Review: TAUSEND TAKTE ÜBERMUT - Triste Unterwerfung an der Adria



Fakten:
Tausend Takte Übermut
BRD. 1965. Regie: Ernst Hofbauer. Buch: Hans Billian. Mit: Vivi Bach, Rex Gildo, Hannelore Aurer, Thomas Adler, Gus Brackus, Gunther Phillipp, Margitta Scherr, Edith Hancke, Fritz Benscher, Kurt Liederer, Edelgard Stössel, Harry Hardt, Fritz Korn, Ady Berber u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Aktuell nicht auf DVD erhältlich.


Story:
Um ihre Plattenfirma vor dem Ruin zu retten, reisen der Firmenanwalt Peter Holt und sein Freund Manfred an die Adria. Sie suchen das Hotel Las Vegas auf, um die erfolgreiche Sängerin Sherry unter Vertrag zu nehmen. Dort geht es reichlich merkwürdig zu.





Meinung:
Hierbei handelt es sich um eine weitere MusicHouse-Produktion aus der Feder des uns altbekannten Hans Billian, die wieder mal an der Adria spielt. Zudem sitzt Ernst Hofbauer, meisterhafter Inszenator des 'HOLIDAYS IN ST. TROPEZ', am Ruder und das lässt ja schon mal ordentlich hoffen, ein bisschen mehr Energie geliefert zu bekommen, als bei Lothar Gündischs Pseudo-Zwilling 'KOMM MIT ZUR BLAUEN ADRIA'. Aber es ist ein deutlich zweischneidiges Schwert geworden, das den Schlager-Anteil deutlich nach oben schraubt, dafür aber die Gag-Rate noch tiefer ansetzt. Zwar kann man sich an einigen irrwitzigen Einzel-Einfällen und einem weiterhin eklektischen Cast erfreuen, doch dafür ist der allgemeine Plot weit lustloser ausgefallen, als man vermuten wollen würde. Und sowieso wird hier ganz haarscharf die spießigste Geschlechter-Kurve angefahren, denn einerseits sind die Herren der Schöpfung hier weit Macho-schleimiger zu Gange als sonst, aber gleichzeitig gehören die 'TAUSEND TAKTE ÜBERMUT' zum sexuell-aggressivsten Vertreter des Genres.

 
Dem Hahn im Korb sind selbst eine Millionen Takte Übermut ziemlich egal
Bevor wir jene einzelnen Faktoren ein bisschen näher beleuchten, hier erstmal wieder die Synopsis für die jeweiligen, verstrickten Liebespärchen: dem Schallplatten-Produzenten Manfred Reiner (Thomas Alder) von der Plattenfirma Melodia droht der Verlust des Jobs, nachdem sein neuer Coup mit Elke Sommer nicht gelang (übrigens wird ihr Lied 'Oh, I Love You' von Hofbauer ganz souverän und meta-behaftet in einem Film-Studio eingefangen, wo sie für die Kameras singt und ihr Antlitz sogar im Spiegel der Linse aufgenommen wird - solch eine vierte-Wand-durchbrechende Maßnahme wird vom Film zwar später nicht mehr unternommen, dafür entlarvt er offen seine Sex-Mechanismen). Drum wird er auf Dienstreise an die Adria geschickt, um dort die Schlager-Sensation Sherry Davis (Hannelore Auer) zu engagieren, die übrigens gerade wieder single und damit heiratsfähig geworden ist, wie Reiners Kollegen ihm versichern. Da sagt er nicht nein, hält er sich doch für den fähigsten Casanova weit und breit, der solche Frauen immer erst Desinteresse vorheuchelt, damit sie sich ihm um den Hals werfen - klingt ekelhaft, hat aber leider schon etwas Erfolg im Verlauf, auch wenn diejenige, mit der er letztendlich anbandelt, drauf und dran ist, ihm das irgendwann auszutreiben. Ja, denn auch wenn er die stürmische Sherry so in Rage versetzt, dass der lieben Frau Auer in einer Szene schon das Handtuch von den Brüsten rutscht (nur für ein paar Frames, aber immerhin), hat sie nur Augen für ihren gelackten Ex-Ehemann Rick Tanner (Rex Gildo), der ebenfalls bei denselben Bungalows wie sie Urlaub macht und ab und an ein paar Gesangs-Nummern bei Abendessen unter die Gäste bringt, sogar mit ihr zusammen im Duett. Tja, auch wenn Hannelore Auer in diesem Film ein weit schmeichelhafteres Make-Up als beim anderen Adria-Streifen benutzen darf, kommt der sonstige, gewitzte Charme ihrerseits noch weniger raus, was man aber auch dem Handlungsverlauf zur Last legen muss, der die forcierte 'Verachtung'/Umwerbung Reiners letztendlich scheitern lässt und stattdessen dem Ex-Ehepaar ein paar 'fröhliche', harmlose Stunden in Venedig beschert. Da aber dort die Straßen meist verregnet sind und auch sonst nur komische Statisten im Publikum abhängen, sind die Gesangsnummern der Beiden ganz im biederem Schlagerparaden-Look zwar schwelgerisch im Text, aber einfach nur unstimmig und trist anzuschauen - selbst wenn da zufällig Klaviere auf den Straßen stehen: wenn die Auer davon redet, endlich mal 'das schöne Gefühl' herbeizusehnen, 'von einem Mann unterworfen zu werden', sträuben sich dem Zuschauer die Nackenhaare. Soll aber vielleicht auch Absicht sein, so uncharmant diese ganze Vorstellung ja rüberkommt.


1965 gab's noch keinen "Jaws", da war das Baden im Meer noch schön
Das gibt eine schöne Überleitung zum Manager jenes Hotels an der Adria, genannt 'Las Vegas', um das es im zweiten Hauptplot geht: Theodor Rassel (Fritz Benscher) berechnet für jede Extra-Zulage unnötige 1000 Lire pro Tag, aber verlangt gleichsam von seiner Telefonistin Gerti Brückner (Vivi Bach), dass sie mit ihm ausgeht. Für sie ist der Kerl nur ein blankes 'Ekel' und das beweist er weiterhin ganz gut mit Drohungen des Rausschmiss, währenddessen verliebt sie sich in Reiners Kollegen Peter (Kurt Liederer), der sie vor einem Haufen anbaggernder Italiener rettet (wieder mal dieses klischeehafte Bild vom aufdringlichen Ausländer - naja, so sind aber eben die Film-Männer bei einer schönen Film-Frau. Auch ein Klischee, aber im Grunde recht universell). Damit sie aber nicht von ihrem Chef erwischt wird, gibt sie sich als Playgirl unter dem Namen Michaela Andreas (Margitta Scherr) aus, eine Gästin im Hotel, die ebenso aus einem ganz bestimmten Grund da ist. Es ist nämlich so, dass der eigentliche deutsche Boss der Hotelkette, Robert Hilman (Harry Hardt), die Verbindung seines in Amerika geschulten Sohnes Frank (sie werden es schon erraten haben: GUS BACKUS) mit dem sogenannten Mauerblümchen, dass er nur vom Hörensagen als Arbeitskraft seiner Firma kennt, nicht duldet. Drum inszeniert Frank eine kleine Verschwörung, bei er seine Liebste Michaela als reiche Dame an der Adria ausgibt, da der Zufall gerade auch günstiger Weise seinen Vater dorthin beordert, der ganz gemäß der RTL-Sendung 'UNDERCOVER BOSS' mal das Management auschecken möchte. So soll sie ihrem zukünftigen Schwiegervater von ihren schlagfertigen Qualitäten überzeugen und die kommen schnell zum Einsatz, als Manager Rassel ihn nicht als Chef erkennt und ihn nur billig abfertigen will, während der aufgeblasene Hallodri Felix Glücklich (Gunther Philipp) bei seinem mondänen Gehabe für Boss Hilman gehalten wird. Philipp bringt übrigens ein bisschen dringend nötigen Honk-Humor in die Sache mit rein, kommuniziert er doch hauptsächlich mit Pfiffen, geht mit seiner übertrieben-mitgebrachten Sportausrüstung so tollpatschig um, dass er Rassel aus Versehen einen Medizinball auf den Schädel donnert und gibt durchweg den großen Bagarozy, dem ja aufgrund seines Status alles erlaubt ist, sodann mit drei heißen Bikini-Girls vom Hotel Wasserski-Fahren geht und dabei auch mal ins Wasser plumpst. Aber wehe, seine Gattin Ernestine (Edith Hancke) lässt sich blicken, dann ist er wieder ganz das eigentliche reumütige Würstchen - in dieser Beziehung hat die Frau wieder die Hosen an, das muss man Billian lassen.




Zwischen all diesen Parteien kommt es jedenfalls, wie es immer kommen muss: reichlich Verwechslungen und Eifersuchtsanfälle, verdrehte Liebschaften und eventuelle Offenbarungen wahrer Identitäten und Sehnsüchte. Für die Melodia-Kollegen geht die Sache erfolgreich aus, kriegen sie doch Tanner unter Vertrag, dem noch immer die Rechte zustehen, für seine (Ex-)Gattin mit zu unterschreiben. Das gefällt ihr zwar gar nicht, aber sie lässt's freudig geschehen, weil sie ja 'endlich mal unterworfen wird'. Bezeichnenderweise leitet ab diesem Zeitpunkt zum zweiten Mal der schon zuvor verwendete Auftritt von der in ein lumpiges Oma-Gewand gehüllten Peggy March mit ihrem desillusioniert-melancholischen 'Mit siebzehn hat man noch Träume' ein - da diese Einlage sonst keinen Sinn macht, gehe ich mal davon aus, dass die Beziehung zwischen Rick und Sherry nochmals keine besonders glückliche sein soll. Zwischen Peter und Gerti siehts da besser aus, denn der akzeptiert sie auch ohne den Status des reichen Playgirls. Komplizierter sieht es aber da zunächst mit Frank und Michaela aus: nachdem er sich einen Tritt in die Eier einhandelt, da sich Gerti unter Michaelas Namen in ihrem Hotelzimmer einquartiert hat, versteht er die Welt nicht mehr - erst recht, als Herr Glücklich zum Schluss hin die falsche Zimmernummer aufruft und vor einer halbnackten Michaela, frisch aus der Dusche (passiert zuvor schon einmal, als Reiner Sherry auf dieselbe Art überrascht und dabei meint, sie wäre in seinem Bungalow), sowie einem jüngst eintretenden Frank steht. Das jedoch bringt eine urig-chaotische Verfolgungsjagd in Gang, bei der Felix Glücklich von Frank und einem fetten Portier wie Marky Mark in 'TRANSFORMERS 4' durch verschiedene Stockwerke, Balkone und Zimmer gejagt wird, bevor er sich endlich eines seiner Fahrräder schnappt und die Treppen runterradelt. Gar nicht mal so ungefährlicher, ungedoubleter Körpereinsatz von Gunther Phillip übrigens, alle Achtung. Der landet sogar in einem Obstwagen und rast damit am Strand entlang, zischt einem Badegast damit sogar offensichtlich viel zu hart die Birne entlang. Das actionreiche Highlight des Films, das schließlich dadurch aufgelöst wird, dass Franks ominöse Vermutungen über seine 'schlampige' Michaela von allen Seiten aufgedeckt werden und beide nun doch den Segen des überzeugten Papas erhalten.


1000 Takte Wut und die Vase muss es ausbaden
Ende gut, alles gut - wenn auch durchweg mit Frust und Missvertrauen gepflastert. Nicht so ganz das amüsante, luftige Verwirrspiel der Liebeleien wie sonst so. Mag 'realistischer' sein von der zornigen Gefühlslage her, aber im Rahmen solch eines Films einigermaßen befremdlich. Erst recht, wenn man bedenkt, wie urkomisch und random die vielen Schlagersongs in die Handlung eingearbeitet wurden. Ich will ja nicht zuviel dem Uneingeweihten verraten, deshalb gebe ich erstmals eine ordentliche *SPOILER-WARNUNG* raus. Also, wisst ihr noch, als Frank von seinem Vater eine Abfuhr bezüglich seiner Liebe zu Michaela erhielt? Nun, sobald er in ein beliebiges Taxi steigt, entpuppt sich der Fahrer als Manfred Schnelldorfer (!), der sofort seinen Liebeskummer erkennt, dafür ihm sodann das schwelgerische 'Deine schönen blauen Augen' vorsingt, als wäre man in einer beklemmenden Gay-Panic-Szene à la Adam Sandler gelandet. Kommt irre bekloppt, aber immerhin gibt Backus ihm Extra-Trinkgeld, weil er ja so schön gesungen hat - niedlich! Gus Backus revanchiert sich später beim Gesangs-Karma (und stellt zusätzlich seine Sexualität klar), als er nach dem Telefonat bei einer Bar eine sich ausziehende Damen-Silhouette am Fenster hinter ihm erblickt und urplötzlich 'Open the window' singt und wünscht SPOILER-WARNUNG ENDE.


Doch das war eben schon alles Aufsehenerregende, was es zu diesem eher mittelmäßigen Hofbauer-Film zu sagen gibt. Zu sehr hemmen die unterwerfenden Beziehungs- und Geschlechter-Verhältnisse das sonnige Gemüt und erst recht die leichtfüßige Anarchie, welche die besten Vertreter jener Produktionen auszeichnete. Klar steht der Sex wieder an vorderster Stelle und auch das Urlaubs-Flair kommt optisch nicht zu kurz - doch irgendwie fehlt hier besonders die treffsichere Energie und das Kasper-artige Ambiente seines sonst so aufgelockerten Ensembles. Dennoch kann man sich für einige gelungene Sketch-Einlagen und besonders die zahlreichen, teils gewohnt-blödelig eingebauten Schlager-Sequenzen erfreuen, auch wenn der Dialog zunehmend chauvinistischer und zynischer von statten geht, als dass es die Heiterkeit fördern könnte. Was bleibt, sind vielleicht noch immer irgendwo tatsächlich 'TAUSEND TAKTE ÜBERMUT', aber viel zu oft wird ein ernüchternder Moll-Ton getroffen, als ob man zwischendurch mal das Genre ein bisschen fertig machen wollte. Gerade jener aufklärerische Ansatz würde aber dem Ganzen irgendwo seine ehrliche Schwachsinnigkeit rauben und beißt sich dann doch wieder zu sehr mit der entwaffnenden Freimütigkeit anderer Werke des Autoren in diesem Feld. Klar werden hier den meisten Frauen ihre persönlichen Entscheidungen zugesprochen und die Männerwelt lächerlich gemacht, auch was das sadomasochistische Pärchen Rick und Sherry betrifft. Aber es sitzt nicht immer ganz so richtig und kann viel zu sehr für die spießige Mentalität eines 50er-Jahre-Schlagerschwanks gehalten werden. Nicht ganz so geschickt gelungen, aber für Komplettisten der MusicHouse-Filmreihe schlicht unverzichtbar.


5,5 von 10 Rex Gilden


vom Witte

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