Review: HEUTE HAU’N WIR AUF DIE PAUKE - Das (nicht ganz so wahre) Leben des Schlagermoguls Jack White



Fakten:
Heute hau’n wir auf die Pauke
BRD. 1972. Regie und Buch: Ralf Gregan. Mit: Jack White, Jürgen Marcus, Lena Valaitis, Peggy March, Tony Marshall, Peter Schiff, Claus Wilcke, Lothar Schäfer, Horst Niendorf, Tanja Berg u.a. Länge: 100 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Aktuell nicht auf DVD erhältlich.


Story:
“Heute hau’n wir auf die Pauke” erzählt – basierend auf einer wahren Biographie – die Geschichte von Horst Nussbaum aka Jack White und seinem Werdegang vom Fußballspieler zum gefeierten Schlagerstar.





Meinung:
Noch so eine Schlager-Obskurität, diesmal allerdings eine aus den flippigen 1970ern, weshalb man auch mal 'Scheiße' und 'beschissen' sagen darf - und ja, auch eine blutige Schlägerei darf nicht fehlen, aber ansonsten bleibt's merkwürdig zugeknöpft, zudem weiß man nicht so recht, ob man hier als Zuschauer für voll genommen wird oder einfach mit harmloser Frohmütigkeit berieselt werden soll - ab und an scheint jedoch die Illusion insgeheim-bewusst zu zerbröseln. Schließlich ist Ralf Gregans Film von außen hin pure Jack-White-Propaganda, gleichzeitig eine Präsentation seiner damaligen, größten Hits und eine eher freiläufige Biopic-Ansammlung von Anekdoten über den ruhmreichen und immer mal wieder etwas schwierigen Aufstieg (einen Fall gibt es gar nicht = mickrige Dramaturgie) jenes Erfolgsproduzenten. Doch so recht möchte das Gesamtbild nicht zusammenpassen. In einer Rahmenhandlung, die wohl so etwas wie eine Retrospektive zu Ehren Whites darstellen soll - moderiert von Nero Brandenburg - und in seinem alten Club abgehalten wird, schmettern einige seiner beliebtesten Künstler ihre Erfolgshits fürs Publikum nieder und liefern in der hohen Anzahl an Titeln eine musikalische Dichte, als ob man bei einem reinen Konzertfilm wäre. Zwischendurch wird dann bei manchen Nummern erklärt, wie White zu ihnen kam bzw. wie er seine künstlerische Integrität gegen anspruchsvollere (!) Produzenten verteidigte. Wichtig hierbei ist übrigens, dass fast jeder sich selbst spielt, aber so ziemlich niemand sich selbst spricht. White wird von Joachim Kemmer dargeboten, Tony Marshall von Thomas Danneberg und so weiter und sofort, eben die Berliner Elite am Start, inkl. Arne Elsholtz mit Ami-Akzent.


Entspannen mit Tony in der Heten-Sauna
So erleben wir u.a. Whites bescheidene Anfänge als Provinz-Kicker Rolf (nicht Horst, wie im real life) Nußbaum, der schon früh beim Produzenten Jörg Broder (Peter Schiff) unter-, aber nicht vorankommt, denn in seiner Vermarktung, so beklagt er sich, machen die nur halbe Sachen. Drum sucht er Rat bei seinem Buddy Tony Marshall, doch der hat nur eine Kneipe und ebenfalls keine Hits vorzuweisen, dafür eine goldige Stimme. Auf dem Weg nach Hause in der Nacht werden sie im Suff von der Bullerei angehalten, doch die machen sie mit einem volkstümlichen Schlager fertig, der einen ganzen Trupp an Menschen mobilisiert und die (nicht gezeigte) Flucht ermöglicht, was eine spätere fruchtbare Zusammenarbeit verspricht - hier unterwandert man staatliche Autorität, im Fall von Gregan bleibt es aber durchaus etwas offen, ob er jener Musik an sich überhaupt wirklich etwas Wirksam-Anarchiches abgewinnen kann. So spielt er selber als erfolgloser Texter Joachim Schiller (wie ein Türsteher im Film schon meint: 'Ich dachte, der wäre tot.') mit, der zusammen mit seiner weiblichen Begleitung Gigi und ihren infantilen Folk-Lyrics immer wieder als Lachnummer vorgeführt wird und sich dauernd darüber beschwert, wie Whites Nummern nur so erfolgreich sein können. Das fragt man sich als distanzierter Zuschauer folglich auch, sind die Qualitäten der Werke beider Schreiberlinge doch bestenfalls austauschbar - werden zudem von weiteren Plattenbossen, denen White immer wieder Angebote macht, als umwerfend 'komisch' und 'primitiv' bezeichnet, obwohl sich alle im Nachhinein als Kassenknüller entpuppen. Klar sind's einfache, 'rechtschaffen'-romantische Inhalte, welche die große Masse am Einfachsten erreichen können, daran glaubt ja der olle Nußbaum am meisten - jene simplifizierte Philosophie wird allerdings kaum weiter erforscht (Geld fürs Produzieren? Hat er 'gespart'. Interpreten? Die wird er 'finden'.), stattdessen in weiteren willkürlichen Episoden als spaßige Erfolge ersehnt, die aber ironischer Weise auch keinem der Interpreten wirklich zu gefallen scheint.


Ja, mit Gesang ist alles so viel schöner
Ganz bezeichnend ist da das Segment um Tanja Berg, die mit ihrer sogenannten 'Kann denn Liebe Sünde sein'-Stimme etwas mehr drauf haben könnte, aber von White aus dem Schlaf im Reihenhaus geklingelt wird, um mit Lockenwicklern im Bademantel seine Coverversion von 'Na Na, hey hey, kiss him Goodbye' einzuspielen, da es Jürgen Marcus, frisch vom Musical 'HAIR', einfach nicht brachte. Das klingt so bekloppt, das man es für wahrhaftig halten kann, schließlich gibt's später Zoff zwischen Berg und White über die deutliche Einfältigkeit seiner Produktion, doch ehe sie sich weiter aufregen kann, wird wieder das Schiller-Duo eingeladen - na gut, solange man nicht so scheiße ist wie die, lässt man's über sich ergehen...da weicht die Geschichte wohl wieder von den Original-Vorkommnissen ab, aber vorher ist das einer der wenigen Punkte, an denen zumindest ein bisschen (Selbst-)Kritik gegenüber den Talenten der Figur White durchscheint (Berg synchronisiert sich zudem als Einzige selbst!), sonst glaubt man eher, hier zwanghaft einen Underdog und Kommerz-Propheten sehen zu müssen. Da überzeugt aber lediglich noch am Ehesten, dass Marshall ständig an seiner Seite war, in jeder Minute Cola, Würste und Zigarren vertilgt - Erfolg zieht halt an. Das gilt wohl auch für Jürgen Marcus, der White mit einem zweiten Versuch nochmals von seinen Gesangskünsten überzeugen will und eben das erledigen muss, während White sein völlig-wahlloses und nicht-weiterverfolgtes Box-Training betreibt (immer diese reichen Leute mit ihren Workouts). Es gelingt: Marcus landet in den Hitparaden und in der Gegenwart im Herz von Liane Covi - deren anbahnende Beziehung als turtelndes Liebespärchen wird zudem immer wieder in den Vordergrund gerückt und bekommt sogar eine himmlische Traumsequenz spendiert, in welcher sie wie eine in Kamera-Effekten vergrabene Kristina-Söderbaum-Vision ausschaut. Wenn man bedenkt, dass der echte Jürgen Marcus höchst homosexuell ist, wirken solche forcierten Hetero-Vorstellungen besonders irrwitzig-heuchlerisch.


Jack White am Apparat
Da wird die Glaubwürdigkeit der ganzen Jack-White-Story nochmals 'subversiv' untergraben - erst recht, als er die Liebe der Beiden als Marketing-Gimmick einzusetzen gedenkt. Voll meta, das Ganze. Etwas befremdlich wirkt auch die Schlägerei, die Jack White bei seinem Job als höchstbezahltester DJ Deutschlands mit einem anderen Schlagertexter (Claus Wilcke) hat, mit welchem er im Nachhinein so mir nichts dir nichts sogar zusammenarbeitet (nachdem er ihm bei einem deftigen Glas JACK DANIELS - jau, stilecht JACKiger Lifestyle - den Handel im Suff, à la WERNER - DAS MUSS KESSELN, vorschlägt). Dessen Name ist laut Film Lothar Ruge, in den Credits taucht er als Songwriter aber nicht auf - da hat man die Namen wohl (wie beim ersten Produzenten Whites, Broder) geändert oder alles nur erfunden, man kann sich schlicht nicht wirklich sicher sein, wie hier der X-Faktor ausfällt (hat jemand zufällig 'ne Autobiographie von White am Start?). Durch alle mehr oder weniger problematischen Lebensstationen zum Erfolg hin begleitet ihn jedoch die 'bissige' Sekretärin Lena Valaitis und sie bleibt auch angenehm geschmeidig - wirkt nur einmal genervt, je öfter die Leute ihm zu seinen goldenen Schallplatten beglückwünschen, als sich mit ihr unterhalten zu wollen. Bleibt aber als Gag im Raum - ansonsten ist eben alles Friede, Freude, Eierkuchen und vom Film genauso heiter aufbereitet. Denn es gilt ja ohnehin noch einen Reigen an Liedern in die Gehörgänge zu pumpen, die immer etwas hanebüchen, aber nicht allzu komplex in das an sich schon wirklich dünne Handlungsgerüst eingearbeitet werden.


The White Stripes - before they get famous
Dafür sind sie aber zweifellos souverän ins rechte Licht gerückt und von beschwingter Kamera- und Schnittgestaltung eingefangen, auch wenn die Settings besonders kostengünstig erscheinen: immer dieselbe Disse, ein paar konventionelle Musikstudio-Einsichten und normale Rauhfaser-Wohnungen als Platten-Produzenten-Büros - nur Whites Haus schreit nach einem Wohlstands-Märchen, das so nur Katalogen aus den 70ern entnommen werden könnte (ohnehin wird die ganze Timeline von Whites Aufstieg so gestaltet, als ob sie schlicht innerhalb der 70er Jahre passiert wär - keinerlei 60er-Ausstattung in Sicht). Da findet Gregan sogar ab und an den Ansporn zu drollig-blödeligen Sketchen, die vorallem auf die Interpretin Severine (Josiane Grizeau) fallen - da singt sie mit französischem Akzent von Liebhabern, die nicht in der Armee sein wollen, während White, Marshall und Marcus sich in napoleonische Uniformen schmeißen und Zinnsoldaten im Park anschreien. Man beachte auch die Geschwister Leismann, denen White im Studio predigt, sie mögen doch so singen, dass man sich die Geschichte vorstellen könne - und das setzt der Film dann auf die verballhornenste Art um, indem er jene gesungene Story mit ihnen als alte Säcke adaptiert. Da denkt man zuerst: 'Aiaiai, wie schlimm haben die da denn Renate Leismann zurechtgemacht?', bis man dann in einer anderen Nahaufnahme unabhängig vom Sketch sieht, dass ihre Zähne wirklich so gelb sind - finde ich aber natürlich gar nicht schlimm, Zahnfleischbluter Murphy hat mich da schon längst über Musiker aufgeklärt.


Echte Kerle unter sich
Ein Stückchen albern wird's aber auf eine andere Art, als das Duo Nina & Mike für White den Titel 'Ketten, Mauern und Stacheldraht' zum Besten geben - seine Variante eines politisch-engagierten, Anti-Establishment-Songs inmitten der 68er Revolution, dessen ideologischer Ursprung wohl nur dadurch zu erklären ist, wie wenige Leute Whites Talenten (im Narrativ des Films!) vertrauten. Dass dies nur wenig mit den Idealen der 68er zu tun hat und eher dem selbstgefälligen Kapitalismus der Figur dienlich ist, macht den Titel umso beknackter, weil wieder mal herrlich-heuchlerisch. Aber seine Botschaften für das breite Publikum haben ja wiederum etwas Romantisch-Naives und Idealistisches, kaum Feinfühliges oder Ehrliches, aber dafür diesen besonders süßen und schmissigen Kitsch, der vorallem im instrumentalen Rahmen (u.a. komponiert von James Last) durchweg Laune hervorbringt. Aber auch rein gar nichts in diesem Film kann auch nur ansatzweise damit mithalten, wie unsere kleine Peggy March, seit Billians Tagen als Schlager-Regisseur bekannt, hier auftritt. Bereits im Vorspann wird mit ihrem Gastauftritt kokettiert und was für eine Pracht aus ihr geworden ist: lange blonde Haare, ein neckisches, aufreizendes Lächeln, klasse Make-Up einer gereiften Dame und ein kesses Zwinkern, dass die gesamte Laufzeit über für Vorfreude sorgt. Da ist ihr Auftritt sodann natürlich der absolute Gewinner des Abends, da der Song an sich schon gut ist und ihre sympathische Präsenz zum Träumen einlädt.


Danach muss man sich zwar mit einer Reihe an austauschbaren Songs anderer Leute begnügen, die sogar kaum noch zwischengeschnittene Anekdoten liefern, schlicht auf der Bühne der Retro-Disco abgefeiert werden (Mitschnitte von ZDF-Hitparaden- und Oktoberfest-Auftritten mit einberechnet), aber nunja: das war's wert. Wieviel man dabei von der Person Jack White erfahren hat, sei mal dahingestellt, er spielt wenigstens ganz souverän und seine Kollegen machen auch jede noch so quirlige Geschichte mit (wahrscheinlich, weil sie an ihm ja so einiges an Erfolg abbekommen haben - siehe Tanja Berg, die am Ende sogar seine Lieder bei einer Goldene-Schallplatte-Privatparty auf der Gitarre besingt). In meinen Augen glaube ich zwar nicht ganz, dass Ralf Gregan diese Arbeit wirklich ernst nahm (so platt sein Drehbuch hierfür im Gegensatz zu seinen Arbeiten mit Dieter Hallervorden ausgefallen ist), doch nichtsdestotrotz entwirft er eine ausgelassene Schlager-Sause mit einem äußerst funktionalen Plot, die sich am Stärksten darauf konzentriert, wirklich mal soviel Musik wie möglich anzuliefern. Und das macht schon ordentlich Spaß, besonders in Verbindung mit der breiten, hysterischen Synchro. Es dauert im Endeffekt gefühlt weit länger, als es wirklich ist, aber nichtsdestotrotz stellt der Film eine recht bizarre Trivial-Produktion da, die dauernd zum Hinterfragen und Spekulieren sowie (je nachdem, wie tolerant man diesem ewig-spießigen Musikgenre gegenübersteht) zum Beinwippen und auch Mitsingen einlädt.


6 von 10 Hitparaden


vom Witte

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