Review: BIS DAS BLUT GEFRIERT - Gegen den Strom


Fakten:
Bis das Blut gefriert (The Haunting)
USA, Groß Britannien. 1963. Regie: Robert Wise. Buch: Nelson Gidding. Mit: Julia Harris, Claire Bloom, Richard Johnson, Russ Tamblyn, Lois Maxwell, Fay Compton, Rosalie Crutchley, Valentine Dyall u.a. Länge: 107 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Das „Hill House“, eine alte Villa an der Ostküste, gilt als verflucht. Das Böse soll im Inneren umher spuken. Der Parapsychologe Dr. Markway lädt Probanden ins Gebäude ein, um zu erforschen wie viel Wahrheit hinter den Gruselgeschichten steckt.




Meinung:
In "Bis das Blut gefriert" treffen in einem schaurigen Schloss namens Hill House Parapsychologie auf Materialismus und gepeinigte Selbstzweifel auf feminine Dynamik. Wer nun mit hastiger Überheblichkeit regiert und den Genre-Klassiker von Robert Wise über einen Kamm zusammen mit dem modernen Horror-Kino scheren möchte, der täuscht sich gewaltig. Vielmehr lässt sich "Bis das Blut gefriert" als Blaupause für die repetierende Gewöhnlichkeit des Sujets verstehen, denn wo sich ähnlich angelegte Werke nur mit Krach und Blut zu helfen wissen, schwimmt Robert Wise genau gegen diesen Strom der regungslosen Sehgewohnheiten.


Dabei kann der Film eben nicht nur durch die atmosphärische Inszenierung punkten, die durch die expressionistische Visualisierung jede formale Anforderung mit Leichtigkeit besteht. Er verfügt darüber hinaus auch über ein wunderbar zurückhaltendes Drehbuch, welches sich nicht darum kümmert, den Zuschauer mit Antworten zu füttern, sondern ihn durch nuancierte Gruselspitzen auffordert, Vermutungen aufzustellen und dadurch gekonnt einer profunden Psychologisierung seiner Charaktere aus dem Weg geht, ihnen aber dennoch genau den Tiefgang zu verleiht, der sie eben nicht nur zu staubigen Schablonen verkommen lässt.



Kein Bild einer 80er Band, sondern die Probanden
„Bis das Blut gefriert“ ist noch einer dieser Filme, in dem jede knarrende Diele ein signifikantes Geheimnis zu verbergen mag, wo Korridorwände heimlich starren und jeder Gang schlagartig zu einem endlosen Labyrinth werden kann. Ein Schloss ohne rechte Winkel, in dem nachts die Stimmen der verstorbenen Vorbesitzer durch die Gänge spuken und polternden Klopfgeräusche durch die Zimmer hallt. Wise verleiht dem unheimlichen Anwesen ein Eigenleben, eine Seele, und konzentriert sich dennoch darauf, seinen Film einzig auf Andeutungen zu stabilisieren. Das Spiel aus Licht und Schatten, die Konturen und Umrissen scheinbarer Wesen aus der Zwischenwelt verschaffen dem Zuschauer hier Gänsehaut. Wo sich „Bis das Blut gefriert“ gerne als nebulös umschleiert bezeichnen lassen darf, und durch seine donnernde wie schrille Soundkulisse die Aura des Schlosses charakterisiert, ist der Kern der Geschichte ein von menschlichen Problemen gezeichneter. Isoliert von der Außenwelt, suchen hier Menschen nach Veränderungen und letzten Endes auch nach sich selbst, während die Gruppendynamik der Lage durch mysteriöse und unerklärliche Zwischentöne immer wieder aufflammt. Es ist eben nach wie vor reizvoller, wenn man sich selber die Puzzleteilchen zurechtlegen darf und nicht jedes Einzelstück vorgelegt bekommt.


Genau das zeigt sich auch an „Bis das Blut gefriert“, der vom heutigen Publikum mit Sicherheit schnell als langweilige Schwarz-Weiß-Schlaftablette abgestempelt werden könnte, in Wahrheit aber genau die affirmativen Eigenschaften kombiniert, die den heutigen Genre-Filme zum größten Teil verloren gegangen sind, denn die herausfordernde Eigenverantwortung findet man wohl nur noch im Autorenkino. Wer also noch auf nostalgische, komplexe und keinesfalls trockene Art und Weise gruseln möchte, der ist mit der paranormalen Seelenkunde „Bis das Blut gefriert“ genau an der richtigen Adresse und sollte dem katastrophalen Remake von Jan De Bont strikt aus dem Weg gehen, denn der passt sich der Moderne an und zeigt, wie man ein brillantes Setting mit brummigen Getöse vollkommen gegen die Wand fährt.


8 von 10 seltsamen Geräuschen


von souli


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