Review: ORPHAN – DAS WAISENKIND – Ein kleines Mädchen zerstört Familien



Fakten:
Orphan – Das Waisenkind (Orphan)
USA, Deutschland, Kanada, Frankreich. 2009. Regie: Jaume Collet-Serra. Buch: Alex Mace, David Leslie Johnson. Mit: Vera Farmiga, Peter Sarsgaard, Isabelle Fuhrman, CCH Pounder, Jimmy Bennett, Aryana Engineer, Margo Martindale u.a. Länge: 123 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Das Ehepaar Coleman adoptiert ein junges Mädchen, nachdem ihr drittes Kind eine Totgeburt war. Der Name des Mädchens ist Esther (Isabelle Fuhrman), ein scheinbar liebenswertes Kind, außerordentlich intelligent für ihr Alter, vielleicht ein wenig altmodisch. Doch nicht nur die Kleidung ist anders, schon bald merkt Kate Coleman (Vera Farmiga), dass irgendetwas mit Esther nicht stimmt. Wo sie auftaucht, passieren schreckliche Dinge. Unfrieden, Streit, Verletzungen. Als sich diese Aura auch auf den Familiensegen überträgt, glaubt Kate, dass in Esther das wahre Böse steckt – doch niemand glaubt der einst alkoholkranken, depressiven Frau. Nicht einmal ihr Ehemann (Peter Sarsgaard). Esthers Plan scheint aufzugehen…






Meinung:
So geht Horror. Ein Ausnahmefilm in einem Genre, in dem sonst nur selten auf echte Plausibilität, Sinn und Realismus Wert gelegt wird. Meist werden irgendwelche völlig irrsinnigen Storylines zusammengeschustert und wenn den Machern dann nichts mehr einfällt, spätestens dann werden Satan, Monstern, ein großer Kanister Kunstblut oder sonstiger Nonsens mit in den Film gestopft, die dann als Erklärung für den Möchtegerngrusel herhalten müssen. Anders verhält es sich bei „Orphan – Das Waisenkind“. Endlich mal wieder ein Horrorfilm, der eine in sich schlüssige Geschichte enthält, der ohne übersinnliche Erscheinungen auskommt und der dennoch eine unheimliche Stimmung aufbaut. Teuflischer Schrecken mit einer „irdischen“ Erklärung, die das alles noch viel bedrohlicher erscheinen lässt.


Kate (Farmiga) und John (Sarsgaard) mit Adoptivtochter Esther
Ein kleines Mädchen, etwas altmodisch gekleidet, aber wohlerzogen und hochintelligent, wird von einer Familie – Papa, Mama und die beiden Kinder – adoptiert. Doch das Mädchen, das sich selbst als „anders“ bezeichnet, soll schon bald alles in ihrer Umgebung kalt lächelnd terrorisieren und nicht nur den Frieden in der Familie zerstören. Eine simple, aber unheimlich spannende Geschichte, die auch ansprechend und niemals billig aussieht und mit Peter Sarsgaard und Vera Farmiga mit zwei hervorragenden Darstellern aufwarten kann, die auch wissen, was sie tun und mehr können als nur wild umher zu kreischen. Sie geben dem Film Persönlichkeit, die sonst so oft fehlt. Gerade Farmiga weckt die Emotionen im Zuschauer, sie lässt uns mitfühlen und so einen Bezug zu ihr aufbauen, der uns die Entwicklung der Story noch intensiver miterleben lässt. Getoppt wird Farmigas Leistung nur noch von der jungen Isabelle Fuhrman, die es schafft, gleichzeitig das wahre Böse zu verkörpern und dennoch so süß zu sein, dass man ihr doch nicht ernsthaft böse sein kann. Ihre Darstellung umfasst so viele verschiedene Facetten, dass man eigentlich nur staunen kann, wie ihr diese glaubwürdige Vielfalt gelingen mag. Eine wahre Meisterleistung.


Doch Esther scheint kein unschuldiges Mädchen zu sein
Dazu kommt der der Verzicht auf übertriebene Effekte. Wo sonst oft die Gliedmaßen durch die Luft schwirren, das Blut nur so spritzt und auch sonst der Versuch gemacht wird, die Story durch Effekte zu kaschieren, da wird hier mit Bedacht vorgegangen. Klar, auch hier gibt es Blut und auch hier gibt es den ein oder anderen Jump-Scare, stets aber mit Bedacht eingesetzt, mit einem guten Gespür dafür, wann es nötig ist und wann nicht. Stattdessen wird viel mit der Atmosphäre gespielt. Die zunächst warm erscheinenden Farben werden immer kälter, ähnlich wie die vorherrschende Stimmung. Stattdessen wird der Paranoia-Regler immer weiter nach oben geschoben, die zunächst kaum merkliche Bedrohung wird immer realer und besonders die von Schuldgefühlen geplagte Mama Kate wird immer mehr in die Verzweiflung getrieben. Dass das alles auch noch richtig hochwertig aussieht und niemals billig, das dürfte nicht verwundern und ist dem Film dennoch sehr hoch anzurechnen. Die Musik von John Ottman, der sich nicht nur im Horrorfilmbereich hervorgetan hat, sondern auch bereits in „Die üblichen Verdächtigen“ oder zuletzt in „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ für die musikalische Untermalung zuständig war, tut ihr Übriges, um die bald zum Zerreißen gespannte Stimmung noch weiter ins schier Unerträgliche zu steigern.


Optisch toll, spannend, unheimlich und tatsächlich logisch und ohne unnötigen Splatter oder Teuflisches ist „Orphan – Das Waisenkind“ eine wahre Überraschung in der großen Menge an Schwachsinnsproduktionen a la „The Innkeepers“ oder „Evil Dead“, in denen die „Bedrohung“ so sehr an den Haaren herbeigezogen ist, dass sie lediglich ein müdes Lächeln heraufbeschwören kann. „Orphan“ hingegen baut seinen Gruselfaktor langsam auf, achtet dabei auf plausible Erklärungen, nimmt Fahrt auf, steigert sich immer mehr, bis er schließlich in einem unaufhaltsamen und spannenden Finale explodiert. Ein seltener Ausreißer, der spannend ist und in seinen besten Momenten den Zuschauer atemlos, gespannt und tatsächlich zitternd zurücklässt.


8,5 von 10 Bilder an der Wand


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