Review: BIS DAS BLUT GEFRIERT - Subtiler Horror ohne Blut

                                                                       

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Fakten:
Bis das Blut gefriert (The Haunting)
GB, USA, 1963. Regie: Robert Wise. Buch: Nelson Gidding. Mit: Julie Harris, Claire Bloom, Richard Johnson, Russ Tamblyn, Fay Compton, Rosalie Crutchley, Lois Maxwell, Valentine Dyall, Diane Clare, Ronald Adam u.a. Länge: 108 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.

Story:
Dr. John Markway mietet ein Haus, um die Existenz übernatürlicher Phänomene zu beweisen. Das Hill House scheint ihm aufgrund seiner tragischen Vergangenheit, die jedem der Vorbesitzer den Tod bescherte, der ideale Ort. Um seine Forschungen zu untermauern sucht er nach geeigneten Assistenten, die in ihrem Leben schon Kontakt mit paranormalen Erscheinungen hatten. Zu den Auserwählten gehört auch Eleanor. Auf dem Anwesen angekommen spürt sie schon bald die Anwesenheit einer höheren Macht.

 


Meinung:
"Bis das Blut gefriert" von Robert Wise gilt als einer der größten Klassiker des Haunted-House Genres und kann heute noch ungemein gefangen nehmen, trotz einer, nicht zu leugnenden, altersbedingten Antiquiertheit. Nicht zu Letzt darauf zurück zuführen, dass bis heute dieses Genre immer wieder befeuert wird, jedoch nur selten auf eigene Ideen zurückgreift. Gewisse Abnutzungserscheinungen sind somit nicht diesem Werk, sondern dessen Plagiaten zuzuschreiben.

Definitve Kritikpunkte lassen sich eigentllich nur zwei entdecken. Hauptdarstellerin Julie Harris erfüllt ihren Part zwar insgesamt ansprechend und stellenweise sogar großartig, nur ist ihr (rollenbedingtes) hysterisches Spiel nicht immer einfach. Die Tolleranzschwelle wird ab und an leicht überstrapaziert, was sicherlich aber auch nicht so einfach ausbalancierbar ist. Der Punkt ist eher bemühte Fehlersuche, dennoch nicht von der Hand zu weisen.
Punkt zwei ist die manchmal extreme Geschwätzigkeit der Herren und Damen. Die haben zwar immer irgendwas (halbwegs) relevantes zu erzählen, nur bremst das unterm Strich schon gewaltig aus. Die Laufzeit des Films hätte merklich gestrafft werden können, ohne ihm zu schaden bzw. ihn sogar zu perfektionieren. Nicht nur (aber besonders) für heutige Sehgewohnheiten.

 
Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs
Nun aber zur verdienten Bauchpinselei: Regisseur Robert Wise, Drehbuchautor Nelson Gidding (mit besagten Abstrichen) und vor allem Kameramann Davis Boulton verstehen ihr Handwerk unbestreitbar. Besonders letzterer trägt einen großen Anteil an der zeitlosen Wirkung von "Bis das Blut gefriert". Die unheimlichen schwarz/weiß Bilder (in Farbe wäre dieser Film nicht vorstellbar) werden so perfekt eingefangen, die Einstellungen und Fahrten sind sensationell, was sich speziell im (ausgedehnten) Finale äußert, das gleich noch sein Extralob bekommt. Kaum auszumalen, was dieser Film verlieren könnte, wenn das nicht so sitzen würde. Das schauerliche Set der fast labyrinthartigen Villa ist nicht nur Kulisse, sondern Hauptdarsteller. Allein die Wendeltreppe müsste im Cast gelistet sein.

Was "Bis das Blut gefriert" von Anfang an und besonders in seinen etwas dehnenden Passagen auszeichnet, ist sein ironischer Ton. Witz und Grusel sind schwer kombinierbar und gehen hier auch nicht Hand in Hand, aber gerade dieser beiläufig eingestreute Sarkasmus funktioniert wunderbar. In gewissen Momenten fährt sogar ein Grinsen über das Gesicht, wie zynisch manche Situationen kommentiert werden (siehe die Anfangssequenz). Eine Randnotiz, denn es nimmt nicht viel Raum ein, generell überzeugt das Skript aber durch seine ausgefeilten Dialoge, die nur eben etwas zu ausführlich sind.

Ein Vogel? Ein Flugzeug? Nein, die Treppe...
Das wohl Interessanteste an diesem Werk ist seine Subtilität, seine eigentlich spärlich eingestreuten (offensichtlichen) Gruselmomente, denn entscheidend ist die Herangehensweise. Protagonistin Eleanor teilt mit dem Zuschauer durchgehend ihre Gedanken, was nicht nur für ihre sinnvolle, tiefere Charakterisierung sorgt, sondern essentiell für das eigentliche Grauen ist. Ohne diesen Einblick könnte gar nicht der Horror entstehen, der sich oft nur in ihrem Kopf abspielt bzw. könnte nicht so auf den Zuschauer wirken, wenn er denn zu sehen ist. Dieser Kniff hebt den Film weit über den Durchschnitt des Genres und erlaubt es Robert Wise relativ selten das Übernatürliche spucken zu lassen. Aber wenn, dann richtig. Sobald der Schrecken nicht nur den Gedanken entspringt, sondern für jeden greifbar wird, ist "Bis das Blut gefriert" so unglaublich kraft- und druckvoll inszeniert, dass wirklich kurz Eiswürfel durch die Adern laufen. Da wird auf ganz einfache, heute kaum noch so bewusste, Stilmittel zurückgegriffen, dafür perfekt in Szene gesetzt. Die dann enstehende Wucht ist sagenhaft. Auch wenn der Streifen sich öfter etwas zieht, allein die letzten Minuten (ca. 25) sind famos. Da verbinden sich alle gelobten Elemente zu einem Theater der Angst, jede vorher ausgespielte Karte zählt nun doppelt, "Bis das Blut gefriert" ist nun so unglaublich mitreissend, dass jede Schwäche vollkommen belanglos ist. Insgesamt muss der Film für seinen Mut gelobt werden, sich so lange und ausführlich mit Details zu beschäftigen, nur um deren Zusammenspiel am Ende so zu vereinen.

Ein sicher etwas angestaubter, dennoch insgesamt unglaublich guter Gruselfilm mit leichten Schwächen, aber bis heute kaum übertroffenen Stärken, bei dem es wundert, dass er ja eigentlich schon ein Remake bekommen hat ("Das Geisterschloss", 1999), dieses aber kaum in Verbindung mit ihm zu bringen ist. Spricht für diesen und gegen den Effektblender von Jan de Bont, der selbst jetzt schon keine Sau mehr interessiert.

8 von 10 gut abgehangenen Schinken.

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