Review: MENSCHENFEIND - Ich und die Anderen

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Fakten:
Menschenfeind (Seul contre tous)
FR, 1998. Regie & Buch: Gaspar Noé. Mit: Philippe Nahon, Blandine Lenoir, Frankie Pain, Martine Audrain, Jean-Francois Rauger, Guillaume Nicloux, Olivier Doran, Aissa Djabri u.a. Länge: 89 Minuten. FSK: ab 18 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Der Schlachter hat eine sehr bewegte Vergangenheit: Der Vater im KZ gestorben, er als Kind missbraucht, seine erste Frau hat ihn verlassen, er nach dem Totschlag des vermeidlichen Vergewaltigers seiner Tochter inhaftiert. Nach der Entlassung hat er keinen Kontakt mehr zu seinem Kind, ist neu verheiratet, seine "Dicke" wieder schwanger, er von ihr abhängig. Das kotzt ihn so an, dass er einestages eine "Sturzgeburt" einleitet, sich von Lyon zurück nach Paris verkrümelt, um dort endgültig seinem Wahn zu verfallen.





                                                  

Meinung:
Gaspar Noé ist schon ein merkwürdiger Zeitgenosse. Seine Filme sind Bauchschmerzgaranten, da macht sein Kindodebüt "Menschenfeind" auch keine Ausnahme. Im Gegenteil, seine kontroverse Karriere hatte hier seinen ersten Höhepunkt. Wie auch seine späteren Kinofilme "Irreversibel" und "Enter the Void" ist "Menschenfeind" ein schwer verdaubarer Brocken, dem Kritiker und Befürwortern reichlich Nährboden geboten wird. Noé liefert einen merkwürdig-ekelhaften Seelenstriptease hin, der nichts auslässt. Schonungslos wird der Zuschauer in die nihilistische, verstörende, grauenvolle Gedankenwelt des Protagonisten befördert. Eine Identifikation findet (Gott sei Dank) nicht direkt statt, aber es liefert einen Einblick, ohne Kompromisse. 

 


Igitt, Menschen...
An vielen Stellen führen Off-Kommentare des "Schlachters" durch die Geschichte, die so zynisch-vernichtend sind, dass zwischen  Lächeln und ekelerregender Gänsepelle nur Wimpernschläge liegen. Diese Grenzgänger sind wohl ausschlaggebend für die gesamte Wahrnehmung eines Films, der bewusst polarisiert. Noé erzählt weniger einer Geschichte, er seziert einen Geisteszustand, der vielleicht, sogar sehr sicher, überkonstruiert wirkt, aber eben einen Grenzbereich auslotet, wie jeder seiner Filme. Und dieses Tiefseetauchen in den Verstand eines buchstäblichen Menschenfeinds ist so grenzwertig, erschreckend "logisch" (wenn sich denn darauf eingelassen wird) und zerstörend, dass die pure Befremdlichkeit einen gefangen macht.





Noé provoziert direkt, macht dieses aber auch in einer so geschickten Umsetzung, handwerklich wie narrativ, dass dieses zwar bewusst, aber halt als sehr gekonnt angesehen werden sollte. Das ist ja gerade sein Zaubertrick: So widerwärtig alles erscheint, so goutierbar (obwohl niemals verschönend) raspelt er uns den Hass-Käse über das Essen, und wir sind (eventuell) bereit, es zu fressen. Eventuell, denn da liegen wohl Welten zwischen essen und kotzen. Aber unter dem gesamten Elend und Schmerz schimmert ein ganz kurzer Lichtblick... der dann wieder mit einer Wucht an die Wand geworfen wird, das überlebt kein Froschkönig.

 
Dafür kann Noé, der mal wieder ein sehr merkwürdiges Bild von Sexualität und der Frauenfigur an den Tag legt, geliebt oder gehasst werden. Von Liebe würde ich jetzt auch nicht sprechen, aber grundsätzliches Interesse und der Ehrfurcht vor so viel handwerklichem Talent habe ich schon. Eine Diskussion mit Noé und einer erlesenen Gruppe von Feministinnen würde ich gerne beiwohnen.

8 von 10 Schlägen in den Magen

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