Review: THE GRANDMASTER – Kar Wai Wong und die ehrfürchtige Hommage an den Kampfsport

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Fakten:
CN/FR/HK/US. 2013. Regie: Kar Wai Wong. Buch: Kar Wai Wong, Haofeng Xu, Jingzhi Zou. Mit: Tony Leung Chiu Wai, Ziyi Zhang, Cung Le, Chen Chang, Benshan Zhao, Qingxiang Wang, Elvis Tsui, Xiao Shen-Yang, Hoi-Pang Lo, Shun Lau, Jin Zhang u.a. Länge: 123 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Im Kino.


Story:
Ip Man ist ein verheiratet Familienvater und darf als wohlbetuchter Sohn eines Großgrundbesitzers ein sorgloses Leben im Süden Chinas, Mitte der 30er Jahre, führen. Im „Goldenen Pavillon“ von Foshan, einem luxuriösen Bordell, ist Ip Man ein gerngesehener Gast, nicht um die Lokalitäten zu benutzen, sondern um sich mit den anderen Kämpfern hier zu messen. Dort trifft Ip Man eines Tages auf den Kungfu-Großmeister aus dem Norden Gong Bao-Sen, der sein Amt ablegen möchte und gemäß der chinesischen Kampfsporttradition gegen den besten Kämpfer des Südens an und wird im Kampf gegen Ip Man besiegt – Ganz zum Zorn seiner Tochter Gong Er, die Ip Man herausfordert und tatsächlich gegen ihn gewinnt. Doch aus dieser Begegnung entsteht eine intensive Zuneigung, die durch die Invasion der Japaner auf eine harte Probe gestellt wird…




Meinung:
Wer an das weitgefächerte Sujet des Kampfsportes denkt, der findet sich natürlich in erster Linie in den fernöstlichen Künsten wieder und trifft unweigerlich in einem Gedankengang auf den imposanten Name Bruce Lee. Der kantonesische Kampfkünstler ist eine Legende und ein Vorbild, eine Ikone für alle die, die sich ebenfalls mit dem Kampfsport auseinandersetzen und ähnliche Fähigkeiten erlernen möchten. Ein disziplinierter Sportler, der der Philosophie des Kung-Fu so gerecht wurde, wie kaum ein anderer Schüler zuvor. Filme wie „Todesgrüße aus Shanghai“ oder „Die Todeskralle schlägt wieder zu“ sind bei seinen Anhängern in der heimischen Filmsammlung natürlich auf einem ganz besonderen Platz stationiert.  Wenn es aber eine Person gibt, die noch mehr Respekt im Kampfsportbereich genieß als Bruce Lee, dann ist es sein Lehrer Ip Man, dem respektvollen und ausgeglichenen Großmeister des Wing Chung.


Im Regen ist das Prügeln besonders schön
Und obwohl die aufregende Geschichte des Ip Man schon vor nicht allzu langer Zeit in einer  soliden Trilogie abgehandelt wurde, so hat sich der aus Hongkong stammende Regisseur Kar Wai Wong der Philosophie der chinesischen (Kampfsport-)Historie mit „The Grandmaster“ noch einmal gewidmet. Bei dem Namen Kar Wai Wong klingeln dem geneigten Filmfan beide Ohren, denn der Sonnenbrillenfetischist hat in der Vergangenheit mit Filmen wie „In the Mood of Love“ oder „2046“ bewiesen, dass er zu den versiertesten und fähigsten asiatischen Regisseuren unserer Zeit gehört, der sowohl die optischen Reize einer Geschichte wunderbar beherrscht, aber ebenso die zwischenmenschlichen Gefühle einfangen kann und eine Beziehung zweier Charaktere so für den Zuschauer in vollem Ausmaß fühlbar macht. Interessant ist an der Entscheidung einen Martial-Arts-Film zu inszenieren die Tatsache, dass, obwohl seine anderen Werke auch immer einen Teil seiner selbst reflektierten, auf seine persönliche Weltanschauung zurückzuführen ist. Natürlich ist „The Grandmaster“ dadurch ein ungemein persönlicher und wichtiger Film für Kar Wai Wong, nur heißt das noch lange nicht, dass es letzten Ende auch ein guter Film geworden ist.


Dabei lässt sich in „The Grandmaster“ die Liebe zur chinesischen Historie wunderbar beobachten, wenngleich Kar Wai Wong wenig Wert darauf legt, an die Zeit gebundene Ereignisse abzugrasen und exakt aufleben zu lassen. In erster Linie ist ein Film entstanden, der sich an seinem Stil bis zum Zerbersten ergötzt und ein echtes Emotionsgefilde aus dem farb- und konturenlosen Kalibrieren der Montagen ziehen möchte. Die Kameraarbeit von Shigeru Umebayashi ist ohne Zweifel ein Augenschmauß, wenngleich seine zentrierte Vorliebe für ausufernde Totalen mit der Zeit reichlich abgenutzt erscheint und den ästhetisch-präzisierten Fotografien keine wirklich überwältigende  Innovation  zugestehen kann. Gleiches gilt auch für die auditive Untermalung von Shigeru Umebayashi, die sich vordergründig aus sanften Orchesterstreichern und ruhigen Pianoklängen zusammensetzt und den introvertierten Grundtonus der Filmes natürlich gerecht wird, ihm aber auch nicht die nötigen Facetten verleiht, die die signifikante Thematik ohne Zweifel ausschöpfen hätte können – Vor allem bei einem solch begabten Regisseur.


Ip Man: Ein Kampfer mit Disziplin und Ehre
„The Grandmaster“ ist ein pietätvoll und ganz an den nostalgischen Bräuchen seines nationalen Kampfsports gebundener Kniefall vor der tradierten Philosophie des emotionalen Hintergrundes der physisch disziplinierten Kunst. Kar Wai Wong öffnet das Tor zu seiner Seele und folgt der eigenen Ideologie, begeht in seiner Inszenierung jedoch den Fehler, dass ihm der empathische Zugang zur melancholischen Introspektion seiner Charaktere zu  zeitintensiv erscheint und sich lieber mit einer elliptischen Staffelung sämtlicher Zeitabschnitte im Leben Ip Mans aufhält, ohne einen echten Erzählfluss zu erzeugen. Wongs Hauptaugenmerk ist der chinesische Status quo, dem er nur mit beherrschter Distanz verarbeiten kann und sich in seinem visuellen Potpourri aus Zeitlupen und Zeitraffer wiederholt verschätzt. Den zwar wirklich beeindruckenden Choreographien wird jede Dynamik genommen und der metaphysische Einblick in die emotionale Motivation führt zunehmen in ein Sammelsurium aus fernöstlichen Glückskeksweisheiten, gefangen im Dekor des asiatischen Zeitgeistes, ohne die überraschungsfreie Konstitution einer bröckeligen Erinnerung an die ehrenvolle Vergangenheit je zu verlassen.


„The Grandmaster“ ist visuell natürlich ein Augenschmaus und die schnörkeligen Verzierungen im asiatischen Glasperlenspielgewand lässt das Herz stilorientierter Cineasten in den höchsten Tönen schlagen. Regisseur Kar Wai Wong verrennt sich jedoch in der Suche nach der besten Einstellung und möchte alles in den Schatten stellen, was das Kampfsport-Sujet je hervorgebracht hat. Dabei bleiben sowohl der Zuschauer und der Zugang in die Gefühlswelt der Protagonisten auf der Strecke, als auch die Figuren selbst, die in ihrer emotionalen Zwickmühle nie in die Tiefe gehen dürfen.  Ein nostalgisch, ästhetisiertes Bilderbuch, in dem jede Seite für eine losgelöste Erinnerung steht und keine Kohärenz entwickeln darf.


4 von 10 Bluttropfen im prasselnden Regen


von souli


Review: THE CHAMP - Auferstehung eines Verlierers

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Fakten:
The Champ (Resurrecting the Champ)
USA. 2007. Regie: Rod Lurie. Buch: Michael Bortman, Allison Burnett. Mit: Samuel L. Jackson, Josh Hartnett, Kathryn Morris, Dakota Goyo, Alan Alda, Rachel Nichols, Teri Hatcher u.a. Länge: 111 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich


Story:
Erik Kernan (Josh Hartnett) ist ein junger Sportjournalist. Doch irgendwie kommt er nicht so recht auf die Erfolgsspur. Er steht noch immer im Schatten seines Vaters, eines berühmten Radiomoderators, er lebt getrennt von seiner Frau und seinem Sohn und auch beruflich läuft es nicht gerade rund. Da trifft er durch Zufall auf den todgeglaubten ehemaligen Box-Champion Bob Satterfield, der heruntergekommen auf der Straße lebt. Kernan plant eine Story über ihn zu schreiben, die seinen großen Durchbruch bedeuten könnte. Doch dann treten plötzlich Ungereimtheiten bei dieser Geschichte auf.




Meinung:
Natürlich sind in einem Film über einen Boxer und einen Journalisten diese beiden Bereiche ein zentrales Thema. Aber Regisseur Rod Lurie („Rufmord – Jenseits der Moral“) geht es wahrscheinlich weniger um Sport oder Beruf. Zumindest nicht nur. Es geht auch und besonders um die Beziehungen von Vätern zu ihren Söhnen. Um Vertrauen, um Erwartungen, um Lügen und um Enttäuschung. Und nicht zuletzt steht Anerkennung im Zentrum des Films. Die Anerkennung für Karriere, Arbeit und Mühen. Die Figuren wollen gesehen werden und dafür tun sie das, was man von ihnen erwartet, selbst wenn es nicht unbedingt das Richtige ist.


Die wenigen Boxszenen, die der Zuschauer hier zu sehen bekommt, sind gut inszeniert und strotzen meist vor roher Kraft. Immer wieder eingestreute alte Aufnahmen wecken auch den Eindruck von Authentizität, wobei der Zuschauer ähnlich wie die Hauptfigur Erik zunehmend aufs Glatteis geführt wird. Ansonsten ist der Film, der auf einer wahren Geschichte allerdings ohne größere Auffälligkeiten sehr geradlinig und solide inszeniert. Dennoch schafft es Lurie immer wieder, mit erfreulich wenig Kitsch Gefühle zu wecken. Besonders für diesen alten, verlausten Ex-Boxer. Mitleid und Hoffnung. Freude und Trauer. Gefühlskino, zwar nicht in seiner Reinform, aber doch auf so gutem Niveau, dass der Zuschauer stets Spaß an diesem Film.

Die Technik hat Bob (S. L. Jackson) immer noch drauf
Sein größtes Plus sind aber wohl die Schauspielerleistungen. Natürlich thront über allem Samuel L. Jackson, von dem man eigentlich nichts anderes erwarten durfte. Als alternder Box-Champion, der mittlerweile als Säufer auf der Straße lebt, überzeugt er vollends. Und es wirkt überaus glaubhaft, wenn er jedem, der es hören will, von seiner angeblich so großen Karriere erzählt. Jackson nutzt jeden Millimeter seiner Rolle aus. Er bringt Humor, Spannung und Dramatik in den Film. Zudem ist da auch noch die tolle Maske, die Jackson zu diesem Herumtreiber mit altem, faltigen Gesicht und Rastalocken werden ließ. Überraschender als Jackson war da hingegen schon Josh Hartnett. Als ehrgeiziger Journalist ist er trotz begrenzter Möglichkeiten in seiner Rolle erstaunlich präsent. Zwar fällt er im Vergleich zu Jackson doch um einiges ab, aber dennoch spielt er den Journalisten überraschend gut. In den Nebenrollen konnten besonders Kathryn Morris, bekannt als Detective Lilly Rush in der Serie „Cold Case“, und Alan Alda als Chefredakteur der Zeitung, bei der Erik arbeitet, überzeugen.


„The Champ“ ist zusammengefasst sicher kein Film, der sein Genre neu erfindet. Wahrscheinlich wird er nicht mal allzu lange in Erinnerung bleiben. Aber die Geschichte bewegt und lässt die Zuschauer schnell an den Schicksalen seiner Hauptpersonen teilhaben. An der Hoffnung der Figuren auf Anerkennung, an ihrem Scheitern, an ihren Fehlern. Und besonders wegen Jacksons Darbietung als alter Mann, der sich an eine Lüge klammert, der seine Lüge so sehr lebt, dass er sie schon selbst glaubt, ist „The Champ“ ein durchaus sehenswerter Film.


7
von 10 Rechte ans Kinn