Review: SCHULD SIND IMMER DIE ANDEREN – Der beste deutsche Film des Jahres?



Fakten:
Schuld sind immer die anderen
Deutschland. 2013. Regie: Lars-Gunnar Lotz. Buch: Anna Maria Prassler, Lars-Gunnar Lotz. Mit. Edin Hasanovic, Julia Brendler, Pit Bukowski, Marc Benjamin Puch, Natalia Christina Rudziewicz, Vladimira Alec u.a. Länge: 93 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Ab 17. Januar 2014 auf DVD erhältlich.


Story:
Der junge Ben, ein brutaler Schläger, sitzt wegen seiner Straftaten im Gefängnis. Obwohl er kaum Reue zeigt wird ihm in einer Einrichtung des Freien Vollzugs die Chance auf eine Resozialisation gegeben. In dieser Einrichtung trifft er aber auf eines seiner Opfer, Eva, die zusammengeschlagen wurde und dabei ihr ungeborenes Baby verloren hat. Für Ben und Eva wird das Zusammenleben zu einem schmalen Grat aus Rache, Reue und Verzeihen.




Meinung:
Ben ist wegen Überfällen und Körperverletzung im Knast. Reue verspürt er gar keine. Trotzdem erhält er eine Chance auf einen zweiten Versuch. In einer sozialen Einrichtung soll er resozialisiert werden, seine Aggressionen in den Griff bekommen, wieder zu einem normalen Leben gelangen. Und dort herrschen strenge Regeln. Disziplin ist am wichtigsten. Ben will zwar nicht unbedingt, aber so sieht er am ehesten die Möglichkeit, wieder aus dem Gefängnis zu kommen. Also macht er mit, doch immer wieder fällt er in alte Verhaltensweisen zurück. Und dann muss er auch noch feststellen, dass die Leiterin dieser Einrichtung eines seiner Opfer ist. Er hat sie brutal zusammengeschlagen und Eva hat dabei ihr Kind verloren. Aber um wahre Reue zu zeigen, dafür ist Ben noch nicht weit genug.
Steht der Täter zu seiner Schuld? Zeigt er Reue? Und übernimmt er Verantwortung? Aber auch die Frage, ob man verzeihen kann. Ob das Opfer verzeihen kann. Das sind zentrale Fragen, die der Film aufwirft


Für Eva ist die Konfrontation mit Ben nicht leicht
Der Film ist sperrig und unangenehm. Und er braucht seine Zeit. Anfangs könnte man meinen, dass es ein klischeeüberladener Film über schwierige Jugendliche wird. Aber im Lauf der Spieldauer wird der Film immer intensiver und es entwickelt sich nach und nach eine angespannte Atmosphäre. Besonders die direkte Konfrontation von Ben und der Leiterin Eva ist hochpackend. Durch ansprechenden Musikeinsatz, oft sind es auch einfach Geräusche oder Atmen, und durch die Kamera verstärkt Regisseur Lars-Gunnar Lotz diesen Eindruck noch. Spannend auch zu beobachten, wie so langsam die klare Linie zwischen Täter und Opfer verschwinden, wenn Eva ihre eigenen kleinen Racheakte vollzieht, ihre Erfahrungen auf ihre Weise verarbeitet. Die nominellen Sympathieträger sind gar nicht so sympathisch. Und die unsympathischen Figuren sind nicht nur unsympathisch. Nicht nur schwarz-weiß denken. Das macht der Film klasse.


Die Story klingt zwar einigermaßen unrealistisch und irgendwie zufällig oder konstruiert, aber Lotz und Drehbuchautorin Anna Maria Prassler schaffen es trotzdem, alles einigermaßen plausibel und vor allem authentisch erscheinen zu lassen, was aber zu einem großen Teil auch an den guten Darstellern liegt. Hervorzuheben ist Edin Hasanovic als Ben. Sein Ben ist ne absolute Bombe. Mal ein wilder Tiger, dann wieder wie ein verschüchtertes Kätzchen. Der Wechsel von wütendem Schläger hin zum nachdenklichen jungen Mann meistert er klasse. Man hasst ihn und mag ihn. Man verurteilt seine Taten und fühlt dennoch mit ihm.


Wieder mal beweist ein kleiner Film, dass in der deutsch(sprachig)en Filmlandschaft nicht alles verloren ist. Lars-Gunnar Lotz' "Schuld sind immer die anderen" ist ein wahrer Lichtblick! Hoffentlich war es nicht wieder nur ein kurzes Aufflackern.



8,5 von 10 Tritte in die Magengegend.




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