Review: DIE VERURTEILTEN - Man trifft sich in der Mitte



Fakten:
Die Verurteilten (The Shawshank Redemption)
USA, 1994. Regie: Frank Darabont. Buch: Frank Darabont, Stephen King (Vorlage). Mit: Tim Robbins, Morgan Freeman, Bob Gunton, William Sadler, Clancy Brown, Gil Bellows, Mark Rolston, James Whitmore, Jeffrey DeMunn, Larry Brandenburg, Brian Libby u.a. Länge: 143 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Andy Dufresne, ein erfolgreicher Banker, wird 1949 für den Mord an seiner untreuen Ehefrau und deren Liebhaber zu einer lebenslangen Haftstrafe im berüchtigten Shawshank-Gefängnis verurteilt. Dort wird Frischlingen eine eher geringe Lebenserwartung unterstellt, besonders so ruhigen Fischen wie Andy. Den sadistischen Wachen, dem selbstgerechten Leiter und den brutalen Mithäftlingen zum Trotz findet Andy recht schnell seinen Platz in dem autonomen System, immer in der Hoffnung, irgendwann wieder in Freiheit leben zu können. Als die Chance zum Greifen nah ist, wird sie genauso schnell wieder zerstört…






Meinung:
„Hoffnung kann einen Mann in den Wahnsinn treiben. Hier drin nützt sie dir nichts. Ich hoffe, das vergisst du nie.“

Fast unglaublich, dass Frank Darabont mit „Die Verurteilten“ sein Spielfilmdebüt gab. So virtuos und exakt auf die Gemüter des Publikums abgestimmt trägt er seinen Film vor. Schafft es, aus einer (guten, aber nicht überragenden) Kurzgeschichte von Stephen King ein packendes, an einem ungünstigen Zeitpunkt unterschätztes und nachhaltig in Platin gegossenes Stück junger Filmgeschichte zu schmieden. Heute gilt „Die Verurteilten“ als einer der besten Filme aller Zeiten, zumindest wenn man messbare Wertungen aus Videothekenprofiten (damals) oder Internet-Feedback (heute) als Maßstab nimmt. Die verkannte Qualität zu seinem Kinostart ist immer noch schändlich, der auf das Maximum gepushte Hype etwas übertrieben. Dennoch, das ist ein wunderschöner, hervorragend inszenierter Film, der seinerzeit gegen das ultimative Everybody’s Darling „Forrest Gump“ (und außer Konkurrenz, warum auch immer, „Pulp Fiction“) den Kürzeren zog.


-"10 Kippen auf das Weißbrot." -"Wie meinen?!"...
Manipulativ ist die Geschichte um Andy Dufresne sicher, sehr gezielt, setzt in seiner Inszenierung oft auf überflüssige Elemente (die musikalische Untermalung wirkt mehr als einmal extrem überzuckert, obwohl diverse Szenen OHNE Musik wesentlich besser funktionieren würden), kippt gegen Ende etwas zu sehr in Wohlfühlkitsch, aber bis dahin sind alle Kritikpunkte reines Erbsenzählen. So effektiv und kurzweilig Darabont die Geschichte von dem geborenen Märchenonkel Morgan Freeman vortragen lässt (die ersten 90 Minuten fühlen sich wie maximal 25 an), ist auf höchstem, narrativem Niveau. Bedrückender, konstruierter, aber sicher nicht überdramatisierter Knastalltag werden perfekt in einen stimmigen Erzählfluss integriert, die menschlichen Aspekte in den Vordergrund gestellt. King’s Kurzgeschichte wird weggetreu umgesetzt und gezielt ergänzt, dadurch entstehen 2 ½ Stunden beste Unterhaltung.


Schlechte Wetter kann so befreiend wirken
Allein der Mut von Frank Darabont, eine der weniger bekannten Geschichten von King als großes Epos aufzublasen, ist bemerkenswert. Mit seiner geringen Erfahrung. Aber er begreift das, was King selbst nicht so perfekt ausdrücken konnte. Eine Geschichte über Freundschaft, Freiheitsdrang, Gerechtigkeit, auch wenn der Weg dahin hinter schweren Mauern aus Stein und Beton begraben liegt. Da braucht man schon ein ergiebiges Werkzeug oder die perfekte Tarnung. In der Bibel findest du Erlösung, die Freiheit im Schoß einer Göttin. 20 Jahre Bau vergehend wie im Flug, dank der flotten, dennoch detaillierten Inszenierung, den hervorragenden Darstellern und dem Verständnis für altmodisches, gleichzeitig zeitgemäßes Erzählkino, was heute oft auf der Strecke bleibt. „Die Verurteilten“ richtet sich gezielt an die Empathie des Zuschauers, macht es ihm aber verhältnismäßig leicht, sich in ihm und seiner Dynamik zu verlieren. Man fühlt sich nicht an der Hand gezerrt, sondern eingeladen, an dem Schicksal der sympathischen Charaktere teilzuhaben. Sie können einen kaum kalt lassen, selbst wenn man es wollen würde. Viele Filme betteln um Teilhabe, dieser schafft es bald beiläufig. Man kann Darabont speziell zum Ende überdeutliche Taschenspielertricks vorwerfen, doch selbst die gehen in der homogenen und einfühlsamen Dramaturgie fast unter. So sensibel, stimmig und im Paket funktionell wie hier ist das selten, spricht für hohes Talent des Geschichtenerzählens, was Darabont zweifellos beherrscht.


Er schafft es, aus einer interessanten, aber nicht unbedingt dafür prädestinierten Vorlage, einen abendfüllenden, jederzeit spannenden Film zu kreieren, der unglaublich gezielt die gröbsten Schlaglöcher überspringt und zeitgleich die kleinen Nuancen mitnimmt, um nicht als Edelkitsch zu sterben. Bis zu seinem leicht überzogenen Finale ist „Die Verurteilten“ genau das, was Kritiker und Konsumenten zwingend vereinen sollten. Kommerz-Arthouse, Underdog und Überflieger, erst unterschätzt und dann gefeiert. Man trifft sich in der Mitte, in der sehr guten, bald überragenden Mitte.

8,5 von 10 Steinhammern

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