FR, 2010. Regie & Buch:
Quentin Dupieux. Mit: Stephen Spinella, Jack Plotnick, Wings Hauser,
Roxane Mesquida, Ethan Cohn u.a. Länge: 82 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16
Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Der Autoreifen Robert erwacht auf einem Müllplatz mitten in
der Wüste zum Leben. Zunächst tötet er kleine Tiere indem er diese überrollt,
bald entdeckt er jedoch seine Fähigkeit Tiere und auch Menschen mittels
Telekinese zum Explodieren zu bringen. Als er die junge Sheila entdeckt ist es
Liebe auf den ersten Blick.
Meinung:
Quentin Dupieux ist unter Fans des absurden und abgedrehten
Films längst kein Unbekannter mehr, so schuf er in den letzten Jahren ein ums
andere Mal Werke, die von einem pointierten und zurückhaltenden Surrealismus
eines Bunuel geprägt waren. Vor allem das Alltägliche verwandelte er dabei in
Irrsinn, unbedeutende Kleinigkeiten, die er jedoch bis zur Unkenntlichkeit
verzerrt. Und das immer wieder, bis seine Filme angefüllt damit ein
erzählerisch komplett unsinniges Gesamtbild ergeben. Surrealismus seiner selbst
wegen, Subversion von Form und Inhalt ohne erkennbaren Grund, schlichtweg weil
es ihm gefällt. Dabei ist „Rubber“ wohl sein bester und auch wichtigster Film,
denn darin erklärt er auf eigensinnige Weise seine filmische Überzeugung.
Was gibt es hier zu sehen?
Diese Überzeugung lautet
'Reine Willkür'. Das erklärt uns Dupieux gleich zu Beginn, in einem bewusst
abstrus inszenierten Monolog macht er den Zuschauern klar, dass reine Willkür
das am häufigsten genutzte Stilmittel der Filmgeschichte ist und das „Rubber“
eine Hommage an die reine Willkür darstellt. Damit dürfte klar sein, dass man
sich genau eine Frage während des gesamten Films sparen kann: Warum? Denn die
Antwort darauf lautet stets reine Willkür. In gewisser Weise ist das wohl der
Schlüssel für alle Filme von Dupieux, denn wer dort nach Logik und Gründen
sucht hat den Regisseur wohl (noch) nicht verstanden. Das alles erklärt er in
Form von Lieutenand Chad, jedoch nicht nur uns, sondern auch den Zuschauern.
Wer sich jetzt verdutzt über den letzten Satz wundert, der hat „Rubber“ wohl
noch nicht gesehen, denn der Film beinhaltet eine Gruppe von Zuschauern, die
mit Ferngläser bestückt das Treiben des mörderischen Reifens beobachten. Der
trägt den sympathischen Namen Robert, rollt sich fröhlich durch die Wüste und
nutzt seine telekinetischen Fähigkeiten um Tiere und Menschen zu töten.
Spielerisch schafft es Dupieux diesem unbelebten Objekt Charakter einzuhauchen
und ihn gleichermaßen als Antagonist und Protagonist, als Gefahr und
Belustigung darzustellen.
Ein Reifen findet die große Liebe!
„Rubber“ ist ein Werk über
die Beziehung des Zuschauers zum Film, über die Wechselwirkung von Medium und
Betrachter. Doch Dupieux durchbricht die vierte Wand nicht nur, vielmehr
errichtet er ein Labyrinth aus vierten Wänden und wer hier wer ist wird schnell
unklar. Dabei ist er gleichermaßen auch eine Allegorie auf das Konsumverhalten
des Zuschauers, der zwar einerseits blind frisst was ihm vorgesetzt wird,
andererseits dennoch ständig die Frage nach Logik stellt. Ein Widerspruch in
sich, einer von vielen Momenten, der die Rolle des Zuschauers hinterfragt. Das
interessanteste an „Rubber“ ist jedoch, dass man als Zuschauer nicht aufhören
kann den tieferen Sinn zu suchen, obwohl Dupieux unmissverständlich klar macht,
dass alles auf reiner Willkür basiert und man den Film nicht
(über)interpretieren soll. Damit hält er dem Betrachter geschickt den Spiegel
vor, verspottet ihn fast schon und dennoch erhält der Film dadurch doch eine
Intention. Ein Kreis, der von keiner Partei durchbrochen werden kann und in
sich selbst mindestens genauso unsinnig wie der komplette Film ist.
„Rubber“ ist jedoch auch ein Film der allen Erwartungen Lügen
straft. Was auf den ersten Blick unverkennbar nach Trash aussieht, hat damit
letztlich nur wenig zu tun. Überhaupt lässt sich dieser Film in kein Genre
pressen. Horror? Thriller? Komödie? Zwar sind Elemente aus allen Genres
durchaus vorhanden, doch mit jedem Überbegriff tut man dem Film auch unrecht.
Denn „Rubber“ ist ein Antifilm, viel zu abgedreht um auf ein Genre beschränkt
zu werden und genau deswegen auch so gut.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen