Fakten:
Cemetery
of Splendour (Rak Ti Khon Kaen)
DE/FR/GB/KR/MX/MY/NO/TH,
2015. Regie & Buch: Apichatpong Weerasethakul. Mit: Jenjira
Pongpas, Banlop Lomnoi, Jarinpattra Rueangram, Sakda Kaewbuadee,
Boonyarak Bodlakorn, Petcharat Chaiburi u.a. Länge: 122 Minuten.
FSK: Ohne Altersbeschränkung. Im Kino.
Story:
In
einem thailändischen Krankenhaus liegen mehrere Soldaten, die alle
unter einer mysteriösen Schlafkrankheit leiden. Die meiste Zeit über
befinden sie sich im Tiefschlaf und falls sie doch mal aufwachen
sollten, kann es jederzeit passieren, dass sie von einem auf den
nächsten Moment sofort wieder einschlafen. Jen ist eine
ehrenamtliche Helferin, welche die Patienten betreut, ihnen
Aufmerksamkeit spendet oder sie wäscht. Zu einem der Patienten spürt
die Frau eine besondere Verbindung und so beginnt sie, mithilfe einer
anderen Frau, welche mediale Fähigkeiten zu haben scheint, mit ihm
in seinen Träumen in Kontakt zu treten.
Meinung:
Apichatpong
Weerasethakul ist mit einem neuen Werk in die Kinos zurückgekehrt.
Fünf Jahre, nachdem er mit „Uncle Boonmee erinnert sich an seine
früheren Leben“, ein spirituell-mystischer Trip zwischen Jenseits
und Diesseits, Wachzustand und Traumwanderung, die goldene Palme bei
den Filmfestspielen in Cannes gewonnen hat, meldet sich der
thailändische Auteur mit einem neuen Langfilm zurück. Dieser trägt
wenig überraschend die unverwechselbare, eigenständige Handschrift
des ungewöhnlichen Regisseurs und ist bereits nach wenigen Minuten
und Szenen als eindeutiges Schaffenswerk von Weerasethakul erkennbar.
Dezente Nachtbeleuchtung |
Eine
zum Krankenhaus umfunktionierte Schule dient als Unterbringung
mehrerer Soldaten, die alle unter einer mysteriösen Schlafkrankheit
leiden. Die meiste Zeit über befinden sie sich im absoluten
Tiefschlaf und sollten sie mal wach sein, kann es jederzeit
überraschend passieren, dass sie auf der Stelle wieder in den
Tiefschlaf fallen. Inmitten dieses bereits außergewöhnlichen
Szenarios beleuchtet der Regisseur die Beziehung zwischen Jen, einer
ehrenamtlichen Pflegerin mit körperlicher Behinderung sowie
chronischem Schlafmangel, und Itt, einem Patienten, zu dem die ältere
Frau eine besondere Verbindung zu spüren scheint. Die eigentlichen
Handlungselemente sind für Weerasethakul abermals bloße
Stützpfeiler, im extremsten Fall grob angedeutete Skizzierungen, die
dem Regisseur erneut eine Spielwiese für dessen Stil bieten.
„Cemetery of Splendour“ verschreibt sich gänzlich seiner äußerst
ruhigen und langsamen Erzählart, sodass der Betrachter aufgrund der
statischen, langen Einstellungen sowie der markanten Tonkulisse in
eine Art meditative Trance verfällt, die einem oftmals wie ein
wohliger Dämmerschlaf erscheint. Der Regisseur setzt wieder auf
seine liebsten Motive, bei denen er Traum und Realität zunehmend
miteinander verschmelzen lässt und dabei Elemente wie
Seelenwanderung, Reinkarnation, Geistererscheinungen, poetische
Spiritualität sowie politische Bezüge seines eigenen
Herkunftslandes anschneidet.
Der Himmel? Der Fluss? Der Fluss im Himmel?? |
Einzelne
Szenen fließen wohlig ineinander, das Zirpen der Grillen, das
Rauschen des Windes durch die Blätter und das Knarzen des
Unterholzes bilden eine geradezu hypnotisierende Einheit und vor
allem das auffällige Spiel mit Licht und pulsierenden Farben,
Bewegung und Entschleunigung bilden den inszenatorischen Teppich für
diese eigenwillige Geschichte. Um diesem Film komplett verfallen zu
können, ist sicherlich Geduld, Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit
nötig. Weerasethakul stellt sein Publikum in vielen Momenten
durchaus auf die Probe, wenn er manche Einstellungen fast schon
provokativ langgezogen hält und augenscheinliche Nichtigkeiten
gefühlt endlos ausdehnt. Hinzu kommen einige Einlagen, die
vermutlich humorvoll gemeint sind und das Geschehen auflockern
sollen, aufgrund ihres ziemlich albernen Tonfalls allerdings eher
irritieren und den ansonsten gemäßigten, zurückgenommenen
Erzählfluss unsanft aufbrechen. Weshalb der Regisseur gefühlt eine
Minute lang einen Mann zeigt, welcher seinen Stuhlgang in einem
Gebüsch verrichtet oder Szenen monotoner Gymnastik, mag sich einem
auch nach der Sichtung nicht wirklich erschließen. Bei der
Figurenzeichnung hingegen lässt sich dieser Vorwurf nicht anbringen,
denn vor allem die sympathische Hauptfigur Jen, die immer wieder mit
einer warmen Altersweisheit und sarkastischen Bemerkungen glänzt,
ist der ideale Fixpunkt in diesem mystisch-wirren Ausflug.
Ob
die Soldaten nun unter einer Art posttraumatischem Stresssyndrom
leiden oder wirklich von den Geistern jahrhundertealter Könige in
Besitz genommen werden, welche durch deren Energie alte Schlachten
kämpfen, bleibt ebenso ein Geheimnis wie die Frage, ob sich in einer
Szene die Geister zweier Prinzessinnen zu Jen an den Tisch gesellen
oder diese gerade träumt. „Cemetery of Splendour“ ist Kino als
Meditation, Film gedacht als schummriger Spaziergang zwischen
mystischer Naturkulisse, banalen Alltagssituationen und verwirrender
Verschmelzung von Realität und Traumzustand. In den faszinierendsten
Momenten gewinnt Apichatpong Weerasethakul seinen Bildern eine fast
schon transzendentale Magie ab. In anderen Szenen wiederum stellt
sich das Werk als wahre Geduldsprobe heraus, welches mit unnötig
langgezogenen, unbedeutend erscheinenden Einzelmomenten und
unpassender Humorfärbung irritiert wie herausfordert. Zudem könnte
man bemängeln, dass der Regisseur hier inszenatorisch und
hinsichtlich seiner inhaltlichen Motive Stillstand auf hohem Niveau
betreibt und eine wirkliche Weiterentwicklung eher schwierig
auszumachen ist. Ein echter Weerasethakul eben.
6,5
von 10 im plötzlichen Tiefschlaf endende Kinobesuche
von
Pat
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen