Review: CHI-RAQ - Banden-Kriminalität und griechische Komödie im gegenwärtigen Chicago



Fakten:
Chi-Raq
US. 2016. Regie: Spike Lee. Buch: Spike Lee, Kevin Willmott. Mit: Samuel L. Jackson, John
Cusack, Nick Cannon, Teyonah Parris, Wesley Snipes, Jennifer Hudson, Dave Chappelle u.a.
Länge: 126 Minuten. FSK: Ungeprüft. Kinostart noch nicht bekannt.


Story:
Im Chicago der Gegenwart regieren Gewalt und Kriminalität zwischen verfeindeten Gangs die Tagesordnung und fordern unzählige unschuldige Opfer. Um diesem Krieg ein Ende zu bereiten, entwickelt die Freundin des Anführers einer der beiden Gangs einen Plan. Sie will alle Frauen dazu bewegen, ihren Männern den Sex zu verweigern und somit zu einem Friedensschluss zu führen.




Meinung:
Die Filme von Regisseur Spike Lee waren vor allem in seinem frühen Schaffen immer von starken sozialen Untertönen geprägt, mit gesellschaftskritischem Eifer durchzogen und konzentrierten sich vordergründig auf die afro-amerikanische Bevölkerung der vereinigten Staaten. Werke wie "Do the Right Thing" leisteten beispielsweise einen ungemein wertvollen Beitrag zur brisanten Rassismus-Debatte, welche regelmäßig aufkommt. Seit der Kooperation mit großen Filmstudios zeichnete sich im qualitativen Schaffen von Lee allerdings ein gewisser Abwärtstrend ab, der zusammen mit einigen Negativ-Schlagzeilen bezüglich gewisser Aussagen des Regisseurs für zwiegespaltene Meinungen gegenüber diesem sorgte. 

                                                                                         
In der Hood ist wieder mal die Hölle los
"Da" Sweet Blood of Jesus", der unabhängig durch Kickstarter finanziert wurde, markierte zuletzt eine Rückkehr des Regisseurs zu deutlich experimentelleren Wurzeln und zeigte einen wesentlich befreiteren Lee. "Chi-Raq", der von den Amazon Studios produziert wurde, ist nun aber vor allem inhaltlich eine Rückkehr zu sozialkritischen Ansätzen. Der Regisseur inszeniert mit Fakten, Off-Sprecher und eindeutigen Bildern die Lage des gegenwärtigen Chicagos, in dem seit vielen Jahren mehr afro-amerikanische Bürger durch andere afro-amerikanische Bürger gestorben sind, als Soldaten im Irak-Krieg oder Afghanistan-Krieg gefallen sind. Wie schon der vorherige Film ist "Chi-Raq" audiovisuell dabei ein äußerst lebendiger und energiegeladener Streifen, der häufig eher wie ein wildgewordener Musik-Clip wirkt. Doch auch tragische Szenen wie eine Mutter, die das Blut ihrer verstorbenen, siebenjährigen Tochter von der Straße wischt, welche zwischen die Fronten eines Bandenkriegs geraten ist, sprechen eine klare Sprache und verdeutlichen die drastische Brisanz der grundlegenden Aussage des Streifens, der ein Mahnmal ist und einem Notruf gleichkommt.


Für
Diese Damen haben die zündende Idee...
eine mögliche Lösung bedient sich der Regisseur bei der griechischen Komödie "Lysistrata", in 
der sich die Frauen großer Feldherren sexuell verweigerten, um einen Friedensschluss zwischen verfeindeten Parteien zu erzwingen. Lee überträgt dieses Szenario in die Gegenwart der Gangs und damit auch die lyrischen Dialoge, durch die sämtliche Figuren überwiegend in Vers-Form sprechen. Bis hierhin ist "Chi-Raq" ein Film, der hinsichtlich seiner gesellschaftskritischen Brisanz und der Entwicklung origineller Stilmittel überaus treffsicher ist, doch spätestens mit Erreichen der Halbzeit herrscht urplötzlich erschreckender Stillstand. Lee hat seinen vorangegangenen Aussagen, so gewichtig sie auch sind, nichts mehr hinzuzufügen und die gesamte Handlung verläuft ununterbrochen redundant. Neben seiner Ernsthaftigkeit möchte der Film zudem noch eine überspitzte Satire sein, wobei einige Szenen in dermaßen alberne Gefilde rutschen, dass eher das Nervenkostüm strapaziert wird, anstatt die Lachmuskeln zu kitzeln. In "Da Sweet Blood of Jesus" hat sich zwar inhaltlich auch an einem gewissen Punkt nicht mehr viel getan, doch der war ein reiner Stimmungsfilm, feinstes "Style over Substance". Doch bei einem Film wie "Chi-Raq", den Lee nach eigener Aussage drehte, um künftig Leben zu retten, ist diese erzählerische Unausgewogenheit sowie inhaltliche Redundanz fatal und lässt den anfangs so gelungenen Eindruck extrem einbrechen.


Natürlich ändert sich dadurch an der grundlegenden Aussage des Films nichts und man kann 
Spike Lee auch keineswegs einen Vorwurf machen, diesen gedreht zu haben. Trotz der komplett richtigen Absicht leidet "Chi-Raq" aber massiv unter seinem schludrigen Drehbuch, das von Lee und seinem Co-Autor Kevin Willmott deutliche Straffungen und Überarbeitungen nötig gehabt hätte. Es bleibt somit der Gesamteindruck eines vielversprechenden Werks voller gelungener Ansätze und Stilmittel, das erzählerisch im faden Nirgendwo versumpft und seiner grundsätzlichen Aussage wenig bis nichts hinzuzufügen hat. 


5,5
von 10 live im Fernsehen übertragene Sex-Duelle

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