BRD,
2012. Regie & Buch: Jan Ole Gerster. Mit: Tom Schilling, Marc
Hosemann, Friederike Kempter, Michael Gwisdek, Ulrich Noethen, Justus
von Dohnányi, Arnd Klawitter, Katharina Schüttler u.a. Länge: 82
Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und
Blu-ray erhältlich.
Story:
Ein Tag aus dem
Leben des berliner Endzwanzigers Nico. Sein Jurastudium hat er vor zwei
Jahren geschmissen, lässt seinen wohlhabenden Vater aber weiterhin in
dem Glauben, dieses zu finanzieren. So lebt er ziel- und orientierungslos
in den Tag hinein und begegnet an einem Tag, wie fast jedem anderen in
der Hauptstadt, reichlich Menschen und deren Geschichten.
Meinung:
Der
Abräumer des diesjährigen Deutschen Filmpreises hat jede seiner
Auszeichnungen redlich verdient. "Oh Boy" von Jan Ole Gerster lässt den
Glauben an das heimische Kino und vor allem dessen Humor wieder
auferstehen.
In den letzten Jahren, und oft auch
zuvor, war die Regel in deutschen Kinofilmen: Humor ist, wenn man
trotzdem nicht lacht. Die ewig gleichen Beziehungsklamotten, das
bieder-spießige Männlein-Weiblein-Peinlich-Gebalze auf Sat1-Fernsehfilmniveau, gruselige Ausflüge von im besten Fall
mittelprächtigen (selbst das eher nicht) Comedy-Pfeifen und
Allround-Nullapostel-Entertainern, die durch berechnende Produzenten,
das eigene Überschall-Ego und dem Hang zum schnellen Euro auf die
Leinwand losgelassen werden, Nuschel-Til und sein Gefolge, das ist doch
die bräsige Realität. In dieser erfrischenden Perle steckt mehr
Witz, nuancierter, überlegter und auf den Punkt treffender Humor, als in
allen Geschichten aus der Kuschel-Kicher Gruft, die sonst Usus sind.
Dabei ist "Oh Boy" eigentlich keine reine Komödie, die sein Publikum
einfach nur zum Lachen bringen möchte, schafft dies aber so unbeschwert,
clever und spielend, das es eine helle Freude ist.
"Hat mal wer Feuer?"
"Oh
Boy" zitiert und skizziert den absurden Alltag und seine skurrilen
Ereignisse, überkonstruiert nichts und lässt einfach nur das Leben
sprechen. Wir begleiten Nico einen Tag durch seine Umwelt, haben Teil an
dem Unsinn der MPU, dem modernen Coffee-To-Go-Wahnsinn ("Welche
Kaffeesorte kommt dem normalen Kaffee am nächsten?"), dem Ärger mit
Fahrtkartenkontrolleuren, aufdringlichen Nachbarn, dealenden
Halbgeweihten, einer selbstverliebten, ach so unkonventionellen
Off-Theater Truppe (ein absolutes Highlight!), pöbelnden Agro-Teenies
und redseligen Thekenbekanntschaften. Alles wirkt wie die Verarbeitung
eigener Erfahrungen, genau-spitzfindisch beobachtet und pointiert
vorgetragen. Das lebt, hat Herz, Geist und Seele. Eine bitter-süße
Verliererballade über einen jugen Mann, der alle Chancen hatte und sie
jedesmal fährlässig hergegeben hat. "Oh Boy" besitzt Melancholie wie
Humor und wirkt teils gar poetisch vorgetragen. Die klug gewählten
Schwarz-Weiß-Bilder, der wunderbare Soundtrack und nicht zuletzt die
ausführlich genutzte Kulisse Berlins ergeben ein harmonisches
Gesamtbild, mit einem herausragenden Tom Schilling, der wohl niemals
besser war.
Hier steht keine Geschichte im Vordergrund,
hier geht es um Menschen, Situationen, die kleinen Dinge des Alltags,
die jedem von uns schon passiert sind oder könnten. Und die gehen so
nah, dass wohl jeder Nico gerne ein Feuerzeug schenken oder endlich
seinen Kaffee reichen würde.
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