Review: EYES OF CRYSTAL - Gelbe Farbe im neuen Jahrtausend

                                                        


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Fakten:
Eyes of Crystal (Occhi di cristallo)
IT, ES, GB, 2004. Regie: Eros Puglielli. Buch: Gabriella Blasi. Mit: Luigi Lo Cascio, Desislava Tenekedjieva, Simón Andreu, José Ángel Egido, Lucia Jiménez, Eusebio Poncela u.a. Länge: 108 Minuten. FSK: 16 (cut), uncut keine FSK Freigabe. Auf DVD erhältlich.

Story:
Inspektor Amaldi und sein Partner Frese ermitteln in einem bestialischen Dreifachmord, der im ersten Moment wie eine affektive Beziehungstat scheint. Für Amaldi ist sofort klar, dass hier ein überlegter, besessener Serienkiller am Werk ist, was sich schnell bestätigt. Der Killer sammelt Körperteile für eine lebensgroße Puppe. Die Spur führt in die Szenen der Präperatoren. Amaldi verfolgt zeitgleich das Stalking einer hübschen Studentin, der er bald verfallen ist. Die beiden Fälle sind sich näher, als er zunächst glaubt.

 



Meinung:
Es ist selten, aber es geht ja scheinbar. Das seit den 80ern nur noch spärlich belebte und irgendwann ausgestorbene Genre des Giallo kann wiederbelebt werden, wenn die entsprechenden Hebel gezogen werden. Regisseur Eros Puglielli beschreitet den genau richtigen Weg: Er greift auf die gängigen Methoden, böse Zungen mögen es Klischees nennen, der alten Schule zurück, lässt seinen Film gleichzeitig aber nicht bemüht retro wirken. Die Mischung funktioniert ausgezeichnet, da hier das Alter und die Moderne wunderbar zusammengefügt wird.

 

Amaldi auf der Spur des Killers
Die Story beinhaltet und folgt den Regeln des Genres, nutzt nicht nur gering klassische Motive, im Prinzip hätte der Film so auch in den 70ern gedreht werden können. Ein Killer mit traumatischer Kindheit, eine Puppe als Dreh- und Angelpunkt, das gab es damals schon. Das riecht aber nicht nach Plagiat oder Einfallslosigkeit, das darf als Hommage und Referenz an die prägenden Werke dieses vergilbten Genres verstanden werden. Interessant wird es dadurch, dass sich nicht verzweifelt an den Anspruch geklammert wird, einen Film zu drehen, der wie damals aussieht. Und doch wirkt vieles sehr vertraut, daran lässt sich erkennen, dass Puglielli nicht nur einen Giallo drehen wollte, sondern sie auch kennt und schätzt. Er transferiert einfach nur die gängigen Stilmittel in die Neuzeit und würzt, aber überwürzt sie nicht, mit den (damals) modernen Mitteln.

Brust der Keule?
"Eyes of Crystal" fühlt sich jederzeit wie ein typischer Genrebeitrag an, bedient aber gleichzeitig den Geschmack des jüngeren Publikums, einen verschachtelten Serienkillerfilm zu sehen. Da überhebt sich Puglielli etwas, denn was hier an Figuren und Handlungssträngen zunächst auf den Zuschauer einprasselt, erfordert Aufmerksamkeit. Das ist auch der einzige, größere Kritikpunkt, auch wenn der ausgedehnte Personenkreis irgendwann sogar (halbwegs) sinnvoll zu einem großen Ganzen verschmilzt. Letztendlich hat fast jede Figur und jede Idee seinen Platz in der Geschichte, nur wird es nicht unbedingt optimal erzählt. "Eyes of Crystal" hat erzählerische Lücken (was bei einem Giallo aber keinen Beinbruch darstellt), fokusiert sich manchmal nur etwas zu sehr auf den Versuch, das alles sinnvoll und geschickt zu verkaufen. Das hat der gar nicht nötig, denn allein auf die genretypischen Stärken gerichtet, ist das schon großartig.  
Atmosphärisch kann das Werk von Beginn an fesseln. Die Bilder, Einstellungen und visuellen Ideen funktionieren prächtig, gerade da ist das Verständnis für die Kunst dieser Filmgattung ersichtlich. Die Musik ist ein reiner Ohrwurm und unterstreicht jeden Moment perfekt. Der Härtegrad (in der Uncutfassung) ist deftig, aber der Handlung eben auch angemessen. So sehr die Geschichte manchmal hinken mag und einige falsche Fährten von vornherein klare Seifenblasen sind, die Spannung bricht niemals ab. Das reißt diesen Film so weit über den Durchschnitt oder gar einen netten Versuch, den tatsächlich ist "Eyes of Crystal" so gut, dass es traurig stimmt, wie sich Genregrößen wie Dario Argento mit   Gurken wie "Giallo" selbst ins Knie geschossen haben.

Für Fans der gelben Killerfilme eines der selten gewordenen Highlights, und selbst für alle neutralen Filmfreunde eine Empfehlung, denn hier wird extrem viel richtig gemacht. Eine Hommage mit genug Eigenständigkeit, etwas verquasteter, aber immer spannenden Geschichte und handwerklich verdammt sauber umgesetzt.


7,5 von 10 zusammengebastelten Körperteilen


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