Review: ZEIT DES ERWACHENS – Von Liebe, Leben, Glück und Vergänglichkeit



Fakten:
Zeit des Erwachens (Awakenings)
USA. 1990. Regie: Penny Marshall. Buch: Steven Zaillian. Mit: Robert De Niro, Robin Williams, Julie Kavner, Ruth Nelson, John Heard, Penelope Ann Miller, Alice Drummond, Peter Stormare, Max von Sydow u.a. Länge: 116 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Leonard Lowe ist Patient in einem Krankenhaus im New York der 1960er Jahre. Er leidet an der Schlafkrankheit, die als unheilbar gilt und vegetiert zusammen mit mehreren anderen Patienten vor sich hin. Als aber der junge Arzt Dr. Malcom Sawyer in dieser Klinik beginnt, will er mit aller Macht diesen Patienten helfen. Mittels eines neuen Medikaments haucht er Leonard tatsächlich wieder neues Leben ein und der erstarrte Patient blüht förmlich auf.






Meinung:
Es scheint fast, als hätte Rilke sein wahrscheinlich bekanntestes Gedicht nur für diesen Film geschrieben. Drei Strophen, die alles sagen, was gesagt werden muss. Der Panther.


„Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.“


Leonard Lowe schläft. Er schläft schon seit vielen Jahren, seit er als Junge in einen komatösen Zustand gefallen ist. Das heißt, er schläft nicht richtig. Er ist wach, aber er kann sich nicht bewegen, bekommt wahrscheinlich nichts mit und wird seitdem rund um die Uhr gepflegt. Leonard ist gefangen. Gefangen in seinem eigenen Körper, der ihn einengt, der ihn zurückhält. Wie Rilkes Panther.


„Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.“


Doch da ist Hoffnung. Hoffnung in Form eines engagierten Arztes, der sich nicht mit dem Ist-Zustand zufrieden geben will. Dr. Malcolm Sayer, dargestellt vom unglaublichen Robin Williams, glaubt daran, dass da mehr ist als der müde Körper, als dieser Käfig, der den wachen Geist gefangen hält. Er glaubt, dass man die tückische Schlafkrankheit besiegen kann. Und tatsächlich, mit Hilfe eines neuen Medikaments, das eigentlich gegen Parkinson helfen soll, gelingt ihm das Unfassbare. Der Panther, dieses edle Geschöpf, wird aus seiner Lethargie erweckt.


Tagtäglich arbeitet Dr. Sayer mit seinem Patienten Leonard
Robin Williams‘ grandiose Leistung wird nur noch von Robert De Niro getoppt, der hier als Leonard Lowe nicht weniger als die größte Darstellung seiner gesamten Laufbahn abliefert. Nie war er so gut wie in „Zeit des Erwachens“, nicht als Vito Corleone, nicht als Max Cady, nicht als Travis Bickle und nicht einmal als Jake LaMotta. De Niro ist hier eine der beeindruckendsten Schauspielleistungen aller Zeiten gelungen und zusammen mit Williams harmoniert er in solch ausgeklügelter Perfektion, dass man sich schon allein von deren Zusammenspiel verzaubern lassen muss. Zusammen mit den herrlich aufgedrehten Patienten, den Pflegern und besonders der hinreißend lächelnden Schwester Eleanor (Julie Kavner, bekannt wohl am ehesten durch ihre Rolle als Marge Simpson) hat der Film einen wunderbaren Cast, der in einem sympathischen Zusammenspiel die verschiedensten Gefühle im Zuschauer erwecken kann, egal ob nun Freude, Trauer oder Mitgefühl.


„Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –„


Und tatsächlich erwacht Leonard zu einem neuen Leben
Regisseurin Penny Marshall, die sich auch für die Filme „Eine Klasse für sich“ oder „Big“ verantwortlich zeigt, zeigt in einfühlsamen Bildern das Leben zweier Männer, die sich in einer verändernden Phase befinden. Sie erzählt uns von Leben, von Liebe, von Freiheit, von Glück und vom Recht auf Selbstbestimmung. Dass der Film dabei bewusst auf die Tränendrüse drückt, wirkt sich allerdings nie negativ aus, da „Zeit des Erwachens“ gleichzeitig und trotz aller Tragik auch ein sehr warmherziger Film geworden ist. Er berührt den Zuschauer direkt im Herzen. Dennoch ist der Film nicht frei von Klischees, sei es der Arzt, der aufgrund seiner Arbeit die Schwärmereien einer Schwester nicht bemerkt, oder der Patient, dem das Gefühl der Liebe plötzlich ein zweites Leben schenkt. Natürlich sind das Klischees, besonders wenn sie mit der sentimentalen Musik von Randy Newman unterlegt sind. Aber manchmal im Leben sind Klischees genau das Richtige, weil sie auch wahr sein können.


Dass in einer Tragödie, mag sie auch noch so sympathisch daherkommen, nicht alles gut ausgeht, das sollte niemanden verwundern. Es gibt Rückschläge und Hindernisse. Aber es lohnt sich stets, dagegen anzukämpfen, das Beste draus zu machen und sein Leben zu nutzen. Man hat ja nur eins. Auch das lehrt und dieser Film. Auch wenn das Glück vielleicht nur für eine begrenzte Dauer vorhanden sein mag und eine launische Diva ist, so lohnen sich auch die kurzen Momente des Glücks. Denn wenn man alles dafür tut, dann sind es diese kurzen Momente, die uns erst zu einem vollständigen Leben führen.


und hört im Herzen auf zu sein.“


8,5 von 10 leere Blicke ins Nirgendwo

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