Review: BONE TOMAHAWK – Kannibalen und der Wilde Westen



                                                                            

Fakten:
Bone Tomahawk
US, 2015. Regie & Buch: S. Craig Zahler. Mit: Kurt Russell, Patrick Wilson, Matthew Fox, Richard Jenkins, Lili Simmons, David Arquette, Sean Young, Sid Haig u.a. Länge: 132 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Ab dem 21. Januar 2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Eine Gruppe unbekannter Angreifer überfällt unbemerkt ein Dorf bei Nacht, tötet einen Mann und nimmt drei weitere Gefangene, darunter auch die Frau eines verletzten Cowboys. Der will seine Frau natürlich retten und schließt sich mit dem Sheriff, einem alten Trottel und einem edlen Killer zusammen. Die Rettungsmission führt die vier ungleichen Männer durch allerhand Gefahren.

                                                                            

Meinung:
Das Debüt eines jungen Regisseurs verdient verständlicherweise immer besonderes Augenmerk, ein unbekanntes Element wird in die Gleichung gebracht und gespannt fragt man sich ob in ihm vielleicht ein größeres Talent schlummert. Bei S. Craig Zahler handelt es sich um einen solchen Mann, der mit „Bone Tomahawk“ ein auf dem Papier höchst interessantes Projekt entworfen hat. Horrorwestern mit Kannibalen findet man nicht an jeder Ecke, der fertige Film kann die hohen Erwartungen aber nur zum Teil erfüllen, was jedoch weniger an der Qualität sondern vielmehr an der falschen Erwartungshaltung liegt.


Bereit zur Rettungsmission
Wer sich von „Bone Tomahawk“ einen rasanten Genremix erwartet wird zwangsläufig enttäuscht werden, denn über weite Strecken handelt es sich bei dem Film um einen sehr geerdeten Western. Schon die Geschichte ist typisch für das Genre, ein Überfall, eine Entführung und schließlich die Rettungsaktion. Oftmals sind es Indianer, hier bekommen wir es mit Kannibalen zu tun, was der kompletten Verfolgung zwar mehr Dringlichkeit verleiht, für den Zuschauer jedoch keinen großen Unterschied macht. Auch die Charaktere sind die üblichen Archetypen, die man so schon unzählige Male gesehen hat, aber auch immer noch gerne sieht, denn das Vierergespann im Kern der Geschichte wirkt wie ein Best-of beliebter Westernfiguren. Zum einen der erfahrene und rechtschaffene Sheriff (herrlich von einem graubärtigen Kurt Russell verkörpert), dazu einen alten und etwas idiotischen Hilfssheriff und einen kaltblütigen Killer, den eine private Rachegeschichte verfolgt. Komplettiert wird die Gruppe vom emotionalen Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, einem verletzten Cowboy, der die Liebe seines Lebens aus den Fängen der Kannibalen befreien will. In Interaktion miteinander funktionieren die Charaktere dabei auch ausgezeichnet, Streitgespräche und Dialogspitzen liefern einige pointiert gesetzte Lacher und die Dynamik in der Gruppe sorgt dafür, dass man sie als Zuschauer gern bei ihrer Reise begleitet. Konflikte untereinander werden nur angedeutet, was dem Film im Ganzen aber keinen großen Abbruch tut.


Rat mal, wer zum Essen kommt...
Einen Hauptteil der Handlung nimmt die besagte Reise ein, die sich schnell als ein kräftezehrender und gefährlicher Trip entpuppt. Für alle Beteiligten wird der Weg zu einem Kampf mit der widerspenstigen Wildnis und im speziellen Fall von Patrick Wilson und seinem gebrochenen Bein auch mit sich selbst. Diesen Überlebenskampf fängt Zahler in langsamen, aber sehr stilsicheren Bildern ein und lässt die Szenerie damit zu einem unbarmherzigen und ungemütlichen Ort werden. Die ein oder andere Straffung in den ersten zwei Drittel hätte dem Film dabei sicher gut getan, zwar verkommt er trotz langsamen Pacing nie zu einem Langweiler, durch eine etwas rasantere und zielstrebigere Inszenierung hätte man jedoch noch deutlich mehr Potential aus dem Film kitzeln können. Im mitreißenden Finale wirft „Bone Tomahawk“ dann schließlich seine komplette Langsamkeit über Bord und schafft es zu einem rasanten Actionspektakel zu werden. Hier zeigt sich auch warum der Film als Horrorfilm betitelt wird, mit expliziten Gewaltszenen versehen gelingt es dem Höhepunkt zu einem brachialen und mitreißenden Kampf zu werden, indem beide Parteien miteinander kollidieren und physische Gewalt erbarmungslos aneinander kracht. Durch die vorangegangene Ruhe der Inszenierung wirken die Gewaltspitzen noch heftiger und erzeugen allein schon durch ihr plötzliches und unbarmherziges Auftreten für Spannung.


In seinem Regiedebüt beweist Craig Zahler nicht nur Gespür fürs Westerngenre, sondern schafft es auch atmosphärisch stimmige Bilder zu erzeugen. Zwar hätte der Film an manchen Ecken durchaus eine Straffung vertragen können, das dahinter stehende Gerüst weiß jedoch zu überzeugen. Ein eigensinnig, aber durchaus geglücktes Experiment, dass Zahler auf jeden Fall zu einem Regisseur macht, den man in den nächsten Jahren im Auge behalten sollte.

6 von 10 gespaltene Schädel

von Vitellone

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