Review: PROJECT: ALMANAC - Von der Unmöglichkeit einer Found-Footage-Zeitreise



Fakten:
Projekt: Almanac
USA, Australien. 2014. Regie: Dean Israelite. Buch: Jason Pagan, Andrew Deutschman. Mit: Jonny Weston, Sam Lerner, Allen Evangelista, Amy Landecker, Ginny Gardener, Gary Grubbs, Gary Weeks, Joshua Brady, Alexandra Bartee u.a. Länge: 106 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 5. März 2015 im Kino.


Story:
Obwohl David ein Nerd ist, kommt er dennoch sympathisch rüber. Der Ehrgeizling hat sich in den Kopf gesetzt, den diesjährigen Wissenschafts-Wettbewerb an der High School zu gewinnen, denn damit sollte man doch ganz gewiss die Damenwelt beeindrucken können – oder besser gesagt: ein ganz bestimmtes Mädchen. Nur welche Erfindung kann ihn zum erwünschten Gewinn führen? Als er das Labor seines Vaters nach inspirierenden Artefakten untersucht, macht er zwei folgenschwere Entdeckungen: Erstens ist sein Vater doch tatsächlich im Besitz einer Zeitmaschine! Und zweitens findet er einen Sportalmanach, der sämtliche Sport-Ergebnisse der vergangenen Jahre enthält. Wenn man diese beiden Dinge nur irgendwie verbinden könnte… Und während David noch grübelt, kommt ihm der Geistesblitz: gezielte Wettreisen in die Vergangenheit. Wie war das noch mit Störungen des Raum-Zeit-Kontinuums? Ach, Schwamm drüber, wird schon nicht so schlimm sein…





Meinung:
Filme über Zeitreisen sind meistens schon Zeitreisen an sich, so wie die verschiedenen Vorstellungen von jenem Konzept in der Ära verwurzelt sind, in denen sie cineastisch umgesetzt wurden. Regisseur Dean Israelite führt diese Tradition mit „Project Almanac“ fort und verpflanzt den wissenschaftlichen Eskapismus erneut ins mittelamerikanische Teenager-Dasein zwischen High School und College. Das technische Genie David (Jonny Weston) wird darin zwar auf der MIT angenommen, kriegt aber kaum die Kohle zusammen, um sein Studium komplett finanzieren zu können. Seine Mutter verkauft dafür schon das Haus, doch ihm strebt danach, Verantwortung für sein Leben und seine Mitmenschen zu übernehmen. So sucht er zusammen mit seinen Freunden Adam und Quinn sowie Schwester Christina in den Aufzeichnungen seines ebenso Technik-begeisterten, doch längst toten Vater herum, um vielleicht etwas Hilfreich-Innovatives zu entdecken. Die eintrudelnde „Innovation“ ist sodann zwar ein recht alteingesessenes High-Concept, aber alles der Reihe nach. So findet unser Suchtrupp auf einem zehn Jahre alten DV-Band - von der letzten Geburtstagsfeier mit dem Familienoberhaupt - glatt den David von heute durchs Bild huschend vor!


Geld bringt Freunde zusammen...
Es gilt, dahingehend nachzuforschen und bald findet man im Keller die Komponenten für eine waschechte Zeitmaschine. Welche Möglichkeiten sich da doch für die Kids ergeben, sowohl vorteilhafte, als auch zwangsläufig unvorteilhafte – denn wer mit der Zeit spielt, erlebt irgendwann sein blaues Wunder, muss dafür die Verantwortung übernehmen (dreimal darf man raten, wer sich dazu berufen fühlt.) So beliebig das Szenario klingt, wird das gängige Genre-Prozedere dann auch durchgespielt. Die einzelnen Gelüste und Sehnsüchte der Jugendlichen, die durch den Zeitreise-Trip erfüllt werden, halten sich dennoch meist auf einem recht bodenständigen Level entbehrlicher Unterhaltungen, wie es der heutigen Spaßgesellschaft nun mal am Ehesten einfällt. Da manipuliert man die Lottozahlen und besorgt sich heiße Karren, hält den langweiligen Unterricht an und knallt sich direkt aufs Lollapalooza. Auf dem werden sodann ganz nebenbei die „Teen-tauglichen“ Imagine Dragons mit ihrem mehr oder weniger populären Song vom „Seelen“-Soundtrack, „Radioactive“, eingebunden, wie auch andere Produkte und Markennamen, die bei den Kids (welche sich scheinbar ausschließlich durch „Dude!“ und „Holy Shit!“ kommunizieren) heutzutage so ankommen.


...Geld bringt aber auch Neider
Man sollte nämlich wissen, dass „Project Almanac“ eine dieser von Michael Bay-betreuten Platinum Dunes-Produktionen darstellt. So verwundert es eben nicht, dass die oben genannte Band nach ihrem Einsatz bei „Transformers 4“ quasi als Tie-In erneut die Bühne betritt, während die Produkt-Palette der Sponsoren ebenso öfter als genug ihre Werbefläche erhält. Klar konzentrieren sich Jugend und Menschheit nun mal auf Markennamen, da hilft der Film gerne nach. Einmal stehen Red Bull-Dosen direkt neben einem PC, auf den sich unser Blick zufällig gerade richtet, kurz darauf wird entschieden, eine Xbox 360 zu modden (darf man auch am Logo noch durchweg erkennen) und sowieso lautet die Faustregel: niemand darf irgendetwas von der Zeitmaschine verraten, weder auf Facebook, noch auf Twitter oder Instagram. Die doch recht unnatürlichen Werbeschaltungen gehen dabei Hand in Hand mit dem Found-Footage-Gimmick einher, anhand dessen der Plot erzählt wird und einen modernen Bezugspunkt erschaffen will. Dabei geht gerade dieser narrative Aspekt aufgrund seiner technischen Unlogik weit nach hinten los und zieht selbst den schon leicht aufpassenden Zuschauer aus dem Geschehen heraus.


 
So eine Zeitreise bringt nur Probleme
Irgendwann wird es ja sicherlich soweit sein, dass Smartphones und GoPros die Bildqualität einer 4K-Red Epic inne haben werden. Noch wirkt es aber arg befremdlich, dass diese hier trotzdem wie Handkameras abgelegt werden und stehen können (selbst dann wie von Hand wackeln); sauber Gespräche einfangen, die von weit weg in einem geschlossenen Auto abgehalten werden und die Schärfe auf ein wichtiges Story-Element verlagern und zoomen können, ohne dass sie jemand bedient. Auch fragt man sich, warum die Teens ihren Einbruch im Schullabor auf der Suche nach Hydrogenen komplett aufzeichnen, als ob das nicht der Konzentration abkömmlich wäre. Ein geregelter und möglichst nicht kompromittierender Schnitt sollte ja gegeben sein, schließlich laufen hier poppige Musikstücke in Montagen des Alltags ohne harte Brüche ab, geradezu „wie“ inszeniert. Da wäre eine filmischere Aufarbeitung des Ganzen, ohne ständige Erinnerung an den Home-Made-Faktor, weit stimmiger gewesen, so schwer man hier dem Filmischen hinterher jagt und dafür auch mal neben den Handheld-Sachen völlig wahllos Außenaufnahmen einsetzt (damit man auch sieht, dass in der ganzen Stadt mal der Strom ausfällt).


So müsste man sich nämlich auch keine Gedanken machen, wie das ganze gesammelte und offenbar zusammengeschnittene Material existieren kann, wenn alles Aufgenommene im Nachhinein nochmals durch einen Ritt in die Vergangenheit von der Timeline gestrichen wird. Was erwartet man aber auch von einem Film, der meint, bei jedem Eintritt in die Zeitreise würde von irgendwo her Laub aufgewirbelt kommen. Ganz zu schweigen davon, dass sich gegen Ende hin eine GoPro in eine DV-Kamera verwandelt, sobald zehn Jahre lang in die Zeit zurückreist wird. Aber hey, ist ja alles nicht so schlimm, erinnert ihr euch noch an Looper, Terminator und Timecop? Die Frage stellt der Film durch seine Charaktere dauernd und freut sich darüber, wie cool die doch waren. „Project Almanac“ wünschte eben, er könnte dazugehören, doch Flüchtigkeitsfehler und Mittellosigkeit im Ideenlager lassen sowas nun mal nicht zu, auch wenn der Enthusiasmus für die Idee und den Look einer Zeitreise durchaus gegeben ist.


4 von 10 Smileys im Nacken


vom Witte

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