Review: SEXY BEAST - Gandhi kann auch anders



Fakten:
Sexy Beast
GB, ES, 2000. Regie: Jonathan Glazer. Buch: Louis Mellis, David Scinto. Mit: Ray Winstone, Ben Kingsley, Ian McShane, Amanda Redman, James Fox, Julianne White, Cavan Kendall, Álvaro Monje, Robert Atiko u.a. Länge: 84 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Gal und seine Frau Deedee haben das Leben in Londons Unterwelt lange hinter sich gelassen und genießen nun gemeinsam mit einem befreundeten Pärchen ihren Ruhestand in einer spanischen Finca. Bis zu einem folgenschweren Besuch: Don Logan steht plötzlich auf der Matte. Der wohl härteste Knochen aus ihrem alten Kollegenkreis soll Gal zu der Teilnahme an einem Bruch überreden. Und wenn Don etwas kann, dann Menschen überzeugen…auf seine ganz eigene Art.





Meinung:
„Warum sollte ich dir erlauben glücklich zu sein?!“

Don Logan ist nicht gerade ein Glücksbärchen, eher ein bissiger Kampfhund. Wo er auftaucht und (nicht nur) verbal austeilt, wächst so schnell kein Gras mehr. Dabei wollte sich Gal doch nur noch am Pool die spanische Sonne auf den Pelz brennen lassen, endgültig mit der Müllhalde London und seinem alten Leben dort abschließen. Keine Chance, denn Don argumentiert so messerscharf und mit kaum zu wiederlegender Logik, wie sollte man dagegen ankommen?


-„Mach den Job!“ – „Nein, Don!“ – „Doch!“ – „Nein!“ – „Doch!“ – „Nein!“ – „Doch!“ –„Ich kann nicht…“ – „Du kannst!“ – „Ich kann nicht!“ – „Fette Sau!!!“


Ein Gläßchen mit Don ist (k)ein Vergnügen.
Mit dem ersten seiner bis heute gerade mal drei Spielfilme hat Jonathan Glazer („Birth“, „Under the Skin“) gleich voll ins Schwarze getroffen. Hier verfilmte er kein eigenes Skript wie später, die unglaublichen Wortgefechte und zitatwürdigen Oneliner kann er sich somit nicht auf die Fahne schreiben. Das soll seinen Anteil an der Qualität dieser schnittigen Perle keinesfalls schmälern. Der erfahrene Musikvideoregisseur beherrscht nicht nur (wie zu erwarten) die stylische Inszenierung, im Gegensatz zu vielen Kollegen aus dem Bereich weiß er seine dort erprobten Fähigkeiten bei einem Film nicht nur als schmückendes Blendwerk einzusetzen. Seine Bilder sind nicht nur als hübsche Fototapete geeignet, sie erzählen die Geschichte mit, transportieren die Stimmung. Von der drückenden Hitze und idyllischen Unbeschwertheit vor dem Auftauchen von Don bis hin zur ängstlichen Anspannung, der nervlichen Belastung während seines Stelldicheins. Glazer besitzt ein Naturtalent, wie geschaffen für das Medium. Schade, dass er uns bisher nur so selten daran teilhaben ließ. Fast selbstverständlich scheint da auch das Händchen für die Musikauswahl. Die perfekt platzierten Songs und besonders der für den Film produzierte Sound von UNKLE passen wie die Faust auf’s Auge. Die Inszenierung ist somit schon mal top, doch ganz ehrlich, was wäre der Film ohne seinen Star: Ben Kingsley.


-„Was ist das?“ – „´Ne Ziege. ´Ne echte Landplage in der Gegend.“ – „Was guckt die mich so blöd an?!“


"Ich hoffe, ihr stürzt ab!"
Gut zwanzig Jahre vorher erhielt er für seine Rolle in „Gandhi“ den Oscar und propagierte den gewaltlosen Widerstand. Nun ist er die explosive Gewalt auf zwei Beinen. Sobald Kingsley als Don Logan das Feld betritt, ist das sein Spiel. Was für eine sagenhafte Performance von dem Mann, der bis dahin eher für die Rolle des besonnenen, diskreten Gentlemans bekannt war. Selbst in seltenen Schurkenrollen immer die Contenance waren, damit ist es in „Sexy Beast“ endgültig vorbei. Wenn Don Logan unter voller Körperspannung seine aggressiven Schimpftiraden schmettert, ziehen die bemitleidenswerten Figuren schnell den Kopf ein und der Zuschauer kann mehrfach nur schwer die Lachtränen unterdrücken. Eine Wahnsinnsnummer, mit der sich Kingsley erneut eine Oscarnominierung und einen Golden Globe erfluchte. Neben ihm verblassen seine eigentlich ebenfalls hervorragenden Kollegen ungerechtfertigt, was soll man da schon machen? Alle Szenen mit Kingsley sind pures Gold. Dementsprechend leider logisch, dass der Film gegen Ende etwas verliert, wenn er nicht mehr omnipräsent ist. Der Heist-Part in London hat nicht mehr diese sagenhafte Qualität und den bösen Witz wie zuvor, die immense, furztrockene Coolness büßt „Sexy Beast“ jedoch nie ein. Die Geschichte per se ist nicht besonders unkonventionell oder originell, dieser Film lebt von seinem Flair, seiner Inszenierung, den Figuren und seinen umwerfenden Einzelmomenten. Davon gibt es dafür reichlich.


Schon allein wegen Ben Kingsley muss man „Sexy Beast“ eigentlich gesehen haben. Alles aber nur auf ihn und seine Leistung zu reduzieren wäre nicht fair. Jonathan Glazer ist – auch vielleicht, weil er sich so rar macht – damals wie besonders heute, nach seinem jüngsten Unikat „Under the Skin“, ein hochinteressanter Mann, von dem es in der Zukunft hoffentlich noch so einiges zu sehen und erleben gibt. 

-„Ich hab sie gefickt.“
-„Ja, weißt du…dafür fick ich dich jetzt!“

8 von 10 schmeichelnden Badehosen.

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