Review: Peter Weir Doppel: DIE LETZTE FLUT & MOSQUITO COAST - Zwei Geschichten vom Ende der Zivilisation




Fakten:
Die letzte Flut (The Last Wave)
AUS, 1977. Regie: Peter Weir. Buch: Peter Weir, Tony Morphett, Petru Popescu. Mit: Richard Chamberlain, Olivia Hamnett, David Gulpilil, Frederick Parslow, Nandjiwarra Amagula, Vivean Gray, Walter Amagula, Roy Bara, Cedrick Lalara, Morris Lalara u.a. Länge: 105 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Mitten im November, der eigentlichen Trockenperiode, prasseln monsunartige Regenfälle, sogar Hagel auf Sydney nieder. Gleichzeitig übernimmt der sonst nicht auf Strafrecht spezialisierte Anwalt David Burton einen Fall von Totschlag. Vier Aborigines sollen einen Artgenossen getötet haben, der Fall gibt allerdings einige Rätsel auf. Zudem ereilen David unheimlich Visionen einer drohenden Apokalypse und einer der Angeklagten, Chris, taucht in ihnen ebenfalls auf. David forscht nach und driftet immer weiter in eine Welt ab, die jenseits seiner Vorstellungskraft liegt.






Meinung:
Zwei Jahre nach seinem hypnotisch-phantastischen Meisterwerk „Picknick am Valentinstag“ widmet sich der Australier Peter Weir dem reizvollen Culture-Clash zwischen den Ureinwohner seiner Heimat und dem weißen Mann, ausgetragen auf urbanen Terrain. In seiner hochinteressanten und durchwegs faszinierenden Mischung aus Justiz-Krimi, Mystery-Thriller und Katastrophenfilm kann er erneut durch surreale, (diesmal nicht nur) subtil-bedrohliche Sequenzen den Zuschauer in seinen Bann ziehen, ganz homogen abgestimmt wirkt „Die letzte Flut“ unterm Strich leider doch nicht, lässt etwas unbefriedigt zurück.


Bei dem Scheißwetter kann man prima den Keller entrümpeln.
In den hervorragend inszenierten Traum- und Halluzinationssequenzen sowie der stetigen, schleichend-apokalyptischen Bedrohung liegen die großen Stärken des Films. Beschränkt auf diese unheimlichen, in düsteren Bildern und mit einem grandiosen Sounddesign ausgeschmückten Momente, lässt sich dem Film wenig vorwerfen, im Gegenteil. Weir spielt mit religiösen Symbolen, Motiven des Öko-Horrors und Katastrophenfilms, prangert gleichzeitig die Verdrängung der Aborigines durch den weißen Mann an. Ein Gefühl von Gerechtigkeit bleibt unvermeidlich, wenn  Richard Chamberlain am Ende die Prophezeiung unaufhaltsam auf sich und seine Welt zurollen sieht. Auf dem Weg zu diesem absolut nachhaltigen, von Ohnmacht und Hilflosigkeit geprägtem Finale verschenkt Weir jedoch einiges, ohne Zweifel hätte „Die letzte Flut“ Potenzial gehabt, sich kaum hinter „Picknick am Valentinstag“ verstecken zu müssen. Die Ermittlungsarbeiten von Anwalt Burton sind nicht unbedingt von großer Spannung getrieben, seine Figurenentwicklung erscheint etwas sprunghaft und das bedeutungsschwangere Geschwurbel um Aborigine-Hokuspokus wirkt dann doch an einigen Stellen eher anstrengend und zu dick aufgetragen. Somit bleiben die Grundstimmung, beklemmende Momente und das Finale sicher langfristig im Gedächtnis, der Film im Gesamten nur durch sie. 

6 von 10 schwarzen Regentropfen





Fakten:
Mosquito Coast (The Mosquito Coast)
USA, 1986. Regie: Peter Weir. Buch: Paul Schrader, Paul Theroux. Mit: Harrison Ford, Helen Mirren, River Phoenix, Conrad Roberts, Andre Gregory, Martha Plimpton, Dick O’Neill, Jadrien Steele u.a. Länge: 117 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD (Import) erhältlich.


Story:
Allie Fox, ein kluger Kopf, Erfinder und angewidert von der modernen Zivilisation, packt Hals über Kopf seine Frau und vier Kinder ein, um in Honduras ein neues Leben zu beginnen. Er erwirbt ein Stück Land und erschafft dort mit Hilfe der Eingeborenen eine Gemeinschaft nach seinen Vorstellungen. Prunkstück ist seine selbstentworfene, riesige Eismaschine. Doch der Traum von Freiheit und Unabhängigkeit hat seine Schattenseiten, die der selbstgerechte Idealist nicht wahrhaben will.





Meinung:
Harrison Ford und Sean Connery verbindet weit mehr als ihre Vater-Sohn-Beziehung aus „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“. Beide leben (oder eher lebten) durch ihre unnachahmliche Leinwandpräsenz und ihr Charisma, weniger durch darstellerische Wandlungsfähigkeit. Sie gehören zu den Akteuren, die sich eigentlich immer nur selbst spielten, damit allerdings gut gefahren sind. Bei seiner zweiten Zusammenarbeit mit Peter Weir nach „Der einzige Zeuge“ beweist Ford, dass er doch viel mehr kann. Vielleicht die beste Darstellung seiner gesamten Karriere, obwohl er hinter Robert De Niro und Jack Nicholson nur eine „Notlösung“ für die Rolle war.


Tja, im Prospekt klang das alles irgendwie schöner...
Als zivilisationsmüder, abenteuerlustiger und zu einem nicht geringen Anteil narzisstischer Familienvater glänzt Ford wie selten. Ein Besessener, der sich am liebsten selber reden hört und meint, die Wahrheit als einziger für sich gepachtet zu haben. Wie eine Mischung aus Christoph Kolumbus, „Fitzcarraldo“ und allwissendem Halbgott erschafft er sich sein eigenes Königreich im tiefsten Dschungel, erbaut ein Götzenbild in Form einer gigantischen Eismaschine, die wie ein Fremdkörper in der natürlichen Schönheit der Mosquito Coast wirkt. Ein besseres, ein friedliches Leben will er für sich und seine Familie, abseits der ihm verhassten, modernen Welt, die sich seiner Ansicht nach eh bald von selbst vernichten wird. Dabei war es wohl ihr geschützter Rahmen, der Allie Fox in seiner Selbstgerechtigkeit vor dem Schlimmsten bewahrte. Ohne sich unterordnen zu müssen und gesellschaftlichen Normen zu unterliegen schaukeln sich sein Ego und Geltungstrieb in gefährliche, selbstzerstörerische Gefilde. Er wird zu der Bedrohung, die er in seiner alten Heimat fürchtete, ohne es sich eingestehen zu können und zu wollen. Scheitern verboten, stur geht er seinen Weg und reißt auf dem freien Fall seine Familie mit sich. Peter Weir vertraut dem Können seines Hauptdarstellers und wird mit einem intensiven, wandlungsreichen Spiel seinerseits belohnt. Hinter der One-Man-Show steht eine wunderbare Darstellerin wie Helen Mirren leider nur als Anhängsel in der zweiten Reihe herum, darf maximal Stichworte geben. Zugegeben, ohne den grandiosen Harrison Ford und die wunderschöne Inszenierung von Peter Weir wäre „Mosquito Coast“ wohl nur ein recht gutes Abenteuerdrama und Psychogramm, mit den Beiden allerdings ein zum Teil eindrucksvolles Erlebnis um einen Mann, der sich selbst als letzte Moral und Weisheit der Menschheit betrachtet, jedoch keine Götter neben sich duldet und dessen selbstauferlegte Unfehlbarkeit alles zerstört.

7,5 von 10 Eiswürfeln im Dschungel

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