Review: NICHT MEIN TAG - Peter Thorwarth sucht sich selbst

                                                                   


Fakten:
Nicht mein Tag
BRD, 2013. Regie: Peter Thorwarth. Buch: Stefan Holtz, Peter Thorwarth, Ralf Husmann (Vorlage). Mit: Moritz Bleibtreu, Axel Stein, Jasmin Gerat, Anna Maria Mühe, Nele Kiper, Ben Ruediger, Kasem Hoxha, Bekim Guri, Tobias Nied, Emilian Markgraf, Ralf Richter, Maxwell Richter, Milan Peschel, Christian Kahrmann, Til Schweiger u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Till Reiners war mal ein wilder Hund, nun ist er Bankkaufmann mit Frau und Kind, Hypothek, einer Ehe ohne Sex Torschlusspanik, dass der aktuelle Spießertrott nun die Endstation ist. Als Kleinganove Nappo seine Bank überfällt und sich dessen Fluchtwagenfahrer verkrümelt, wird Till als unfreiwilliger Chauffeur gekidnappt. Was als Zwangsmaßnahme unter Todesangst beginnt, entwickelt sich zum aufregenden Road-Trip. Zwischen dem auftauenden Till und dem gar nicht so skrupellosen Nappo entwickelt sich eine Freundschaft. Als Till dann auch noch die Treue seiner Ehefrau anzweifelt, eskaliert die Lage komplett und nimmt ungeahnte Formen an.






Meinung:
Genau 15 Jahre ist es her, als ein junger, unbekümmerter Nobody aus dem Pott mit seinem Debütfilm das traditionell muffige Komödien-Kino aus heimischen Gefilden ordentlich aufmischte. Unter dem im ersten Momente affig klingenden Titel „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding“ versteckte sich eine zitatträchtige Perle des deutschen Kinos, wild, ambitioniert, leicht primitiv, aber so herrlich detailliert und sympathisch-komisch, da galt Peter Thorwarth als der Hoffnungsträger des unverbrauchten, deutschen Films. Mit seiner holprigen, eigenen Kurzfilmadaption „Was nicht passt, wird passend gemacht“ blieb er sich zwar treu, offenbarte gleichzeitig aber auch deutliche Schwächen. Mit dem dritten Teil seiner Unna-Trilogie „Goldene Zeiten“ konnte er wieder halbwegs in die Spur zurückfinden. Überfrachtet, nicht ausgereift, aber mit dieser grundsätzlichen Idee und teilweise schön-skurrilen, naiven und dadurch so witzigen Einfällen, die Lust auf sein nächstes Werk stieg wieder deutlich an. Das ließ lange auf sich warten.


Bitte nicht mit dem Fahrer sprechen.
„Nicht mein Tag“ enttäuscht leider im Gesamteindruck, obwohl die Bedingungen so verheißungsvoll sind. Niemand anderes als „Stromberg“-Autor Ralf Husmann liefert die Vorlage zum Skript, Thorwarth hat immer noch dieses Gespür für urige Situationskomik, ein goldenes Besetzungshändchen und weiß all dies zunächst auch auszuspielen. Dazu muss gesagt werden: Dies ist sicher sein konventionellster Film bisher. Dem enthusiastischen Chaos seiner ersten Filme – was gerade deren Reiz ausmachte – muss nun einer in der Form schon häufiger vorgetragene Geschichte weichen. Im Alltag gefangener und eingeschlafener Nun-leider-doch-Spießer wird als Geisel genommen, freundet sich (holterdiepolter) mit seinem anarchistischen Entführer an und nutzt den Wink des Schicksals als Flucht aus der mausgrauen, schleichenden 9-17Uhr-Todesstrafe. Trotz bekannter Muster, eindeutiger Anleihen (bis zu Plagiaten) aus etlichen Werken zuvor und der objektiv nicht so drastisch-schlüssigen Verbrüderung mit dem Geiselnehmer, lange funktioniert der Film zweifellos. Allein das präzise Timing, die pointierten Dialoge und vor allem die beiden hervorragenden Hauptdarsteller täuschen über Skriptmängel locker hinweg.


Ein hartes Duell: Wer kann blöder gucken?
Von Moritz Bleibtreu ist man nichts anderes gewohnt, erneut untermauert er sein Talent für kantige Figuren, gerne mit leichtem Assi-Touch. Er versteift sich selten in Rollen, gibt ihnen immer seine eigene Note, die sie oft besser erscheinen lassen, als sie ursprünglich wohl skizziert waren. DIE Überraschung ist mit Sicherheit Axel Stein, der sich jahrelang als dicker Proll-Dödel vom Dienst durch so manchen Schund hocharbeiten durfte und nun tatsächlich unter Beweis stellt, was er (jetzt erst?) leisten kann. Allein die Chemie zwischen Bleibtreu und Stein ist pures Gold und vermag den Film über manche dramaturgische Schlaglöcher hinweg zu tragen. Angereichert mit netten Cameos und Anspielungen (in erster Linie auf Thorwarth’s Prunkstück „Bang Boom Bang“) macht der Film Laune und hat diese Grundstimmung, für die Til Schweiger (hier nicht ganz unbeteiligt, als Produzent sowie mit seinem besten, weil selbstironischsten und wirklich mal nicht eitlem Auftritt seit einer Ewigkeit) und sein Adoptivsohn Matthias Schweighöfer nicht mal töten müssen (aber sollten), weil ihr Schrott ja trotzdem läuft. „Nicht mein Tag“ ist in der ersten Hälfte zwar nie super oder außergewöhnlich, dennoch nett und schmissig, geht gut rein und schafft eine harmonische Stimmung aus Road-Movie, Komödie und Eskapismus, ganz einfach und effektiv.


Dann kippt die Chose leider ganz gewaltig, auch weil Thorwarth irgendwann extrem planlos wirkt, einfach nicht den richtigen Punkt findet und ihm das unglückliche Kunststück gelingt, die gesamte Stimmung schwungvoll an die Wand zu fahren. Mit 110 Minuten ist der Film nicht nur viel zu lang (für die Geschichte), er verrennt sich auch noch komplett in einem unausgegorenen Plot, der augenscheinlich zu viel will. Es wechselt und mischen sich Elemente aus Thriller, Beziehungsdrama, Komödie, Buddy-Movie und sogar Actionfilm so überstürzt, das erscheint bald hilflos. Warum die nicht unbedingt originelle, aber zumindest klare und funktionale Basis so sinnlos geopfert wird, es bleibt ein Rätsel. Nichts gegen Stimmungs- und Genrewechsel bzw. Verquickungen, nur das muss man dann eben beherrschen. Thorwarth gelingt das nicht und übersäuert seinen bis dahin soliden Film ohne Not. Am Ende ist man sogar geneigt, dieses krude, verworrene Gemisch böse abzustrafen und muss sich erst wieder der charmanten Momente bewusst werden, um die Kirche im Dorf zu lassen.


Ohne Zweifel, Thorwarth kann was und lässt es immer mal aufblitzen, nur hier ist der Titel leider Programm. Sogar sein schwächster Film, was nicht darauf zu begründen ist, dass er sich zu sehr auf einfache Mechanismen verlässt, eher dadurch, dass er sie irgendwann aufgibt und sich nicht mehr recht orientieren kann. Bis dahin war seine unangepasste, leicht wirre Verspieltheit eine Stärke, nun wird sie zur Schwäche. In dem Fall wäre weniger mehr gewesen. Kann passieren, interessant bleibt der Mann, nur bitte nicht mehr so nach allem fischen. Es kommen hoffentlich wieder bessere Tage.

5 von 10 Stockholm Syndromen

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