Review: DIE NACKTE UND DER KARDINAL - Fulci kann auch Handlung



                                                                          


Fakten:
Die Nackte und der Kardinal (Beatrice Cenci)
IT, 1969. Regie: Lucio Fulci. Buch: Lucio Fulci, Roberto Gianviti. Mit: Tomas Milian, Adrienne Larussa, George Wilson, Antonio Casagrande, Pedro Sanchez, Max Steffen Zacharias, Raymond Pellegrin, Mavi  u.a. Länge: 90 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Beatrice Cenci und ihre Familie sind des Mordes an ihrem tyrannischen Oberhaupt angeklagt. Ihnen droht die Hinrichtung. Doch selbst unter Folter schweigt Beatrice zu den Vorwürfen. Die Kirche hat nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit Interesse an einem Geständnis. Bei einer Verurteilung würden sie das Vermögen der Familie einstreichen.





                                                                            

Meinung:
Daddys kleiner Liebling.
Hinter dem extrem reißerischen deutschen Titel verbirgt sich nicht etwa ein ultra-trashiger Exploitation-Knaller mit mehr Sex und Gewalt als Handlung, sondern tatsächlich eher ein mittelalterlicher Justizthriller mit deutlicher Kritik an den Methoden der katholischen Kirche...aber natürlich dürfen etwas nackte Haut und Blut dann doch nicht fehlen. Schließlich handelt es sich um einen Film von Lucio Fulci, eher bekannt und beliebt durch seine wenig zimperlichen Horrorfilme ("Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies", "The Beyond"). Trotzdem kein typischer Fulci und somit nach der widerlegten Erwartungshaltung (bezogen auf den deutschen Titel) die zweite Überraschung dieses Films.

                                                                                                          
"Die Nackte und der Kardinal" (toll, immer wieder toll) kann und will sicherlich sein Exploitation-Etikett nicht gänzlich ablegen und lässt sich auch problemlos darunter einordnen. Dennoch wird gerade auf die Handlung erstaunlich viel Wert gelegt. Und das bei Fulci, dessen Filme in der Regel durch ihre Stimmung und Atmosphäre denn durch eine ausgefeilte (oder nur halbwegs lückenlose) Geschichte hervorstechen konnten. Die Fulci-typischen Stärken beinhaltet auch dieses Werk, was Fans des groben Italieners erfreuen wird. Das Zeitalter wird schmutzig-authentisch eingefangen, für seine Mittel sehr sehenswert ausgestattet. Handwerklich lässt sich kaum etwas kritisieren, im Gegenteil. Stimmige Sets, gute Kameraarbeit, zum Teil tolle Einstellungen und auch der Cast liefert eine überzeugende Vorstellung ab. Surreale oder bizarre Momente à la Fulci sollten dabei jedoch nicht erwartet werden, dafür gibt es mal eine logisch aufgebaute und sogar narrativ ungewöhnlich gut konstruierte Handlung. Was es nicht alles gibt.


 
Das lustige Kirchen-Karussell.
Ungewöhnlich besonders dadurch, dass sie nicht linear vorgetragen wird. Fulci startet mit dem "Prozess" (wenn man es denn so nennen kann) um die Ermordung des Despoten Cenci und dröselt dessen Entstehung anhand von Rückblenden auf. Immer wieder springt er zwischen den verschiedenen Zeitebenen hin und her, was kurzzeitig zu leichten Verwirrungen führen kann. Ist man von Fulci nicht gewöhnt und bei den Übergängen wird nicht sofort ersichtlich, ob wir uns im Davor oder Danach befinden. Macht allerdings nichts, etwas aufpassen schadet beim Zuschauen generell nicht und spricht oft nicht unbedingt gegen einen Film. So auch hier. Gerade diese Erzählweise macht Sinn, nur so kann die Geschichte bis zum Schluß vernünftig und ohne große Längen bei der Stange halten. Ein Fulci, bei dem das Skript überzeugt und sogar als Stärke bezeichnet werden kann, irre. Dafür wird der Blutzoll etwas zurück gefahren, auch wenn nicht gänzlich. Es gibt schon noch einige härtere Stellen, was für seine Verhältnisse (meist) eher harmlos ist und nicht unbedingt ein Grund für Gore-Hounds, sich dieses Werk ansehen zu müssen (wenn es nur darauf ankommt).  

 
"Die Nackte und der Kardinal" ist nicht unbedingt das, was man erwarten könnte, dabei aber eine positive Wundertüte. Fulci-Fans sei der, trotz eines wahrscheinlich ungewohnten Auftretens, definitiv ans Herz gelegt...oder gerade deswegen. Wer sich sonst dafür interessieren könnte, eher schwer zu sagen. Vielleicht die Leute, die von Exploitation-Filmen aufgrund ihres trashigen Rufs immer Abstand nehmen. Das geht auch (leicht) anders. Solche Filme werden heute einfach nicht mehr gemacht und sind allein deshalb immer einen Versuch wert. Der hier wäre ein guter Einstiegstitel. 

 
7 von 10 Familien im Folterkeller

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen