Review: KOMM MIT ZUR BLAUEN ADRIA - Das Vergnügen, von Damen zu lernen



Fakten:
Komm mit zur blauen Adria
BRD. 1965. Regie: Lothar Gündisch. Buch: Hans Billian. Mit: Hannelore Auer, Dietmar Schönherr, Maria Brockerhoff, Thomas Adler, Margitta Scherr, Gustavo Rojo, Fritz Benscher, Sadie Mertzger, Johanna König, Ruth Stephan. Manfred Schnelldorfer, Uschi Humoth u.a. Länge: 93 Minuten.  FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Aktuell nicht auf DVD erhältlich.


Story:
Statt zu arbeiten, vergnügt sich der Modellzeichner eines Bademodenfabrikanten an der Adria. Und statt eines Trailers (den wir nicht gefunden haben) zeigen wir euch ein Katzenvideo.




Meinung:
Zu Ehren des jüngst verstorbenen Dietmar Schönherr kam ich nicht umhin, mir diese launige Schlager-Klamotte direkt von der Adria (Drehort: Costa del Sol) anzusehen, erst recht da das Drehbuch erneut von meinem liebsten Autoren jenes Genres, Hans Billian, stammt. Und auch so bekannte Gesichter aus der Zeit, wie Hannelore Auer, Margitta Scherr, Manfred Schnelldorfer und einmal auch Vivi Bach (Ehefrau Schönherrs ab 1965, dem Entstehungsjahr dieses Films), lassen sich blicken, geben den ein oder anderen, schnulzigen Hit zum Besten. Für mich als Experten dieser Film-Sparte stellt dieser Streifen hier zwar einen der schwächeren Exemplare dar, da er hauptsächlich als geradlinige Liebeskomödie funktioniert, die weit hergeholten Schreibkünste beim Schlager-in-die-Handlung-Einbinden leicht minimiert wie auch die verschiedenen Subplots, die letzten Endes immer auf die wundersamste Weise miteinander verbunden werden. Dennoch darf man sich zeitweise auf einige Ulkigkeiten am laufenden Band sowie auf eine Menge platt-angezogenen (einst riskanten) Sex-Appeal freuen, wie es sich für Schreiberling Billian gehört.

 
Endlich frei sein!
Das fängt schon bei der Ausgangslage des Plots an, in welchem der Modellzeichner Walter Thomas (Schönherr), im Einsatz beim titelgebenden Urlaubsziel-Paradies, in finanzielle Engpässe gerät, da sein Boss in Deutschland, Textilien-Fabrikant Hugo Becker (Fritz Benscher), nicht mehr auf die neuesten Bikini-Entwürfe warten kann und solange nichts mehr vorpumpt, bis Ergebnisse geliefert werden. Walter, von Anfang an schon als schlacksiger Casanova dargestellt, kommt trotzdem über die Runden, solange er zwischen seinen zwei Damen - 1.) seine Begleitung Ingrid (Hannelore Auer) und 2.) die Tochter jenes Hotelbesitzers, bei dem er nun nicht mehr einquartiert bleiben kann, Tina (Margitta Scherr) - hin- und herpendelt, was die jeweilige Liebhaberin natürlich höchst eifersüchtig macht und in Ingrids Fall besonders bitter aufstößt, da sie die Hotelrechnungen mit Sanges-Einsätzen in der Hausbar begleichen muss. Währenddessen ist im Hause Becker der Teufel los, da Tochter Renate (Maria Brockerhoff) von ihrem Internat ausgerissen ist, um Urlaub an der...na?....Adria (natürlich) zu machen. Drum werden gleich zwei Leute in Beckers Auftrag ebenso dahin geschickt: der verhaltene Prokurist Heribert Kindlein (Thomas Alder), welcher die Anstrengungen Walters in Frauenkleidern ausspionieren soll, sowie der strahlende Millionär Sr. Hernandez di Castillo (Gustavo Rojo), der um die Hand von Renate anhalten will, nachdem er beim Anblick ihres Fotos zweimal hintereinander den Rahmen mit seinen Händen gesprengt hat. 'Zweimal' bedeutet in diesem Fall: Running Gag - und davon hat der Film so einige zu bieten. Da wäre einmal jener ältere Herr, der Kindlein in seiner Verkleidung so überzeugend und scharf findet, dass er ihm den Hof machen will und zu den ungünstigsten Momenten auftaucht - dafür bei der unausweichlichen Offenbarung des Geschlechterspiels einen hämischen Golfball vom Film in den Mund geschossen bekommt. Erwähnt sei dabei auch jenes surreales Vorkommnis, bei dem Kindlein seinen Verfolger, mit einer kleinen Hunde-Figur in der Hand, durch Gebell aus seinem eigenen Mund in die Flucht schlägt.


Immer schön lächeln
Den Hauptanteil an Lachern liefert aber (besonders anfangs) Vater Becker selbst, der scheinbar ohne Brille ein regelrechter Mr. Magoo ist und sich zudem des Öfteren freudianisch im Wortschatz vertut. Beispiele gefällig? Ihm wird ein Mannequin vor die Augen gestellt, er hält es für seine Sekretärin Fräulein Habicht (Ruth Stephan) und fragt 'In was für einem Fahrstuhl...äh, Aufzug laufen sie denn hier rum?'. In der Verwechslung packt er auch zunächst sie anstelle der Puppe zum Wegpacken an. Und soll er mal den Hörer seines gelben Telefons abnehmen, greift er ausgerechnet zur Banane, die zufällig daneben liegt. Wer sowas ins Drehbuch schreibt, kann kein schlechter Mensch sein. Denn Billian, späterer Erotik-Spezialist, präsentiert hierin auch ein ironisches Mannsbild, das nichts ohne seine Nächste (=Habicht) gebacken kriegt und darin wohlgemerkt sein Glück findet. Das gilt gleichfalls für unsere Charaktere an der Adria, die zwar alle irgendwann dem gegenseitigen Frust verfallen - aber zumindest am Ende des Tages doch noch den passenden Partner finden, wobei die Damen allen am Ehesten auf die Sprünge helfen. Halten wir das mal ein bisschen chronologisch fest: da Walter aus dem voll ausgebuchten Hotel verbannt wird, muss sich Spion/in Kindlein ein Zimmer mit Ingrid teilen, die bis dahin nur seine feminine Seite sieht und ihm Einblicke gewährt, die nicht jedem so einfach erlaubt sind (bezeichnender Schlüsselmoment, ganz nach dem Autor: Ingrid liegt beim Sonnen auf dem Bauch, lediglich mit einem Handtuch am Gesäß, da sie ja glaubt, 'unter Frauen' zu sein). Walter ohne Bleibe hingegen, der zwischendurch in Schiffsruinen ein wehmütiges Lied von 'Don Juan' zum Besten gibt, bekommt von seiner Tina den Tipp, sich in der leerstehenden Villa Paradiso einzuquartieren. Dort jedoch versteckt sich im großen Bett, ihm unbemerkt, schon die Quasi-Besitzerin des Ladens, Renate! Hinzu kommt, dass Tina, Ingrid und Kindlein ihm dahin folgen und in flagranti erwischt haben zu glauben!


Spaß in der Wanne und im Gesicht
Nun lösen sich die früheren Liebhaber von Walter, aber beim Eintreffen der Polizei setzt er alles daran, Renate aus der Patsche zu helfen, da er glaubt, sie wäre ebenso ein armer Vogel wie er. Das Spiel macht sie mit und erobert sein Herz. Da dadurch aber auch Kindleins Schwindel mit der Damenwäsche-Spionage auffliegt, ist Ingrid ihm gegenüber doch etwas groggi, doch dabei gibt er ihr zu, sich in sie verliebt zu haben. Von diesem Geständnis doch imponiert, lässt sie sich ebenso zu einer Maskerade hinreißen und schüchtert ihn als ihre eigene Oma ein. Doch daraufhin steigt sie auf die Bühne und stimmt in der schönsten Szene des Films einen gewitzten Striptease sowie das optimistische Lied 'Einmal wird die Sonne wieder scheinen' an, bei dem unser Kindlein durch seelische Belohnung wieder ordentlich Mut fasst und allmählich seine Schüchternheit ablegt. Frauen kriegen sowas halt hin!
Währenddessen kommt aber Di Castillo ins Spiel und hegt natürlich Heiratsgefühle für Renate, die jedoch beim Besuch seiner Yacht 'dankend' ablehnt. Vielleicht hätte er sie nicht mit Sekt zuschütten sollen, wie es ihr bei ihrem baldigen Reichtum zustehen würde und auch die Frage, ob sie ihre zukünftigen Kinder echt oder künstlich ernähren sollen (?), hätte nicht unbedingt sein müssen. Das beschwört natürlich im Kampf um das Herz jener Dame ordentlich Prügel mit Walter herauf und wird erst dadurch aufgelöst, dass sie sich doch noch als Tochter Beckers entpuppt - nebenbei lernt Castillo auch Tina kennen und wird schließlich ihr nun gemäßigtes Herzblatt (ihr Vater, der vorher etwas gegen jede Männerbekanntschaft von ihr hatte, gibt da seinen Segen, weil Millionenvermögen und so - typisch opportunistische Witzfigur von Mann). In der Ehre gekränkt, beschließt Walter nur noch die letzten Bikini-Entwürfe für eine kommende Modenschau fertigzustellen und dann ein für alle Mal abzuhauen. Doch Oh, Schreck! Die Bikinis werden von einigen Einheimischen geklaut, die schon die ganze Zeit einen Kieker auf Walter hatten, da er ihre Freundinnen als Modelle benutzte - da hilft nur noch: direktes Anpinseln der neuen Entwürfe auf die Haut. Ein Geniestreich! Und siehe da: bei dem glücklichen Erfolg, mit seinen juchzenden Tänzen und Trompeten (Roy Etzel), kann Walter nicht anders, als zu seiner Renate zurückzukehren. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute an der Adria.


Stress im Textilgeschäft
Wie gesagt, ein ziemlich konventionelles Prozedere in dieser Genre-Arbeit und vorallem in Sachen Schlager-Einschlag etwas unterbesetzt. Den besten Eindruck macht da natürlich die Auer mit der gewohnten Spielfreude, auch wenn ihr Make-Up in diesem Film nicht allzu natürlich, geradezu Diva-haft wirkt - da kamen frühere Auftritte weit quirliger, obwohl ihre Freizügigkeit hier einige neue Dimensionen annimmt und sie noch immer verführerisch mit der Zunge schnalzen kann, obwohl es in manchen Situationen gar nicht nötig ist. Manfred Schnelldorfer hingegen erhält mal einen tatsächlichen Einsatz als Nebendarsteller, der dadurch eingeführt wird, dass er als junger Jurist Renate beim Hitchhiking vor einem alten Sack rettet, welcher ein paar 'Gefälligkeiten' von ihr verlangte. Später trifft sie ihren netten Samariter beim Zelten wieder und dieser tröstet sie, basierend auf dem Hadern mit ihrer Identität gegenüber Walter, mit der Aussicht auf ihn selbst als Alternative anhand des Liedes 'Und dann komm zu mir.' - daraus wird für ihn nie was, aber Versuch macht ja bekanntlich kluch. Die letzte Schlagernummer im Bunde ist dann lediglich noch Vivi Bach mit ihrem Song 'Oh, Mister Brown', den sie bei der Modenschau singen soll, aber ganz klar in irgendeinem Studio, komplett abseits vom Narrativ und seinen Figuren, nachgedreht wurde. Es stellt die befremdlichste Nummer im Film dar (von denen er mehr hätte gebrauchen können) und kann vorallem dadurch auftrumpfen, was mit dem sogenannten Mr. Brown bei jeder Strophe passiert. In der ersten sitzt er noch ganz normal da, in der zweiten ist er plötzlich in einem Käfig gefangen und in der dritten ist er warum auch immer nur noch eine Pflanze, lediglich weiterhin mit derselben Melone auf dem Kopf - aber Vivi spricht/singt ihn immer gleich an, das ist doch nett.


Das war's dann aber auch mit den großen Besonderheiten des Films, der zwar anfangs schick urig und knallig, sexy und blödelig daherkommt, aber sich zur Mitte hin etwas zieht und unmotiviert den Liebesreigen in die Tat umsetzt. Zum einen ist das nicht gerade Billians beste Arbeit, zum anderen ist Regisseur Lothar Gündisch in seinem einzigen, eigenständigen Werk (war eher 2nd Unit Director - zumindest Co-Regisseur von Billians 'HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE') kein Spielleiter vom Schlag eines Billians und erst reicht kein Hofbauer, welche beide eine gelungenere, wildere Frische und Energie in ihren Genre-Arbeiten ablieferten. Aber zumindest ist sein Schnitt teilweise so zerfahren, speziell bei einigen unbeholfen-getricksten Gags, dass er fröhlich-eckig ins Auge springt und auf ein stimmiges Ensemble kann er sowieso stets zurückgreifen, auch wenn er es etwas unterfordert (wodurch selbst die sprunghafte Auer teilweise etwas steif wirkt) - aber allen voran die Szenen zwischen Benscher und Stephan haben trotz theatralischem Ambiente eine ungebremst-dusselige Dynamik. Und ja, auch der Herr Schönherr lässt es selbstsicher, mit gewinnendem Lächeln und unbedarfter Schlagfertigkeit im Umgang mit den Damen, ordentlich krachen. Ein bisschen jugendlicher Macho-'Tiefsinn' und das berüchtigte Eingeschnappt-Sein dürfen da natürlich auch nicht fehlen und unterstützen dahingehend nochmals die niedliche Entlarvung männlichen Gehabes, aber bieten stets die Chance auf gewissenhafte Wiedergutmachung beim weiblichen Geschlecht. Zusammen mit dem gesamten Weltbild des Films eben ein typischer, naiv-harmloser Rom-Com-Stuff mit Happy-End und trotz kokettierendem Sex-Appeals nur bedingt spannend. Da bietet das Genre noch weit eigensinnigere Exoten und charmante Show-Stehler wie Gus Backus, Billy Mo, Peggy March und Teddy Parker. Aber so, für ein paar unterhaltsame 1 1/2 Stunden im 60's Chic der lauwarmen Strand-Luft Spaniens, kann man das schon mal gut aushalten, ein paar Mal gut deftig lachen und kindisch hoffen/wissen, dass bei der Urlaubs-Stimmung am Ende immer alles gut geht.


6 von 10 Bikini-Pinseleien


vom Witte

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