TV Wahnsinn: BOARDWALK EMPIRE (Staffel 2) – Wo gehobelt wird, fallen Späne



Fakten:
Boardwalk Empire – Staffel 2
USA. 2011. Regie: Tim Van Patten, Brad Anderson, Allen Coulter u.a. Mit: Steve Buscemi, Michael Pitt, Kelly MacDonald, Shea Whigham, Michael Shannon, Michael Stuhlbarg, Michael K. White, Stephen Graham, Paz la Huerta, Dabney Coleman, Vincent Piazza u.a. Länge: ca. 560 Minuten. FSK: freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Nachdem Nucky seine Ziele mit korrupter Faust durchsetzen konnte, entzweien sich der Stadtkämmerer und sein einstiger Zögling Jimmy zunehmend. Auch der Prohibitionsagent Van Alden hadert mit seinen Prinzipien und dringt, wie alle anderen Beteiligten, immer tiefer in den Sumpf aus Gewalt, Lügen und dreckigen Machtverhältnissen.





Meinung:
Die umfassende Themenvielfalt, die „Boardwalk Empire“ in 12 reichhaltigen Episoden anschnitt und für einen vertieften Fortgang ganz bewusst ebnete, werden nun in Staffel 2 nicht nur nach striktem Plan auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, um sich in der dritten Staffel von all dem Schmutz zu lösen, der sich in den vorausgegangenen 24 Episoden angesammelt hat und so anschließend neue Ufer anzupeilen. Die zweite Staffel von „Boardwalk Empire“ zeichnet sich dadurch aus, das sie Vorausgegangenes konsequent verdichtet, die mannigfachen Diskrepanzen in allen Lagern in einem neuen, gerne auch umso maliziöseren Licht erstrahlen lässt, aber nicht jeden einzelnen Aspekt ausformuliert, sondern weitere dramaturgische Räume entfacht, ohne mit einer abgehakten Narration unter Beweis zu stellen, dass die eigene Qualität doch nicht den Glanz verspricht, wie es eigentlich zu vermuten war. Staffel 2 ist gerade deshalb so exzellent kalibriert, weil sie aufnimmt, anstatt abzulegen, und sich nicht erst um die eigene Achse drehen muss, um sich weiterentwickeln zu dürfen.


Nucky steht im Mittelpunkt
Die inhaltliche Agglomeration in Staffel 1 war enorm, geht es in „Boardwalk Empire“ doch eben nicht nur um die treuen, aber größtenteils scheußlichen Gesetze des Alkoholschmuggels und die damit verkettete simple Stilisierung von klischeebehafteten Gangstermythen. „Boardwalk Empire“ will ebenso das tapfere Männerbild der 1920er Jahre demaskieren und die damaligen, oftmals romantisierten Trugschlüsse untereinander festhalten. Neben den fundamentalen Konflikte innerhalb religiöser Weltanschauungen, dem Rassismus, den Vertrauensbrüchen, der lechzende Gier nach Rache und dem alles überschattende ethische Zwiespalt, in dem sich in Staffel 2 nun wirklich jede einzelne Figur befindet, lässt sich das Szenario nun auch als opulent bebilderter und keineswegs einfältiger Diskurs über die Signifikanz von Moral und Amoral, wie auch den daraus entstehenden Folgen verstehen: Ein jeder hier muss sich wiederholt seinen individuellen Wertevorstellungen stellen und diese abermals verleugnen. Das geschieht natürlich immer aus verschiedenen Antrieben heraus, wirkt in ihrer Verzahnung aber nie überzogen oder realitätsfern.


Gerade spannend ist es zu beobachten, wie sich die Geschichten um Nucky Thompson, Jimmy Darmody, Margaret Schroeder und Agent van Alden weiteren Anlauf nehmen und sich immer extremer mit gescheiterten Prinzipien aufladen. Wo aus Verbündeten Feinde werden und Familienmitglieder miteinander wie Fremde agieren, da pocht das Herz der blutigen Revision. Staffel 2 beleuchtet bei diesen Hauptcharakteren nicht nur das Hier und Jetzt, sie gräbt nuanciert in der Vergangenheit und verleiht dem Quartett so neue Eigenschaften, die sich nicht schlagartig eröffnen, aber vorerst sanft unter einem eleganten Schleier verborgen blieben. Die üppige Diversität an Figuren aus den verschiedensten Ecken Amerikas, mit der „Boardwalk Empire“ auf ganzer Linie auffährt, war schon in Staffel 1 erkennbar, in Staffel 2 wird dieses Ausmaß ausgeprägt und bekommt gerade mit dem entstellten Scharfschützen Richard Harrow einen ungemein packenden Charakter geschenkt, der zwar schon in kurzen Auftritten in Staffel 1 glänzen konnte, nun aber ein emotionales Element in der Konzeption darstellt, dem man sich nicht entziehen kann und will. Hut ab, ein echtes Meisterwerk am Staffelfirmament.


8 von 10 Flaschen bernsteinfarbender Bourbon


von souli

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