Review: EX DRUMMER - Als würde die Super Nanny angekotzt


Fakten:
Ex Drummer
Belgien. 2007. Regie: Koen Mortier. Buch: Koen Mortier, Herman Brusselmans (Vorlage). Mit: Dries Van Hegen, Norman Baert, Sam Louwyck, Bernadette Dammanm, Gunter Lamoot, Tristan Versteven, Dolores Bouckaert, Francois Beukelaers, Jan Hammeneceker u.a. Länge: 101 Minute. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Der vom Erfolg verwöhnte Schriftsteller Dries von einem heruntergekommenen Trio gefragt, ob er in ihrer Band als Drummer einsteigt. Dries willigt ein, denn er ist von der maroden wie anormalen Ausstrahlung der drei jungen Männer fasziniert. Nach und nach begleitet er seine neuen Bandkollegen auch abseits der musikalischen Pfade und dringt in deren sehr speziellen Alltag ein.




Meinung:
Mitleid funktioniert immer. Nicht erst seit dem Super-Pädagogen, Finanzexperten und Renovierungsarmeen medial dafür sorgen, dass auch jeder kleinste Blickwinkel eines Haushalts be- und durchleuchtet wird. Wir sind alle bereits Zeugen geworden von solchen Gutmensch-Aktionen, ja vielleicht haben wir selbst solche Aktionen bereits durchgeführt, vielleicht sogar mit einer Kamera. Fakt ist das Elend bietet zum einen eine große Projektionsfläche und zum anderen eine enorme Anziehungskraft. Kein Wunder dass sich neben dem Fast-Food Mitleid der Privatsender auch kulturelle Medien sich dem Thema annehmen.


Die Liste von Filmen, die dem Zuschauer eine arme Welt aufzeigen ist lang. Immer wieder versuchen Regisseure, Produzenten, Autoren, Darsteller und Kameraleute die Armseligkeit in passende, bekannte Formen zu pressen. „Ex Drummer“ erfüllt diese Form im depressivsten Grau und doch ist der belgische Film von Koen Mortier mehr als nur ein weiterer Elendstourist. „Ex Drummer“ ist keine Reflexion über die untere Gesellschaft, es ist vielmehr eine gellende, finstere und bis ins Mark unangenehme Satire.


Blut, Gewalt, Schmutz. Willkommen bei "Ex Drummer"
„Ex Drummer“ besitzt einen außergewöhnlichen, visuellen Stil. Die Macher verstehen es wirklich wie man Bilder entwirft, die im Hirn kleben bleiben. Dafür setzt der Film auch auf Ekeleffekte und drastische, unverhüllte Einsichten auf die Morbidität der Gesellschaft. Abschrecken aber gleichzeitig dennoch anziehend – eine seltsame Mixtur die hier gut funktioniert. Allerdings wiederholt sich „Ex Drummer“ in seinen Extremen und visuellen Spielerei recht häufig. Während die Extreme auch nach dem dritten Mal wirksam sind, verlieren die schrägen Perspektiven an Reiz und lassen den Film länger wirken als er nicht. Des Weiteren stellt sich so schnell das Gefühl ein, dass alles viel zu zwanghaft auf künstlerisch hochwertig getrimmt wurde. Wobei hochwertig ein Wort ist, dass einem beim rüden und dreckigen „Ex Drummer“ eher selten in den Sinn kommt.


„Ex Drummer“ ist ein Brocken von einem Film. Symbolisch, interpretativ, skandalös, grob, brutal und pervers. Aber seine hinter dieser ungehobelten und rauen Schale steckt eine wirklich gute Satire mit verspieltem Charakter, die allerdings aus dem grimmigen Zentrum erst einmal freigelegt werden muss. Dass ist nicht einfach und erfordert gewiss auch viel Sympathie gegenüber dem Film und seinen Stilmitteln, aber es lohnt sich. Denn „Ex Drummer“ erweist sich als tobender Angriff auf die gesellschaftliche Norm des Mitleids. Fast so als ob die Super Nanny angekotzt würde.


8 von 10 Mitleidspunkten

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