Review: DER PATRIOT - Mel Gibson hat seine Gesichtsfarbe vergessen



Fakten:
Der Patriot (The Patriot)
USA. 2000. Regie: Roland Emmerich. Buch: Robert Rodat. Mit: Mel Gibson, Jason Isaac, Heath Ledger, Chris Cooper, Tom Wilkinson, Joely Richardson, Tchéky Karyo, René Auberjonis, Adam Baldwin, Donal Louge, Leon Rippy, Lisa Brenner, Gregory Smith, Logan Lerman, Trevor Morgan, Sky McCole Bartusiak, Mika Boorem u.a. Länge: 175 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Während der amerikanische Unabhängigkeitskrieg wütet, versucht der Witwer Benjamin Martin ein guter Vater und Farmer zu sein. Die Schlachten interessieren ihn nicht. Zu viel Blut hat er bereits in seiner Vergangenheit vergossen. Doch als sein ältester Sohn Gabriel sich dazu entscheidet für die amerikanischen Truppen zu kämpfen und später verletzt und von der britischen Armee gejagt heimkehrt, kann Benjamin sich vorm Krieg nicht mehr verstecken.





Meinung:
Kündigt der schwäbische Kassenschlager Roland Emmerich („Independence Day“) einen Film über geschichtlich signifikante Ereignisse an, dann ist höchste Vorsicht im Umgang mit dem Gezeigten geboten. Nicht, weil Emmerich wenig Wert auf historische Korrektheit legt und mit einer geradezu naiven Ausdauer durch den Schlund der amerikanischen Wertevorstellungen schreitet, um sich dadurch gänzlich dem Unterhaltungskino der Vereinten Nationen anzubiedern. Roland Emmerich erweckt vielmehr den Eindruck, seine auf Zelluloid gebannten patriotischen Absurditäten folgen einer privaten Ideologie und nur der geneigte Zuschauer scheint privilegiert, sich dem Geschehen in voller Pracht öffnen zu dürfen, wenn die eigene Geisteshaltung konform mit Emmerichs nationalistischen Tonus einhergeht. Mit „Der Patriot“ - Der Titel befiehlt schamlos die Marschrichtung – darf sich Emmerich in dieser heroischen Hinsicht einmal mehr so richtig austoben, verwerflicher und abstoßender war seine Ägide allerdings nie: Der Zuschauer wird zum uniformierten Sklaven der instrumentalisierten Projektionsfläche.


Gestatten, die Martin Familie
Wenn hier im Nachhinein noch wirklich jemand betonen möchte, Roland Emmerich und seinem Drehbuchautoren Robert Rodat läge auch nur ein Hauch von Interesse an einer realen Auseinandersetzung mit den Fakten und Geschehnissen,  der mag die beinahe dreistündige Laufzeit von „Der Patriot“ mit geschlossenen Augen und schalldicht verpackten Ohren verbracht haben, alles andere scheint in seiner permanenten Verklärung nahezu unerklärlich für den aufmerksamen Rezipienten. Angesiedelt in der Zeit des Unabhängigkeitskrieg, wird uns der Witwer Benjamin Martin (Mel Gibson) vorgestellt, der auf seiner Plantage im sommerlichen South Carolina nicht nur seine sieben Kinder versorgen muss, Benjamin versucht auch seine brutale Vergangenheit als Kriegsheld zu verdrängen, um sein Leben in geregelte Bahnen zu wiegen. Es wäre natürlich kein Film von Roland Emmerich, wenn es Benjamin gelingen würde, ohne Waffengewalt seinen moralischen Standpunkt zu manifestieren, es wäre in diesem Fall aber auch gewiss kein Film, der sich einen Funken Realismus mehr an die Brust heften dürfte.


Patriotensohn Gabriel versucht sich im Nachdenken
Die Sache muss für die Familie Martins erst persönliche Pfade beschreiten und diesem Zusammenhalt in Person des brutalen wie aus reiner Willkür handelnden britischen Colonel William Tavington (Jason Isaacs) ein waschechtes Feindbild ohne jedes Gewissen geschenkt werden. Bereits mit dem ersten Auftritt des britischen Unmenschen ist die Geschichte vollständig erzählt, weil jeder weitere Schritt nur noch zum bloßen Abhandeln dramaturgischer Belanglosigkeiten verkommt. „Der Patriot“ erzählt eigentlich nicht von einem Land, das seinen heimischen Boden zurückgewinnen und von der Präsenz der Kolonialmächte befreien möchte. Rodat macht „Der Patriot“ zum rachsüchtigen Amoklauf eines Einzelnen, einem unbändigen Gott des Krieges, getränkt in stählern-manipulativen Parolen, vaterländischer Verlogenheit und dem an exzessiven Pathos überladenen Soundtrack von Steven Spielbergs Standardkomponisten John Williams. Dabei ist „Der Patriot“ allein auf seine formalen Qualitäten mit einer einwandfreien Schnörkellosigkeit in Bezug auf seinen Prunk ausgestattet.


Okay, wer sagt dem Mel endlich mal, dass er eigentlich Australier ist?
Nur lebt „Der Patriot“ nicht allein davon, den Zuschauer mit den üppigen und völlig zu Recht mit sämtlichen Preisen nominierten Schauwerten zu beglücken, sondern Roland Emmerich möchte einfach wie sein großes Vorbild Steven Spielberg ein echter Geschichtenerzähler sein, besitzt dafür in erster Linie aber weder das Talent, deftige erzählerische Schwächen durch seine inszenatorische Versiertheit zu kaschieren und noch weniger schafft er es hier, etwas zu verbreiten, was nicht auch in Nebensätzen ohne einen mehr als fragwürdigen Ansatz auskommt. Alles ist glatt, alles ist geordnet, nie darf sich ein Augenblick als intensiv vezeichnen lassen. Mit Mel Gibson („Braveheart“) hat man einen Schauspieler, der immer für ein ordentliches Blutbad zu haben ist, in seinen mimischen Fähigkeit aber bis auf den Rang eines Laien heruntergebrochen wird und vollkommen eindimensional mit seinen rekrutierten Milizionären über die Schlachtfelder meuchelt. Aber wir müssen nun mal mit Benjamin sympathisieren und jede bestialische Handlung wird dadurch vom Drehbuch legitimiert. Anders als Jason Isaacs, der zwar ebenfalls charakterlos bleibt und der phrasenhaften Klassifikation hilflos ausgeliefert ist, aber eine durchtriebene Präsenz an den Tag legt, die wirklich einnehmend ist.


Aber was nutzt eine gute Leistung, wenn die Charaktere vollkommen schematisch in ihren biederen Motiven rotieren und sich gegenseitig solange mit größeren und kleineren Nadelstichen malträtieren, bis der Verlauf in sein vorhersehbares Ziel einbiegt und Mel Gibson in Zeitlupe mit wehender Nationalflagge durch die Reihen des Rotröcke  stürmen darf. Von solch grauenhaftem Stumpfsinn ist die gesamte Inszenierung durchzogen und alle Beteiligten mussten schlussendlich sogar einsehen, dass dieser konstant überspannt-reißerische Nationalstolz selbst für die im Blut der Feinde badende Grobiane ohne Selbstreflexion zu dick aufgetragen wurde. Was für eine Leistung.


3 von 10 von Kanonenkugeln abgetrennten Extremitäten


von souli

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen