Fakten: Oldboy USA. 2013. Regie: Spike Lee. Buch: Mark Protosevich. Mit: Josh Brolin,
Elizabeth Olsen, Sharlto Copley, Samuel L. Jackson, Michael Imperioli, Lance
Reddick, Richard Portnow, Max Casella, Rami Malek, Greg Damon, Pom Klementieff,
James Ransome, Linda Emond u.a. Länge: 104 Minuten. FSK: freigegeben ab 16
Jahren.Ab 10. April 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story: Als Joe eines Morgens seine Augen öffnet befindet er sich mitten in einem
Alptraum wieder: Er ist in einem kleinen, fensterlosen Zimmer gefangen. Aus dem
Fernseher erfährt er, dass seine Frau ermordet wurde und er als Verdächtiger
gilt. Wer tut ihm das an? Warum? Wieso? Diese Fragen wird er sich die nächsten
20 Jahre stellen, bis er überraschend freigelassen wird. Nun zählt für Joe nur
noch eines: Rache.
Meinung: Die Einleitung dieser
Review möchte ich nutzen um klar zu stellen, dass ich ein großer Verehrer des
südkoreanischen Regisseurs Park Chan-wook („Durst“, „Stoker“) und seiner Werke
bin. Vor allem „Oldboy“ ist für mich eine Perle von Film. Ein grandioser,
cineastischer Schatz. Ein Meisterwerk bei dem es mir schwer fällt die Worte zu
finden, die die Größe dieses Werk richtig beschreiben und zusammenfassen (mein
Kollege Kobbi hat es in seiner Review versucht). Als Fan von „Oldboy“ war ich
natürlich wenig angetan von den diversen Remakeplänen bei denen auch Namen wie
Will Smith und Steven Spielberg zu hören waren. Nun ist es Regisseur Spike Lee
(„Malcolm X“, „InsideMan“), der die US-Fassung des asiatischen Kultfilms
übernahm. Das dabei herausgekommende Endergebnis zählt für mich als Cineast wie
auch als Fan des echten Oldboys zu einem der größten Kinoenttäuschung des bald
beendeten Kinojahrs 2013. Wenig überraschend, ich weiß, aber ich habe für diese
Meinung meine Gründe.
Joe und Krankenschwester Marie auf Spurensuche
Ein gutes Remake ringt der Vorlage neue, vielleicht noch völlig unbekannte oder
vernachlässigte Facetten ab. Im Plagiat sollte ein neuer Ausdruck zu finden
sein. Neue Ansichten- und evtl. Herangehensweisen, die das Bekannte in ein
neues Licht stellen. Auch wenn der Remakewahn immer fratzenhaftere Züge
annimmt, so gibt es doch eine Vielzahl von Filmen, die eine Neuinterpretation
durch aus anbieten würde (ein paar dieser Filme haben wir hier zusammengetragen). „Oldboy“ gehört nicht dazu. Das hält die Produzentenmeute
aus Hollywood aber natürlich nicht auf, immerhin besitzt der Film gefühlt
dutzende von gut kopierbaren Einstellungen und Bildern. Ein Basar feinster
visueller Spielerein und Kostbarkeiten. Und dieser Basar wird auch ordentlich
geplündert. Doch was hinter den ikonischen Bildern steckt, die Bedeutung, das wahre
Innere, wird dabei mit Füßen getreten. Warum? Weil es unbeachtet bleibt.
Egal ob Original oder Remake: Kein "Oldboy" ohne Hammer
Während Spike Lee bekannte physische Motive des Originals noch aufgreift – nur um
sie plump als handelsüblichen Fan Service
darzubieten – bleibt die psychologische sowie poetische Ebene des Remakes ein
kaltes Nichts. Ein lustloses Abarbeiten all jener Szenen und Bilder, die den
Kult rund um Chan-wooks Mittelteil seiner Rache-Trilogie seit Jahren zur verlässlichen
Quelle von Postern und anderen dekorativen Devotionalien machen. Hier jedoch
wird dem Zuschauer der Schlüssel zur Imagination, zur Erstellung eigener Bilder
und Ansichten verwehrt. Alles wird gezeigt. Für den Augenblick der Betrachtung
mag dies härter und kräftiger erscheinen als beim südkoreanischen Rachefeldzug,
doch diese Wirkung haftet nur einen kurzen Augenblick. Danach entschwindet sie
wieder. Nichts setzt sich fest. Vor allem Joe nicht. Das besonderer an Oh
Dae-su war, dass seine Figur etwas Animalisches hatte. Die Zeit in seiner
Zelle, sie vernichtete nicht nur Träume und Hoffnungen, sondern auch seine
Menschlichkeit. Lees „Oldboy“ hingegen fehlt dieses Attribut. Dafür erweitert
er die Exposition des Charakters, macht aus ihm sogar einen Alkoholiker. Dabei
ist es gewiss durchaus mutig, dass nicht versucht wurde Joe, den amerikanischen
Oh Dae-su, sympathisch darzustellen, aber wie krampfhaft versucht wird dem
Zuschauer zu beweisen, ja regelrecht unter die Nase gerieben wird, welcher
antisoziale Persönlichkeit er ist, wirkt verkrampft, unnötig und raubt der Film
einiges an Tempo. Nicht nur bei der Charakterisierung der Hauptfigur beweist „Oldboy“
durchaus Mut. Auch die Auflösung hätte schlimmer ausfallen können, aber obwohl
diese durchaus an den Magentritt des Originals heranreichen könnte (eine
Eigenschaft die das erste „Oldboy“-Remake, der indische Thriller „Zinda“,
schmerzlich vermissen ließ), wirkt es eher schwächlich umgesetzt. Der Grund?
Der liegt an der Umsetzung des Masterminds
hinter Joes Gefangenschaft. Der südafrikanische Darsteller Sharlto Copley („District 9“ „Elysium“) gleicht der Parodie eines Schurken. Mit seiner körperlichen
Erscheinung und seiner gesamten Körpersprache würde eher als Bond-Gegenspieler
passen. Dazu wirkt die gesamte Dramatik des Films viel zu schwächlich. Es ist
nicht mehr eine donnernde Faust die gegen Stein schlägt, sondern mehr ein impertinentes
Kratzen gegen den Juckreiz der Ideenlosigkeit.
Kellermeister Chaney
Spike Lees Versuch einer der (zumindest für den Autor dieses Textes) besten
Filme aller Zeiten neu zu interpretieren ist misslungen. Vollständig. Dieser „Oldboy“,
er wirkt so als ob die Macher nicht verstanden haben oder es verstehen wollten,
dass es in der Geschichte um Rache geht, aber eben auch um eine
Entwicklung und vor allem um Einsamkeit. Die Szenerie mit Joe in seiner
Zimmerzelle entbehrt jedweder Intensität. Während bei Chan-wook ein
Off-Kommentar von Oh Dae-su die Ereignisse begleitete und so ins Seelenlebe des
Protagonisten einen Einblick gewährte, bleibt Joe im Remake profillos. Es sind
die Details des Originals etwa wenn Oh Dae-su erklärt wie wichtig der Fernseher
ist, die eine wirkliche Kraft haben, nicht die Kampfszenen. Auf die versteift
sich das Remake aber und hier verfestigt sich der Gesamteindruck des Films. In
der legendären Schlacht, innerhalb der Flure des Zellenkomplexes, hatte die
Kamera weit größeren Abstand als bei Lee. Das ist bezeichnend. Lee geht überall
näher heran, außer bei dem was wirklich zählt. Mehr optische Nähe, weniger Phantasie und Psychologie. Zugegeben
nicht der eleganteste Vergleich aber er drängt sich auf.
Joe winselt nach Freiheit
Weniger aufdringlich und damit ein weiteres Teilstück im Versagens-Mosaik des
Remakes ist der fehlende Exzess. Park Chan-wook gelang es meisterlich die aufgestauten
Gefühle der Hauptfigur, bestehend aus Wut, Misstrauen und Einsamkeit, in einen aggressiven Sturm zu
wandeln. Ein Sturm, der auch sexuelle und vor allem Komponenten der
Verzweiflung innehatte. Jederzeit spürbar dank des grandiosen Spiels von Choi
Min-sik („New World - Zwischen den Fronten“, „I see the Devil“). Josh Brolin gelingt es nicht diese mit ausreichend Stärke zu transportieren. Sein "Oldboy" bleibt eine
müde Nachskizzierung, deren Akt der Vergeltung im Fokus steht. Die essentiellen
Fragen des Originals nach Menschlichkeit, Schuld und der Zerstörung der Seele
wird außen vor gelassen, stiefmütterlich aufgerollt oder fragmentarisch
behandelt ohne dabei ein glaubwürdiges, eindringliches Ergebnis zu erzielen. Dabei
versteht es Lee den Film auf westliche Geschmäcker umzustellen. Das kurios
Groteske des 2003er „Oldboy“ (was bereits dem ersten Remake "Zinda" fehlte) kommt hier nicht vor, einmal abgesehen von Samuel L. Jacksons Rolle des Kellermeisters Chaney. Logik vor Leidenschaft.
Blutrünstigkeit vor seelischer Grausamkeit. Die Simplizität siegt über das Verspielte.
Die Schönheit sowie die Poesie aus Entsetzen und Grausamkeit ist im Remake ganzheitlich
getilgt. Es bleibt ein gewöhnlicher Rachetrip übrig.
Spike Lees „Oldboy“ ist ein schlechtes Remake und leider auch ein schlechter
Film. Dass das Schicksal von Joe nicht mehr weckt als ein lethargisches Schulterzucken
liegt nicht an fehlender Empathie sowie Sympathie, sondern einfach auch an der
bleieren Inszenierung ohne echten Tiefgang. Die herausstechenden Szenen sind bloße Kopien, deren
wahre Bedeutung und visuelle Kraft niemals erreicht werden. Es wirkt fast so, als
ob Regie, Produktion und Drehbuch den Originalfilm zwar kennen, sich aber
niemals mit dessen Tiefe und Aussage wirklich auseinander gesetzt haben. Die Money Shots waren das, was wichtig war.
Alleine auf sie wird sich hier wirklich konzentriert. Sehr müßig und
enttäuschend ist das Endergebnis. Egal ob nun als loser Film oder als Remakes
betrachtet. So oder so fehlt die Raffinesse, das Herz, das namenlose Besondere
des Originals. Nennen wir es einfach Seele.
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