Frames gaukelt er große Klasse vor oder versucht vielmehr, das drollige Skript aufzuwerten. Das gelingt ihm erstaunlich gut. Spannend ist die Suche nach der Identität des Unbekannten, keine Frage. Hitchcock verschwendet wie gewohnt keine Zeit und weis dem Film einen sehr flüssigen, stimmigen Drive zu geben, sorgt an den richtigen Stellen für kleine Höhepunkte und kann am Ende doch noch mit Überraschung auffahren, die man nicht unbedingt erwartet hätte. Würde der Film nicht das Thema der Psychoanalyse so in den Mittelpunkt stellen, wäre die brüchige Psychologie wohl auch relativ nebensächlich. Wenn man mal ehrlich ist, bei Hitchcock war dies häufiger eher dünnes Eis und wurde gerne schlicht für einen Spannungsfilm „missbraucht“. Hier wird es mitunter schon etwas albern, von kuriosen „Therapiemethoden“ bis hin zu einer Traumdeutung, die innerhalb weniger Minuten erfolgt und auf deren sehr spekulativen Resultaten und an den Haaren herbeigezogenen Schlussfolgerungen basierend man des Rätsels Lösung natürlich einen riesigen Schritt näher kommt. Bei aller Liebe, das ist schon heftigster Schmarn.


Zu ernst sollte „Spellbound“ aufgrund dessen lieber nicht genommen werden und zählt auch sonst nicht unbedingt zu den stärksten Werken des Meisters. In Anbetracht der konstanten Qualität von Hitchcock ist das allerdings auch kein Beinbruch, da hier die Fehler sowieso nicht bei ihm, sondern eher beim Skript liegen. Die blödsinnige Analytiker-Logik für 12jährige sollte man beherzt ausklammern und sich lieber an der feinen Handwerkskunst des Regisseurs erfreuen. Die reicht auch vollkommen aus, um sich den Quark genüsslich schön zu gucken. Eine Kunst, die nun wirklich nicht jeder beherrscht(e). Der gute alte Alfred so mühelos und selbstverständlich, dafür muss man ihn einfach lieb haben.

6,5 von 10 Spuren im Schnee

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen